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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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wol gar nicht gefallen. Die Hegel ist nicht schön, nur ihr sanft
naiver wolwollender Blick; -- sonst ohne alle Auszeichnung des
Geistes, nicht einmal belesen; und doch gilt sie den Nürnbergerinnen
für eine zu hassende Gelehrte, so wenig weibliche Bildung ist hier. --
Sage nur den lieben Kinderlein, daß ich ihnen schon was schönes5
mitbringen werde am Sonntage um 8 Uhr, wenn der Alert unten
bellt. -- Ich will geräucherte Nürnberger Bratwürste, einen Preß-
sack, holländischen Käse mitbringen (so wie 1 Gurkenfäßchen);
schicke mir doch nur ein bloßes altes oben offnes Kästchen dazu mit.
-- Ich wollte, ich fänd' euch Sonntag Abends alle allein. -- Sollte10
von meinen Sachen etwas untergegangen sein: so sage mirs lieber
schriftlich. --


Hätte auch meine Reise keinen Nutzen, als daß ich die pontinischen
Sümpfe unseres letzten Verhältnisses ausgetrocknet hätte -- auf15
denen künftig Blumen gedeihen sollen, nicht Giftluft -- so hätt' ich
genug und mehr gewonnen als in B[aireuth]. Ich komme mit
neuester, d. h. mit ältester Liebe zu dir, mit Sehnsucht und Ent-
schluß. Wie dir, so mir wird immer das alte Herz, das am Altare
Ja sagte und nur aus Liebe weinte, durch den Wust der Zufällig-20
keiten bedeckt und erdrückt. Gleichwol sollte man sich den zu schönen
Gefühlen entziehen und abstehlen, weil sie an der kleinsten Zugluft
leiden; nur aber Grundsätze nicht. Lasse also, wenn etwas Kaltes
über das Herz hinweht, diesem nur Zeit, so erwärmt es sich von
selber wieder. Denke nur nicht (ich sag' es eben so gut zu mir als25
dir) daß etwa von Sonntag an alle kleine Rügen, Mistöne etc.
vertrieben sind -- dieß wäre das erste Wunder der moralischen
Welt --; aber denke daran, daß ein misbilligender Laut oder Blick
oder Moment ja von sich selber verraucht und verfliegt, wenn man
ihm, dem Hauche des Augenblicks, nicht berauscht die Gewalt des30
Umsturzes der alten und tief....


gegründeten Zeiten verleiht ... Hier wurd ich gestern unter-
brochen. Lebe wol, liebes Herz, und lies den Brief öfters.

R.35

wol gar nicht gefallen. Die Hegel iſt nicht ſchön, nur ihr ſanft
naiver wolwollender Blick; — ſonſt ohne alle Auszeichnung des
Geiſtes, nicht einmal beleſen; und doch gilt ſie den Nürnbergerinnen
für eine zu haſſende Gelehrte, ſo wenig weibliche Bildung iſt hier. —
Sage nur den lieben Kinderlein, daß ich ihnen ſchon was ſchönes5
mitbringen werde am Sonntage um 8 Uhr, wenn der Alert unten
bellt. — Ich will geräucherte Nürnberger Bratwürſte, einen Preß-
ſack, holländiſchen Käſe mitbringen (ſo wie 1 Gurkenfäßchen);
ſchicke mir doch nur ein bloßes altes oben offnes Käſtchen dazu mit.
— Ich wollte, ich fänd’ euch Sonntag Abends alle allein. — Sollte10
von meinen Sachen etwas untergegangen ſein: ſo ſage mirs lieber
ſchriftlich. —


Hätte auch meine Reiſe keinen Nutzen, als daß ich die pontiniſchen
Sümpfe unſeres letzten Verhältniſſes ausgetrocknet hätte — auf15
denen künftig Blumen gedeihen ſollen, nicht Giftluft — ſo hätt’ ich
genug und mehr gewonnen als in B[aireuth]. Ich komme mit
neueſter, d. h. mit älteſter Liebe zu dir, mit Sehnſucht und Ent-
ſchluß. Wie dir, ſo mir wird immer das alte Herz, das am Altare
Ja ſagte und nur aus Liebe weinte, durch den Wuſt der Zufällig-20
keiten bedeckt und erdrückt. Gleichwol ſollte man ſich den zu ſchönen
Gefühlen entziehen und abſtehlen, weil ſie an der kleinſten Zugluft
leiden; nur aber Grundſätze nicht. Laſſe alſo, wenn etwas Kaltes
über das Herz hinweht, dieſem nur Zeit, ſo erwärmt es ſich von
ſelber wieder. Denke nur nicht (ich ſag’ es eben ſo gut zu mir als25
dir) daß etwa von Sonntag an alle kleine Rügen, Mistöne ꝛc.
vertrieben ſind — dieß wäre das erſte Wunder der moraliſchen
Welt —; aber denke daran, daß ein misbilligender Laut oder Blick
oder Moment ja von ſich ſelber verraucht und verfliegt, wenn man
ihm, dem Hauche des Augenblicks, nicht berauſcht die Gewalt des30
Umſturzes der alten und tief....


gegründeten Zeiten verleiht ... Hier wurd ich geſtern unter-
brochen. Lebe wol, liebes Herz, und lies den Brief öfters.

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[281/0295] wol gar nicht gefallen. Die Hegel iſt nicht ſchön, nur ihr ſanft naiver wolwollender Blick; — ſonſt ohne alle Auszeichnung des Geiſtes, nicht einmal beleſen; und doch gilt ſie den Nürnbergerinnen für eine zu haſſende Gelehrte, ſo wenig weibliche Bildung iſt hier. — Sage nur den lieben Kinderlein, daß ich ihnen ſchon was ſchönes 5 mitbringen werde am Sonntage um 8 Uhr, wenn der Alert unten bellt. — Ich will geräucherte Nürnberger Bratwürſte, einen Preß- ſack, holländiſchen Käſe mitbringen (ſo wie 1 Gurkenfäßchen); ſchicke mir doch nur ein bloßes altes oben offnes Käſtchen dazu mit. — Ich wollte, ich fänd’ euch Sonntag Abends alle allein. — Sollte 10 von meinen Sachen etwas untergegangen ſein: ſo ſage mirs lieber ſchriftlich. — 22. Jun. Hätte auch meine Reiſe keinen Nutzen, als daß ich die pontiniſchen Sümpfe unſeres letzten Verhältniſſes ausgetrocknet hätte — auf 15 denen künftig Blumen gedeihen ſollen, nicht Giftluft — ſo hätt’ ich genug und mehr gewonnen als in B[aireuth]. Ich komme mit neueſter, d. h. mit älteſter Liebe zu dir, mit Sehnſucht und Ent- ſchluß. Wie dir, ſo mir wird immer das alte Herz, das am Altare Ja ſagte und nur aus Liebe weinte, durch den Wuſt der Zufällig- 20 keiten bedeckt und erdrückt. Gleichwol ſollte man ſich den zu ſchönen Gefühlen entziehen und abſtehlen, weil ſie an der kleinſten Zugluft leiden; nur aber Grundſätze nicht. Laſſe alſo, wenn etwas Kaltes über das Herz hinweht, dieſem nur Zeit, ſo erwärmt es ſich von ſelber wieder. Denke nur nicht (ich ſag’ es eben ſo gut zu mir als 25 dir) daß etwa von Sonntag an alle kleine Rügen, Mistöne ꝛc. vertrieben ſind — dieß wäre das erſte Wunder der moraliſchen Welt —; aber denke daran, daß ein misbilligender Laut oder Blick oder Moment ja von ſich ſelber verraucht und verfliegt, wenn man ihm, dem Hauche des Augenblicks, nicht berauſcht die Gewalt des 30 Umſturzes der alten und tief.... den 23ten gegründeten Zeiten verleiht ... Hier wurd ich geſtern unter- brochen. Lebe wol, liebes Herz, und lies den Brief öfters. R. 35

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/295>, abgerufen am 24.11.2024.