an bis nach Regensburg mich unbeschreiblich verläumdet und Lügen über meine Trinkunmäßigkeit, ja Unsinn darüber, nachdem ich alles ihr auf meinem Kanapee widerlegt und auf die Quellen zurück geführt hatte, auf ihrem Wege auszusäen gut verstanden. Wünschen Sie ihr übrigens, das Donnerwetter soll' in sie fahren,5 damit der Teufel aus ihr fährt, nämlich der, welcher die wenigsten Menschen verläumdet, nämlich nur die guten.
Aber lieber besuchen Sie einen trefflichen Mann, der mir so viel Pfunde Emme[n]thaler Käse geschickt als meine opera wiegen, die er alle hat und schätzt. Er heißt Mumenthaler in Langenthal.10 Diesem köstlichen liebenden Manne bringen Sie einen ernst-warmen Gruß und schildern Sie ihm mein In- und Exteriör lebhaft. Er frißt Sie vor Liebe und Lust; dasselbe können Sie dann mit seinem Käse thun. Auch schreiben Sie mir etwas Persönliches von diesem Seltenen, dem ich mit Mühe auch das Seltene, nämlich die grön-15 ländischen Prozesse und die Teufels Papiere verschaffen mußte.
d. 12. Jul.
Ich wollte, Sie hätten meinen Katzenberger und meinen Fibel gelesen; man will viel daraus machen, was ich selber vorher, obwol in anderem Sinne, auch wollte. Die neue um 18 Bogen reichere20 Vorschule ist auch da. Jetzo koch' ich und brat' ich an einem großen komischen Werke. In diesem aber -- hab' ich mir ge- schworen -- will ich nicht wie bisher, der ich in allen meinen ko- mischen Werken, gleich einem Kinde, das in Kugelgestalt geboren und dann gerade in Wickelkissen gekreuzigt wird, immer den25 strengsten Kunstregeln nachgab und leider nur zu regelrecht war, es wieder thun, sondern ich will mich gehen lassen wie es geht -- hinauf hinab -- flug- und sprungweise -- wahrhaft kühn -- frei von allem Gellertismus und Dykismus -- -- Freund, ich will im Alter meine Jugend nachholen und postzipieren. --30
Sie und Eva sollten meine drei Kraftkinder, in Körper- und Seelenblüte, sehen; und in angeerbter kindlicher Unschuld, obgleich mein Junge jetzo fast mehr Griechisch kann als sein Vater. Wahr- lich in den ersten Quinquennien kann man den Kindern einen un- auslöschlichen Werth wie Unwerth anerziehen oder lassen; später35 verderbt sie kein fremdes, ja kaum elterliches Widerspiel. -- Gesund
an bis nach Regensburg mich unbeſchreiblich verläumdet und Lügen über meine Trinkunmäßigkeit, ja Unſinn darüber, nachdem ich alles ihr auf meinem Kanapee widerlegt und auf die Quellen zurück geführt hatte, auf ihrem Wege auszuſäen gut verſtanden. Wünſchen Sie ihr übrigens, das Donnerwetter ſoll’ in ſie fahren,5 damit der Teufel aus ihr fährt, nämlich der, welcher die wenigſten Menſchen verläumdet, nämlich nur die guten.
Aber lieber beſuchen Sie einen trefflichen Mann, der mir ſo viel Pfunde Emme[n]thaler Käſe geſchickt als meine opera wiegen, die er alle hat und ſchätzt. Er heißt Mumenthaler in Langenthal.10 Dieſem köſtlichen liebenden Manne bringen Sie einen ernſt-warmen Gruß und ſchildern Sie ihm mein In- und Exteriör lebhaft. Er frißt Sie vor Liebe und Luſt; daſſelbe können Sie dann mit ſeinem Käſe thun. Auch ſchreiben Sie mir etwas Perſönliches von dieſem Seltenen, dem ich mit Mühe auch das Seltene, nämlich die grön-15 ländiſchen Prozeſſe und die Teufels Papiere verſchaffen mußte.
d. 12. Jul.
Ich wollte, Sie hätten meinen Katzenberger und meinen Fibel geleſen; man will viel daraus machen, was ich ſelber vorher, obwol in anderem Sinne, auch wollte. Die neue um 18 Bogen reichere20 Vorſchule iſt auch da. Jetzo koch’ ich und brat’ ich an einem großen komiſchen Werke. In dieſem aber — hab’ ich mir ge- ſchworen — will ich nicht wie bisher, der ich in allen meinen ko- miſchen Werken, gleich einem Kinde, das in Kugelgeſtalt geboren und dann gerade in Wickelkiſſen gekreuzigt wird, immer den25 ſtrengſten Kunſtregeln nachgab und leider nur zu regelrecht war, es wieder thun, ſondern ich will mich gehen laſſen wie es geht — hinauf hinab — flug- und ſprungweiſe — wahrhaft kühn — frei von allem Gellertiſmus und Dykiſmus — — Freund, ich will im Alter meine Jugend nachholen und poſtzipieren. —30
Sie und Eva ſollten meine drei Kraftkinder, in Körper- und Seelenblüte, ſehen; und in angeerbter kindlicher Unſchuld, obgleich mein Junge jetzo faſt mehr Griechiſch kann als ſein Vater. Wahr- lich in den erſten Quinquennien kann man den Kindern einen un- auslöſchlichen Werth wie Unwerth anerziehen oder laſſen; ſpäter35 verderbt ſie kein fremdes, ja kaum elterliches Widerſpiel. — Geſund
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an bis nach Regensburg mich unbeſchreiblich verläumdet und
Lügen über meine Trinkunmäßigkeit, ja Unſinn darüber, nachdem
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zurück geführt hatte, auf ihrem Wege auszuſäen gut verſtanden.
Wünſchen Sie ihr übrigens, das Donnerwetter ſoll’ in ſie fahren, 5
damit der Teufel aus ihr fährt, nämlich der, welcher die wenigſten
Menſchen verläumdet, nämlich nur die guten.
Aber lieber beſuchen Sie einen trefflichen Mann, der mir ſo
viel Pfunde Emme[n]thaler Käſe geſchickt als meine opera wiegen,
die er alle hat und ſchätzt. Er heißt Mumenthaler in Langenthal. 10
Dieſem köſtlichen liebenden Manne bringen Sie einen ernſt-warmen
Gruß und ſchildern Sie ihm mein In- und Exteriör lebhaft. Er
frißt Sie vor Liebe und Luſt; daſſelbe können Sie dann mit ſeinem
Käſe thun. Auch ſchreiben Sie mir etwas Perſönliches von dieſem
Seltenen, dem ich mit Mühe auch das Seltene, nämlich die grön- 15
ländiſchen Prozeſſe und die Teufels Papiere verſchaffen mußte.
d. 12. Jul.
Ich wollte, Sie hätten meinen Katzenberger und meinen Fibel
geleſen; man will viel daraus machen, was ich ſelber vorher, obwol
in anderem Sinne, auch wollte. Die neue um 18 Bogen reichere 20
Vorſchule iſt auch da. Jetzo koch’ ich und brat’ ich an einem
großen komiſchen Werke. In dieſem aber — hab’ ich mir ge-
ſchworen — will ich nicht wie bisher, der ich in allen meinen ko-
miſchen Werken, gleich einem Kinde, das in Kugelgeſtalt geboren
und dann gerade in Wickelkiſſen gekreuzigt wird, immer den 25
ſtrengſten Kunſtregeln nachgab und leider nur zu regelrecht war,
es wieder thun, ſondern ich will mich gehen laſſen wie es geht —
hinauf hinab — flug- und ſprungweiſe — wahrhaft kühn — frei
von allem Gellertiſmus und Dykiſmus — — Freund, ich will im
Alter meine Jugend nachholen und poſtzipieren. — 30
Sie und Eva ſollten meine drei Kraftkinder, in Körper- und
Seelenblüte, ſehen; und in angeerbter kindlicher Unſchuld, obgleich
mein Junge jetzo faſt mehr Griechiſch kann als ſein Vater. Wahr-
lich in den erſten Quinquennien kann man den Kindern einen un-
auslöſchlichen Werth wie Unwerth anerziehen oder laſſen; ſpäter 35
verderbt ſie kein fremdes, ja kaum elterliches Widerſpiel. — Geſund
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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