Guten Morgen, Emanuel! Meine Nacht war recht schön ge- stirnt und heute kann ich tanzen bis morgen abends, wenn anders die Arznei nicht hilft, die ich morgen nehme. Darf ich Sie mit5 2 Fragen plagen: kann ich nicht für pr. cour. oder auch pr. rtl. Gold bekommen mit einem Aufwechsel, daß ich nicht viel verliere wenn ich es wieder verwechsle? -- Soll ich -- wegen des Kriegs- sturm[s] -- wieder mein Kästchen nach Baden schicken oder in Ihr geheimes Loch, das ich einmal sehen möchte?10
110. An Otto.
[Bayreuth, 26. Juni 1809]
Lieber Otto! Genieße S. 30 die schöne Stelle Hippels. -- Nach der Postamtszeitung hat Nap[oleon] den Pabst ab- und auf Pension gesetzt und den Kirchenstaat zum italienischen Reich15 gezogen. Welche Kühnheit mitten in einem Kriege durch und wider Katholiken! -- So aber steht keine Krone, kaum was darunter ist fest. -- Die Nemesis ist jetzt die Stubenkameradin der Asträa.
Der ö[sterreichische] General soll gesagt haben, bei Ankunft der Franzosen zieh' er sich zurück.20
111. An Emanuel.
[Bayreuth, 27. Juni 1809]
Lieber Emanuel! Ich bejammerte gestern sehr meine vom Himmel verordnete Abwesenheit. Nachts schlief und am Morgen schrieb ich wie ein Jüngling. -- Wie kann Thieriot für solche25 Miseren ("ich streue den Spatzen Futter") Postgeld verschwenden! Schreiben Sie ihm doch im Punkte der alternierenden Heirath gerade heraus, daß er ein Narr ist und daß Sie für humoristische Weiber nicht seinen Geschmack hätten. -- Der Brief an Seiffarth ist scharf, witzig, trefflich; desto unverzeihlicher das Wort "Ver-30 ehrung" -- Treuergeben will ich nicht sehr rechnen. Warum will denn der Mensch einen Brief voll Wahrheit immer mit einer Unwahrheit schließen. Oder verehren Sie wirklich einen Seif- farth? Ich habe daher seit Jahren am Ende der Briefe nach dem Lebewol -- sogar an Fürsten -- nichts gesagt (nicht einmal35
109. An Emanuel.
[Bayreuth, 25. Juni 1809]
Guten Morgen, Emanuel! Meine Nacht war recht ſchön ge- ſtirnt und heute kann ich tanzen bis morgen abends, wenn anders die Arznei nicht hilft, die ich morgen nehme. Darf ich Sie mit5 2 Fragen plagen: kann ich nicht für pr. cour. oder auch pr. rtl. Gold bekommen mit einem Aufwechſel, daß ich nicht viel verliere wenn ich es wieder verwechsle? — Soll ich — wegen des Kriegs- ſturm[s] — wieder mein Käſtchen nach Baden ſchicken oder in Ihr geheimes Loch, das ich einmal ſehen möchte?10
110. An Otto.
[Bayreuth, 26. Juni 1809]
Lieber Otto! Genieße S. 30 die ſchöne Stelle Hippels. — Nach der Poſtamtszeitung hat Nap[oleon] den Pabſt ab- und auf Penſion geſetzt und den Kirchenſtaat zum italieniſchen Reich15 gezogen. Welche Kühnheit mitten in einem Kriege durch und wider Katholiken! — So aber ſteht keine Krone, kaum was darunter iſt feſt. — Die Nemeſis iſt jetzt die Stubenkameradin der Aſträa.
Der ö[ſterreichiſche] General ſoll geſagt haben, bei Ankunft der Franzoſen zieh’ er ſich zurück.20
111. An Emanuel.
[Bayreuth, 27. Juni 1809]
Lieber Emanuel! Ich bejammerte geſtern ſehr meine vom Himmel verordnete Abweſenheit. Nachts ſchlief und am Morgen ſchrieb ich wie ein Jüngling. — Wie kann Thieriot für ſolche25 Miseren („ich ſtreue den Spatzen Futter“) Poſtgeld verſchwenden! Schreiben Sie ihm doch im Punkte der alternierenden Heirath gerade heraus, daß er ein Narr iſt und daß Sie für humoriſtiſche Weiber nicht ſeinen Geſchmack hätten. — Der Brief an Seiffarth iſt ſcharf, witzig, trefflich; deſto unverzeihlicher das Wort „Ver-30 ehrung“ — Treuergeben will ich nicht ſehr rechnen. Warum will denn der Menſch einen Brief voll Wahrheit immer mit einer Unwahrheit ſchließen. Oder verehren Sie wirklich einen Seif- farth? Ich habe daher ſeit Jahren am Ende der Briefe nach dem Lebewol — ſogar an Fürſten — nichts geſagt (nicht einmal35
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109. An Emanuel.
[Bayreuth, 25. Juni 1809]
Guten Morgen, Emanuel! Meine Nacht war recht ſchön ge-
ſtirnt und heute kann ich tanzen bis morgen abends, wenn anders
die Arznei nicht hilft, die ich morgen nehme. Darf ich Sie mit 5
2 Fragen plagen: kann ich nicht für pr. cour. oder auch pr. rtl.
Gold bekommen mit einem Aufwechſel, daß ich nicht viel verliere
wenn ich es wieder verwechsle? — Soll ich — wegen des Kriegs-
ſturm[s] — wieder mein Käſtchen nach Baden ſchicken oder in Ihr
geheimes Loch, das ich einmal ſehen möchte? 10
110. An Otto.
[Bayreuth, 26. Juni 1809]
Lieber Otto! Genieße S. 30 die ſchöne Stelle Hippels. —
Nach der Poſtamtszeitung hat Nap[oleon] den Pabſt ab- und
auf Penſion geſetzt und den Kirchenſtaat zum italieniſchen Reich 15
gezogen. Welche Kühnheit mitten in einem Kriege durch und
wider Katholiken! — So aber ſteht keine Krone, kaum was darunter
iſt feſt. — Die Nemeſis iſt jetzt die Stubenkameradin der Aſträa.
Der ö[ſterreichiſche] General ſoll geſagt haben, bei Ankunft
der Franzoſen zieh’ er ſich zurück. 20
111. An Emanuel.
[Bayreuth, 27. Juni 1809]
Lieber Emanuel! Ich bejammerte geſtern ſehr meine vom
Himmel verordnete Abweſenheit. Nachts ſchlief und am Morgen
ſchrieb ich wie ein Jüngling. — Wie kann Thieriot für ſolche 25
Miseren („ich ſtreue den Spatzen Futter“) Poſtgeld verſchwenden!
Schreiben Sie ihm doch im Punkte der alternierenden Heirath
gerade heraus, daß er ein Narr iſt und daß Sie für humoriſtiſche
Weiber nicht ſeinen Geſchmack hätten. — Der Brief an Seiffarth
iſt ſcharf, witzig, trefflich; deſto unverzeihlicher das Wort „Ver- 30
ehrung“ — Treuergeben will ich nicht ſehr rechnen. Warum
will denn der Menſch einen Brief voll Wahrheit immer mit einer
Unwahrheit ſchließen. Oder verehren Sie wirklich einen Seif-
farth? Ich habe daher ſeit Jahren am Ende der Briefe nach
dem Lebewol — ſogar an Fürſten — nichts geſagt (nicht einmal 35
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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