Mein guter, recht herzlich von mir und meiner Frau geliebter Jung! Mein Schweigen misverstanden Sie gewis nicht. Ich schreibe nichts lieber als Briefe, und nichts seltener als diese; aber5 eben darum, weil man gern sich aussprechen wollte und doch nicht Raum und Zeit genug dazu hat. -- H. Neberich, der mir viele Kenntnisse der Bücher und sogar ihrer Verfasser zu haben scheint, wird Ihnen die Grüße, die ich ihm in den frohen Stunden mit ihm an Sie mitgegeben, geschrieben haben. -- Meine Vorschule,10 worin Ihres melodischen Ossians gedacht wird, erscheint zur Oster- messe, wie auch die Levana; beide verbessert und sehr verstärkt. -- An Ihr Museum werd' ich bald wieder ein Witwen-Scherflein abgeben. Dürft' ich nur bloße unverbundene Ideen und Einfälle zuschicken -- welche doch immer eine gemischte Zuhörerschaft am15 leichtesten ansprechen -- so schiffte ich da meine Heller- (nicht Silber-)Flotte öfter aus. -- Ist es gegen die Gesetze des Museums, wenn ich einige Aufsätze, besonders den über die Entstehung der ersten Pflanzen und Menschen, bereichert in eine Sammlung un- gedruckter in der Herbstmesse 1813 aufnehme? Schwerlich, da ja20 Fichte, Müller u. a. schon von einem Hörzirkel theuer bezahlte Vorlesungen sogleich darauf wolfeil über den weiten Lesezirkel aus- streuen. -- Meine Lebenbeschreibung geb' ich gewis, falls ich sie erlebe; sie wird aber mehr eine des Innern sein wie bei Moritz, als eine des Aeußern wie bei Goethe, und wird den Jünglingen,25 Dichtern, Seelenlehrern und Armen vielleicht bald Licht, bald Trost gewähren. -- Die dritte Briefseite bleibe meiner Caroline offen. -- Es geh' Ihnen wol, guter Mann! Erhalten Sie im Dunkel der Zeit sich Ihr Inneres wie einen Lichtmagneten, der noch Nachts mit den Stralen leuchtet, die er an der Sonne gesogen!
Ihr30 Jean Paul Fr. Richter
687. An Emanuel.
[Bayreuth, 30. Okt. 1812. Freitag]
Guten Abend und gute Nacht! möcht' ich wol heute zu Ihnen sagen, wenn ich Ihren Vorsabbath nicht störe, lieber Emanuel!35 Um 7 Uhr träf' ich ein. -- Hier send ich Ihnen mit Dank erst 2 Bouteillen von Ihren 4 dünnen und 3 dicken zurück.
R.
686. An Hofrat Jung in Frankfurt a. M.
Baireuth d. 24. Okt. 1812
Mein guter, recht herzlich von mir und meiner Frau geliebter Jung! Mein Schweigen misverſtanden Sie gewis nicht. Ich ſchreibe nichts lieber als Briefe, und nichts ſeltener als dieſe; aber5 eben darum, weil man gern ſich ausſprechen wollte und doch nicht Raum und Zeit genug dazu hat. — H. Neberich, der mir viele Kenntniſſe der Bücher und ſogar ihrer Verfaſſer zu haben ſcheint, wird Ihnen die Grüße, die ich ihm in den frohen Stunden mit ihm an Sie mitgegeben, geſchrieben haben. — Meine Vorschule,10 worin Ihres melodiſchen Oſſians gedacht wird, erſcheint zur Oſter- meſſe, wie auch die Levana; beide verbeſſert und ſehr verſtärkt. — An Ihr Museum werd’ ich bald wieder ein Witwen-Scherflein abgeben. Dürft’ ich nur bloße unverbundene Ideen und Einfälle zuſchicken — welche doch immer eine gemiſchte Zuhörerſchaft am15 leichteſten anſprechen — ſo ſchiffte ich da meine Heller- (nicht Silber-)Flotte öfter aus. — Iſt es gegen die Geſetze des Muſeums, wenn ich einige Aufſätze, beſonders den über die Entſtehung der erſten Pflanzen und Menſchen, bereichert in eine Sammlung un- gedruckter in der Herbſtmeſſe 1813 aufnehme? Schwerlich, da ja20 Fichte, Müller u. a. ſchon von einem Hörzirkel theuer bezahlte Vorleſungen ſogleich darauf wolfeil über den weiten Leſezirkel aus- ſtreuen. — Meine Lebenbeſchreibung geb’ ich gewis, falls ich ſie erlebe; ſie wird aber mehr eine des Innern ſein wie bei Moritz, als eine des Aeußern wie bei Goethe, und wird den Jünglingen,25 Dichtern, Seelenlehrern und Armen vielleicht bald Licht, bald Troſt gewähren. — Die dritte Briefſeite bleibe meiner Caroline offen. — Es geh’ Ihnen wol, guter Mann! Erhalten Sie im Dunkel der Zeit ſich Ihr Inneres wie einen Lichtmagneten, der noch Nachts mit den Stralen leuchtet, die er an der Sonne geſogen!
Ihr30 Jean Paul Fr. Richter
687. An Emanuel.
[Bayreuth, 30. Okt. 1812. Freitag]
Guten Abend und gute Nacht! möcht’ ich wol heute zu Ihnen ſagen, wenn ich Ihren Vorſabbath nicht ſtöre, lieber Emanuel!35 Um 7 Uhr träf’ ich ein. — Hier ſend ich Ihnen mit Dank erſt 2 Bouteillen von Ihren 4 dünnen und 3 dicken zurück.
R.
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[297/0311]
686. An Hofrat Jung in Frankfurt a. M.
Baireuth d. 24. Okt. 1812
Mein guter, recht herzlich von mir und meiner Frau geliebter
Jung! Mein Schweigen misverſtanden Sie gewis nicht. Ich
ſchreibe nichts lieber als Briefe, und nichts ſeltener als dieſe; aber 5
eben darum, weil man gern ſich ausſprechen wollte und doch nicht
Raum und Zeit genug dazu hat. — H. Neberich, der mir viele
Kenntniſſe der Bücher und ſogar ihrer Verfaſſer zu haben ſcheint,
wird Ihnen die Grüße, die ich ihm in den frohen Stunden mit
ihm an Sie mitgegeben, geſchrieben haben. — Meine Vorschule, 10
worin Ihres melodiſchen Oſſians gedacht wird, erſcheint zur Oſter-
meſſe, wie auch die Levana; beide verbeſſert und ſehr verſtärkt. —
An Ihr Museum werd’ ich bald wieder ein Witwen-Scherflein
abgeben. Dürft’ ich nur bloße unverbundene Ideen und Einfälle
zuſchicken — welche doch immer eine gemiſchte Zuhörerſchaft am 15
leichteſten anſprechen — ſo ſchiffte ich da meine Heller- (nicht
Silber-)Flotte öfter aus. — Iſt es gegen die Geſetze des Muſeums,
wenn ich einige Aufſätze, beſonders den über die Entſtehung der
erſten Pflanzen und Menſchen, bereichert in eine Sammlung un-
gedruckter in der Herbſtmeſſe 1813 aufnehme? Schwerlich, da ja 20
Fichte, Müller u. a. ſchon von einem Hörzirkel theuer bezahlte
Vorleſungen ſogleich darauf wolfeil über den weiten Leſezirkel aus-
ſtreuen. — Meine Lebenbeſchreibung geb’ ich gewis, falls ich ſie
erlebe; ſie wird aber mehr eine des Innern ſein wie bei Moritz,
als eine des Aeußern wie bei Goethe, und wird den Jünglingen, 25
Dichtern, Seelenlehrern und Armen vielleicht bald Licht, bald Troſt
gewähren. — Die dritte Briefſeite bleibe meiner Caroline offen. —
Es geh’ Ihnen wol, guter Mann! Erhalten Sie im Dunkel der Zeit
ſich Ihr Inneres wie einen Lichtmagneten, der noch Nachts mit den
Stralen leuchtet, die er an der Sonne geſogen!
Ihr 30
Jean Paul Fr. Richter
687. An Emanuel.
[Bayreuth, 30. Okt. 1812. Freitag]
Guten Abend und gute Nacht! möcht’ ich wol heute zu Ihnen
ſagen, wenn ich Ihren Vorſabbath nicht ſtöre, lieber Emanuel! 35
Um 7 Uhr träf’ ich ein. — Hier ſend ich Ihnen mit Dank erſt
2 Bouteillen von Ihren 4 dünnen und 3 dicken zurück.
R.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/311>, abgerufen am 24.11.2024.
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