-- Und darauf hab' ich ihn noch beurtheilt, d. h. gelobt.
Ich erspare mir Briefpapier durch das Druckpapier der Heidel- berger Jahrbücher, wohin ich Sie darüber verweise.
Allen meinen Freunden gab ich mit Sigurd denselben Festtag.
Auf die Vollendung eines solchen Cyclus und Zauberkreises bin5 ich begieriger als auf den quad[r]ierten Zirkel.
Haben Sie Dank! Das Leben sei Ihnen so gewogen als die Muse!
Ihr Jean Paul Fr. Richter10
[Adr.] H. Baron de la Motte Fouque, Verfasser des Sigurds, Berlin. Abzugeben bei H. Buchhändler Hitzig.
97. An Otto.
In Miedels Garten d. 15 M[ai] Montag 1809
Deine neue und feine Dedukzion und Devalvazion hab ich heute15 zu Ende gelesen; aber desto mehr ihren Rest -- der aber wahrschein- lich den größern Theil ausmacht -- gewünscht zum Vergnügen und Urtheil. Das mir besonders Gefallende hab' ich mehrmals vertikal angestrichen. In der Fortsetzung wirst du -- vermuthe ich -- dich mehr auf den kameralistischen und moralischen etc. Beitrag20 zum Verfalle einlassen, so wie jetzt auf den diplomatischen. Aber nicht ohne alle Parteilichkeit gibst du dem preußischen Aberglauben an den veralteten Kriegswerth zu viel Gewicht beim Untersinken; ein anderer würde aus dem Glauben an sich selber geradezu Siege ableiten; folglich ergänzt sich deine Dedukzion erst durch die Bei-25 ziehung mehrerer Staats-Krebse.
Was mir am meisten gefiel, (außer der Ruhe, womit du Moral und Politik in ihren Gränzen ausreden läßest, und außer der Dar- stellung, wie N[apoleon] immer auf den Augenb[l]ick zu höhern Planen stieg) -- nämlich die Selbsttäuschung über eigne und fremde30 Besitztitel, solltest du in Kürze umarbeiten. Erst unter dem Schreiben entwickelt sich der Gedanke immer erwachsener, und du gibst anfangs das punctum saliens, dann das Kind, endlich das erwachsene Wesen. Gib doch lieber nur letzteres. Mach' es wie ich und andere;
— Und darauf hab’ ich ihn noch beurtheilt, d. h. gelobt.
Ich erſpare mir Briefpapier durch das Druckpapier der Heidel- berger Jahrbücher, wohin ich Sie darüber verweiſe.
Allen meinen Freunden gab ich mit Sigurd denſelben Feſttag.
Auf die Vollendung eines ſolchen Cyclus und Zauberkreiſes bin5 ich begieriger als auf den quad[r]ierten Zirkel.
Haben Sie Dank! Das Leben ſei Ihnen ſo gewogen als die Muſe!
Ihr Jean Paul Fr. Richter10
[Adr.] H. Baron de la Motte Fouqué, Verfaſſer des Sigurds, Berlin. Abzugeben bei H. Buchhändler Hitzig.
97. An Otto.
In Miedels Garten d. 15 M[ai] 〈Montag〉 1809
Deine neue und feine Dedukzion und Devalvazion hab ich heute15 zu Ende geleſen; aber deſto mehr ihren Reſt — der aber wahrſchein- lich den größern Theil ausmacht — gewünſcht zum Vergnügen und Urtheil. Das mir beſonders Gefallende hab’ ich mehrmals vertikal angeſtrichen. In der Fortſetzung wirſt du — vermuthe ich — dich mehr auf den kameraliſtiſchen und moraliſchen ꝛc. Beitrag20 zum Verfalle einlaſſen, ſo wie jetzt auf den diplomatiſchen. Aber nicht ohne alle Parteilichkeit gibſt du dem preußiſchen Aberglauben an den veralteten Kriegswerth zu viel Gewicht beim Unterſinken; ein anderer würde aus dem Glauben an ſich ſelber geradezu Siege ableiten; folglich ergänzt ſich deine Dedukzion erſt durch die Bei-25 ziehung mehrerer Staats-Krebſe.
Was mir am meiſten gefiel, (außer der Ruhe, womit du Moral und Politik in ihren Gränzen ausreden läßeſt, und außer der Dar- ſtellung, wie N[apoleon] immer auf den Augenb[l]ick zu höhern Planen ſtieg) — nämlich die Selbſttäuſchung über eigne und fremde30 Beſitztitel, ſollteſt du in Kürze umarbeiten. Erſt unter dem Schreiben entwickelt ſich der Gedanke immer erwachſener, und du gibſt anfangs das punctum saliens, dann das Kind, endlich das erwachſene Weſen. Gib doch lieber nur letzteres. Mach’ es wie ich und andere;
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[32/0041]
— Und darauf hab’ ich ihn noch beurtheilt, d. h. gelobt.
Ich erſpare mir Briefpapier durch das Druckpapier der Heidel-
berger Jahrbücher, wohin ich Sie darüber verweiſe.
Allen meinen Freunden gab ich mit Sigurd denſelben Feſttag.
Auf die Vollendung eines ſolchen Cyclus und Zauberkreiſes bin 5
ich begieriger als auf den quad[r]ierten Zirkel.
Haben Sie Dank! Das Leben ſei Ihnen ſo gewogen als die
Muſe!
Ihr
Jean Paul Fr. Richter 10
[Adr.] H. Baron de la Motte Fouqué, Verfaſſer des Sigurds,
Berlin. Abzugeben bei H. Buchhändler Hitzig.
97. An Otto.
In Miedels Garten d. 15 M[ai] 〈Montag〉 1809
Deine neue und feine Dedukzion und Devalvazion hab ich heute 15
zu Ende geleſen; aber deſto mehr ihren Reſt — der aber wahrſchein-
lich den größern Theil ausmacht — gewünſcht zum Vergnügen
und Urtheil. Das mir beſonders Gefallende hab’ ich mehrmals
vertikal angeſtrichen. In der Fortſetzung wirſt du — vermuthe ich —
dich mehr auf den kameraliſtiſchen und moraliſchen ꝛc. Beitrag 20
zum Verfalle einlaſſen, ſo wie jetzt auf den diplomatiſchen. Aber
nicht ohne alle Parteilichkeit gibſt du dem preußiſchen Aberglauben
an den veralteten Kriegswerth zu viel Gewicht beim Unterſinken;
ein anderer würde aus dem Glauben an ſich ſelber geradezu Siege
ableiten; folglich ergänzt ſich deine Dedukzion erſt durch die Bei- 25
ziehung mehrerer Staats-Krebſe.
Was mir am meiſten gefiel, (außer der Ruhe, womit du Moral
und Politik in ihren Gränzen ausreden läßeſt, und außer der Dar-
ſtellung, wie N[apoleon] immer auf den Augenb[l]ick zu höhern
Planen ſtieg) — nämlich die Selbſttäuſchung über eigne und fremde 30
Beſitztitel, ſollteſt du in Kürze umarbeiten. Erſt unter dem Schreiben
entwickelt ſich der Gedanke immer erwachſener, und du gibſt anfangs
das punctum saliens, dann das Kind, endlich das erwachſene
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/41>, abgerufen am 17.02.2025.
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