nicht geniert, einen von der übrigen Summe geschiedenen Schein. Doch sogar diese Bitte ist eine Narrheit; denn will ich z. B. zu einer Flucht von Ihnen Geld, so bekomm' ich es ja doch. -- Mein Brief an Thieriot folgt hier noch unvollendet; seinen erbitte mir zurück. -- Der Brief Mariannens wird Sie erquicken; Sie sollten sie sehen5 und heirathen. So offenherzig war noch kein Weiberherz. Aber, Guter, meine Antwort darauf kann weder vom wärmsten Gefühl, noch der furchtsamsten Rechtschaffenheit allein eingegeben werden, sondern von einem Verstande, von welchem meiner nicht genug be- kommen hat.10
Allerdings ging Freitags eine fahrende Post nach Stuttgart, und doch fürchte ich, sehr spät gekommen zu sein für den Almanachdruck.
778. An Marianne Lux in Mainz.
[Kopie][Bayreuth, 20. Juli 1813]
Liebe Marianne! Die Locke, die meine Frau meinem Glatzkopfe15 abgeschnitten für Sie, ist die beste Widerlegung Ihres letzten Briefes oder Fürchtens. Besorgen Sie doch nie mehr -- ich bitte Sie darum, meiner Ruhe wegen -- daß ich irgend einen Ihrer Briefe, er sei geschrieben wie er wolle, auf Ihre Kosten misverstehe. Ihr letzter an mich hat an vielen Stellen mich innigst gerührt*) und in andern,20 wo Sie über mich scherzen, mich erheitert. Ich kenne ja Ihr ganzes warmes reines idealisierendes Herz und dessen große Kraft; wie sollte mich daran irgend eine Zeile des Augenblicks irre machen können? Was ich freilich tadle, wenigstens beklage, ist, daß Ihr Sonnenfeuer Ihnen süße Früchte zwar reift, aber dann auch aus-25 trocknet. -- Ihr Schwur, mich nie zu sehen, gilt nicht -- -- (Jetzo kommen weise Lehren, die Sie sich verbaten) denn erstlich kann man nur andern, nicht sich beschwören; und zweitens sich (und andern) nur das Gute oder das Unterlassen des Bösen (denn diesen Schwur bringen wir schon mit auf die Welt und kein neuer ver-30 stärkt ihn). Eine andere Sache aber zu beschwören, die nicht im Gebiete der Sittlichkeit liegt, z. B. ewig eine Stadt, einen Menschen zu vermeiden, ist ungerecht und dem Schicksal vorgreifend. -- Und endlich geht wenigstens mich Ihr Schwur nichts an, und ich werde
*) Z. B. Ihr Singen an einem gewissen Abende und das Weinen der Schwester.35
nicht geniert, einen von der übrigen Summe geſchiedenen Schein. Doch ſogar dieſe Bitte iſt eine Narrheit; denn will ich z. B. zu einer Flucht von Ihnen Geld, ſo bekomm’ ich es ja doch. — Mein Brief an Thieriot folgt hier noch unvollendet; ſeinen erbitte mir zurück. — Der Brief Mariannens wird Sie erquicken; Sie ſollten ſie ſehen5 und heirathen. So offenherzig war noch kein Weiberherz. Aber, Guter, meine Antwort darauf kann weder vom wärmſten Gefühl, noch der furchtſamſten Rechtſchaffenheit allein eingegeben werden, ſondern von einem Verſtande, von welchem meiner nicht genug be- kommen hat.10
Allerdings ging Freitags eine fahrende Poſt nach Stuttgart, und doch fürchte ich, ſehr ſpät gekommen zu ſein für den Almanachdruck.
778. An Marianne Lux in Mainz.
[Kopie][Bayreuth, 20. Juli 1813]
Liebe Marianne! Die Locke, die meine Frau meinem Glatzkopfe15 abgeſchnitten für Sie, iſt die beſte Widerlegung Ihres letzten Briefes oder Fürchtens. Beſorgen Sie doch nie mehr — ich bitte Sie darum, meiner Ruhe wegen — daß ich irgend einen Ihrer Briefe, er ſei geſchrieben wie er wolle, auf Ihre Koſten misverſtehe. Ihr letzter an mich hat an vielen Stellen mich innigſt gerührt*) und in andern,20 wo Sie über mich ſcherzen, mich erheitert. Ich kenne ja Ihr ganzes warmes reines idealiſierendes Herz und deſſen große Kraft; wie ſollte mich daran irgend eine Zeile des Augenblicks irre machen können? Was ich freilich tadle, wenigſtens beklage, iſt, daß Ihr Sonnenfeuer Ihnen ſüße Früchte zwar reift, aber dann auch aus-25 trocknet. — Ihr Schwur, mich nie zu ſehen, gilt nicht — — (Jetzo kommen weiſe Lehren, die Sie ſich verbaten) denn erſtlich kann man nur andern, nicht ſich beſchwören; und zweitens ſich (und andern) nur das Gute oder das Unterlaſſen des Böſen (denn dieſen Schwur bringen wir ſchon mit auf die Welt und kein neuer ver-30 ſtärkt ihn). Eine andere Sache aber zu beſchwören, die nicht im Gebiete der Sittlichkeit liegt, z. B. ewig eine Stadt, einen Menſchen zu vermeiden, iſt ungerecht und dem Schickſal vorgreifend. — Und endlich geht wenigſtens mich Ihr Schwur nichts an, und ich werde
*) Z. B. Ihr Singen an einem gewiſſen Abende und das Weinen der Schweſter.35
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an Thieriot folgt hier noch unvollendet; ſeinen erbitte mir zurück. —
Der Brief Mariannens wird Sie erquicken; Sie ſollten ſie ſehen 5
und heirathen. So offenherzig war noch kein Weiberherz. Aber,
Guter, meine Antwort darauf kann weder vom wärmſten Gefühl,
noch der furchtſamſten Rechtſchaffenheit allein eingegeben werden,
ſondern von einem Verſtande, von welchem meiner nicht genug be-
kommen hat. 10
Allerdings ging Freitags eine fahrende Poſt nach Stuttgart, und
doch fürchte ich, ſehr ſpät gekommen zu ſein für den Almanachdruck.
778. An Marianne Lux in Mainz.
[Bayreuth, 20. Juli 1813]
Liebe Marianne! Die Locke, die meine Frau meinem Glatzkopfe 15
abgeſchnitten für Sie, iſt die beſte Widerlegung Ihres letzten Briefes
oder Fürchtens. Beſorgen Sie doch nie mehr — ich bitte Sie darum,
meiner Ruhe wegen — daß ich irgend einen Ihrer Briefe, er ſei
geſchrieben wie er wolle, auf Ihre Koſten misverſtehe. Ihr letzter
an mich hat an vielen Stellen mich innigſt gerührt *) und in andern, 20
wo Sie über mich ſcherzen, mich erheitert. Ich kenne ja Ihr ganzes
warmes reines idealiſierendes Herz und deſſen große Kraft; wie
ſollte mich daran irgend eine Zeile des Augenblicks irre machen
können? Was ich freilich tadle, wenigſtens beklage, iſt, daß Ihr
Sonnenfeuer Ihnen ſüße Früchte zwar reift, aber dann auch aus- 25
trocknet. — Ihr Schwur, mich nie zu ſehen, gilt nicht — — (Jetzo
kommen weiſe Lehren, die Sie ſich verbaten) denn erſtlich kann
man nur andern, nicht ſich beſchwören; und zweitens ſich (und
andern) nur das Gute oder das Unterlaſſen des Böſen (denn dieſen
Schwur bringen wir ſchon mit auf die Welt und kein neuer ver- 30
ſtärkt ihn). Eine andere Sache aber zu beſchwören, die nicht im
Gebiete der Sittlichkeit liegt, z. B. ewig eine Stadt, einen Menſchen
zu vermeiden, iſt ungerecht und dem Schickſal vorgreifend. — Und
endlich geht wenigſtens mich Ihr Schwur nichts an, und ich werde
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/352>, abgerufen am 24.11.2024.
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