-- Wahrscheinlich nehm' ich meinen Rückfuhrmann aus Bai- reuth; dann werd' ich Sie, Ihre erste Güte zu wiederholen bitten müssen.
Mitwochs Morgen. Leben Sie wol; auf meinen Simultanbrief hab' ich noch keine einzige Antwort, geschweige zwei.5
Richter
652. An Karoline Richter.
[Nürnberg. 15. (?) Juni 1812]
Ich danke dir, liebe Karoline, für die Eiligkeit des zweiten Briefs, so wenig ich auch Besorgnis über Odilie hatte. Eine hätte ich von10 deiner Aufschrift erhalten können, "wird um schnelleste Beföderung gebeten", als ob die Post, oder so vielerlei Posten aus ihrer Regel eines Unbekan[n]ten wegen heraus könnten. -- Ich bin ganz gesund; und hier versuch' ich die längste Entbehrung des Opiums (schon die 10te Woche). Ich bin froh, aber nur durch Bücher und Ein-15 samkeit; ich erhalte viele männliche Besuche, geb' aber meines kranken Fußes wegen in meinen Schuhpantoffeln, nur wenige; und gehe abends nicht aus. Mein Souper besteht in (holländischem) Käse, oder Preßsack (hier zehnmal besser als in Baireuth) oder einigen Kartoffeln mit Butter. Ich lebe hier wolfeiler als in B.;20 1 Loth Kaffee, 1 kr. Milch, -- an 11 kr. braunem Zucker Farin Zucker (4 Loth) hab ich bis zur Abreise -- 24 kr. das Mittags- essen -- der bessere Wein als in B. kostet 48 kr. und wird nicht täglich ausgetrunken -- 4 Loth frische Butter kosten 6 Pfenn., 3 Bündel Rettiche 1 kr. -- Dabei das köstlichste Brod. -- Mit Ein-25 schluß der Herreise, des Fuhrmanns und der Wirths Rechnung und der Trankgelder -- und deines Kleides, das 12 fl. rh. kostet, hab' ich bis heute in 15 Tagen in allem 50 fl. ausgegeben. Nach Ver- hältnis gabst du in 8 Tagen -- ungeachtet deiner kärglichen Nahrung -- mehr aus, nämlich 10 fl. bei Vorräthen noch dazu und 26 fl.30 in allem bei den größern Ausgaben. Also als Witwe brauchtest du über 500 fl. nach der einen Rechnung und die großen Ausgaben dazu genommen 1352 fl. jährlich. Ich habe mich oft selber in Haus- haltrechnungen belogen und immer gesagt: "dieß sind ja nur die großen Ausgaben." Aber zum Unglück kommen auch die großen35 immer wieder, nur unter andern Formen, z. B. als Hauszins, Ab-
— Wahrſcheinlich nehm’ ich meinen Rückfuhrmann aus Bai- reuth; dann werd’ ich Sie, Ihre erſte Güte zu wiederholen bitten müſſen.
Mitwochs Morgen. Leben Sie wol; auf meinen Simultanbrief hab’ ich noch keine einzige Antwort, geſchweige zwei.5
Richter
652. An Karoline Richter.
[Nürnberg. 15. (?) Juni 1812]
Ich danke dir, liebe Karoline, für die Eiligkeit des zweiten Briefs, ſo wenig ich auch Beſorgnis über Odilie hatte. Eine hätte ich von10 deiner Aufſchrift erhalten können, „wird um ſchnelleſte Beföderung gebeten“, als ob die Poſt, oder ſo vielerlei Poſten aus ihrer Regel eines Unbekan[n]ten wegen heraus könnten. — Ich bin ganz geſund; und hier verſuch’ ich die längſte Entbehrung des Opiums (ſchon die 10te Woche). Ich bin froh, aber nur durch Bücher und Ein-15 ſamkeit; ich erhalte viele männliche Beſuche, geb’ aber meines kranken Fußes wegen in meinen Schuhpantoffeln, nur wenige; und gehe abends nicht aus. Mein Souper beſteht in (holländiſchem) Käſe, oder Preßſack (hier zehnmal beſſer als in Baireuth) oder einigen Kartoffeln mit Butter. Ich lebe hier wolfeiler als in B.;20 1 Loth Kaffee, 1 kr. Milch, — an 11 kr. braunem Zucker 〈Farin Zucker (4 Loth)〉 hab ich bis zur Abreiſe — 24 kr. das Mittags- eſſen — der beſſere Wein als in B. koſtet 48 kr. und wird nicht täglich ausgetrunken — 4 Loth friſche Butter koſten 6 Pfenn., 3 Bündel Rettiche 1 kr. — Dabei das köſtlichſte Brod. — Mit Ein-25 ſchluß der Herreiſe, des Fuhrmanns und der Wirths Rechnung und der Trankgelder — und deines Kleides, das 12 fl. rh. koſtet, hab’ ich bis heute 〈in 15 Tagen in allem〉 50 fl. ausgegeben. Nach Ver- hältnis gabſt du in 8 Tagen — ungeachtet deiner kärglichen Nahrung — mehr aus, nämlich 10 fl. bei Vorräthen noch dazu und 26 fl.30 in allem bei den größern Ausgaben. Alſo als Witwe brauchteſt du über 500 fl. nach der einen Rechnung und die großen Ausgaben dazu genommen 1352 fl. jährlich. Ich habe mich oft ſelber in Haus- haltrechnungen belogen und immer geſagt: „dieß ſind ja nur die großen Ausgaben.“ Aber zum Unglück kommen auch die großen35 immer wieder, nur unter andern Formen, z. B. als Hauszins, Ab-
<TEI><text><body><divtype="letter"n="1"><divn="2"><pbfacs="#f0291"n="277"/><p>— Wahrſcheinlich nehm’ ich meinen Rückfuhrmann aus <hirendition="#aq">Bai-<lb/>
reuth;</hi> dann werd’ ich Sie, Ihre erſte Güte zu wiederholen bitten<lb/>
müſſen.</p><lb/><p>Mitwochs Morgen. Leben Sie wol; auf meinen Simultanbrief<lb/>
hab’ ich noch keine <hirendition="#g">ein</hi>zige Antwort, geſchweige zwei.<lbn="5"/></p><closer><salute><hirendition="#right">Richter</hi></salute></closer></div></div><lb/><divtype="letter"n="1"><head>652. An <hirendition="#g">Karoline Richter.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#right">[Nürnberg. 15. (?) Juni 1812]</hi></dateline><lb/><p>Ich danke dir, liebe Karoline, für die Eiligkeit des zweiten Briefs,<lb/>ſo wenig ich auch Beſorgnis über <hirendition="#aq">Odilie</hi> hatte. Eine hätte ich von<lbn="10"/>
deiner Aufſchrift erhalten können, „wird um ſchnelleſte Beföderung<lb/>
gebeten“, als ob die Poſt, oder ſo vielerlei Poſten aus ihrer Regel<lb/>
eines Unbekan[n]ten wegen heraus könnten. — Ich bin ganz geſund;<lb/>
und hier verſuch’ ich die längſte Entbehrung des Opiums (ſchon<lb/>
die 10<hirendition="#sup">te</hi> Woche). Ich bin froh, aber nur durch Bücher und Ein-<lbn="15"/>ſamkeit; ich erhalte viele männliche Beſuche, geb’ aber meines<lb/>
kranken Fußes wegen in meinen Schuhpantoffeln, nur wenige; und<lb/>
gehe abends nicht aus. Mein <hirendition="#aq">Souper</hi> beſteht in (<hirendition="#g">holländiſchem</hi>)<lb/>
Käſe, oder Preßſack (hier zehnmal beſſer als in <hirendition="#aq">Baireuth</hi>) oder<lb/>
einigen Kartoffeln mit Butter. Ich lebe hier wolfeiler als in <hirendition="#aq">B.;</hi><lbn="20"/>
1 Loth Kaffee, 1 kr. Milch, — an 11 kr. braunem Zucker 〈Farin<lb/>
Zucker (4 Loth)〉 hab ich bis zur Abreiſe — 24 kr. das Mittags-<lb/>
eſſen — der beſſere Wein als in <hirendition="#aq">B.</hi> koſtet 48 kr. und wird nicht<lb/>
täglich ausgetrunken — 4 Loth friſche Butter koſten 6 Pfenn.,<lb/>
3 Bündel Rettiche 1 kr. — Dabei das köſtlichſte Brod. — Mit Ein-<lbn="25"/>ſchluß der Herreiſe, des Fuhrmanns und der Wirths Rechnung und<lb/>
der Trankgelder — und deines Kleides, das 12 fl. rh. koſtet, hab’<lb/>
ich bis heute 〈in 15 Tagen in allem〉 50 fl. ausgegeben. Nach Ver-<lb/>
hältnis gabſt du in 8 Tagen — ungeachtet deiner kärglichen Nahrung<lb/>— mehr aus, nämlich 10 fl. <hirendition="#g">bei Vorräthen</hi> noch dazu und 26 fl.<lbn="30"/>
in allem bei den größern Ausgaben. Alſo als Witwe brauchteſt<lb/>
du über 500 fl. nach der einen Rechnung und die großen Ausgaben<lb/>
dazu genommen 1352 fl. jährlich. Ich habe mich oft ſelber in Haus-<lb/>
haltrechnungen belogen und immer geſagt: „dieß ſind ja nur die<lb/>
großen Ausgaben.“ Aber zum Unglück kommen auch die großen<lbn="35"/>
immer wieder, nur unter andern Formen, z. B. als Hauszins, Ab-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[277/0291]
— Wahrſcheinlich nehm’ ich meinen Rückfuhrmann aus Bai-
reuth; dann werd’ ich Sie, Ihre erſte Güte zu wiederholen bitten
müſſen.
Mitwochs Morgen. Leben Sie wol; auf meinen Simultanbrief
hab’ ich noch keine einzige Antwort, geſchweige zwei. 5
Richter
652. An Karoline Richter.
[Nürnberg. 15. (?) Juni 1812]
Ich danke dir, liebe Karoline, für die Eiligkeit des zweiten Briefs,
ſo wenig ich auch Beſorgnis über Odilie hatte. Eine hätte ich von 10
deiner Aufſchrift erhalten können, „wird um ſchnelleſte Beföderung
gebeten“, als ob die Poſt, oder ſo vielerlei Poſten aus ihrer Regel
eines Unbekan[n]ten wegen heraus könnten. — Ich bin ganz geſund;
und hier verſuch’ ich die längſte Entbehrung des Opiums (ſchon
die 10te Woche). Ich bin froh, aber nur durch Bücher und Ein- 15
ſamkeit; ich erhalte viele männliche Beſuche, geb’ aber meines
kranken Fußes wegen in meinen Schuhpantoffeln, nur wenige; und
gehe abends nicht aus. Mein Souper beſteht in (holländiſchem)
Käſe, oder Preßſack (hier zehnmal beſſer als in Baireuth) oder
einigen Kartoffeln mit Butter. Ich lebe hier wolfeiler als in B.; 20
1 Loth Kaffee, 1 kr. Milch, — an 11 kr. braunem Zucker 〈Farin
Zucker (4 Loth)〉 hab ich bis zur Abreiſe — 24 kr. das Mittags-
eſſen — der beſſere Wein als in B. koſtet 48 kr. und wird nicht
täglich ausgetrunken — 4 Loth friſche Butter koſten 6 Pfenn.,
3 Bündel Rettiche 1 kr. — Dabei das köſtlichſte Brod. — Mit Ein- 25
ſchluß der Herreiſe, des Fuhrmanns und der Wirths Rechnung und
der Trankgelder — und deines Kleides, das 12 fl. rh. koſtet, hab’
ich bis heute 〈in 15 Tagen in allem〉 50 fl. ausgegeben. Nach Ver-
hältnis gabſt du in 8 Tagen — ungeachtet deiner kärglichen Nahrung
— mehr aus, nämlich 10 fl. bei Vorräthen noch dazu und 26 fl. 30
in allem bei den größern Ausgaben. Alſo als Witwe brauchteſt
du über 500 fl. nach der einen Rechnung und die großen Ausgaben
dazu genommen 1352 fl. jährlich. Ich habe mich oft ſelber in Haus-
haltrechnungen belogen und immer geſagt: „dieß ſind ja nur die
großen Ausgaben.“ Aber zum Unglück kommen auch die großen 35
immer wieder, nur unter andern Formen, z. B. als Hauszins, Ab-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/291>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.