Lieber Herr Schrag! Schon aus der Dinte, womit ich meine Bitte hinschreibe, ersehen Sie den Inhalt der letztern. Ich bitte Sie nämlich um 1/2 Glas Ihrer so vortrefflichen Dinte, daß sie5 sogar meine übertrift; daher ich mir einmal bei Ihnen das Rezept derselben aufschreiben will.
Ich bin mit meinem 2ten Quartier höchstens [!] zufrieden.
Ist hier nirgends Zippleins Ferienreise zu haben? --
Ihr10 J. P. F. Richter
648. An Otto und Emanuel.
raptimNürnberg d. 6. Jun. 1812 [Sonnabend]
Kürzeste Fata vor und in Nürnberg; meinem Otto und Emanuel gehörig, denen ich bald schreiben werde.15
Etwas schöneres als Luft und Himmel und Pferde gabs auf der Herreise nicht -- ausgenommen das fortgehende Sprechen im Wagen. Mit Seebeck wollt ich ohne Langweile und Schweigen nach Rußland reisen. Weder Gesprächstoff noch Wein ging aus. Um 8 Uhr langten wir an und konnten den goldnen Reichsadler20 nicht gleich finden, weil wir überall irre fuhren. Als ich bei dem Aussteigen von bestelltem Quartiere sprach, wußten Kellner und Hausknecht nichts davon, und der Wirth war nicht da. Am Gast- hof war kein Fenster erleuchtet -- das Erdstock unbewohnt -- miserabler Eingang und Aufsteig ins 2te Stockwerk -- eine große25 Stube, worin, die Kommode ausgenommen, nichts für die Kleider und Bücher war, nicht einmal ein Haken -- Seebeck wollte neben mir logieren; und seine Stube war auch groß und gut genug wie meine, nur fehlte der Ausgangthüre das ganze Schloß und nachher der Schlosser. Alles wurde wie auf Berge mühsam herauf ge-30 schleppt, und Seebeck versah als Glöckner in einem fort an der Thürklingel sein Amt mit schönem Feuereifer und donnerte dabei. Doch letzteres mit Unrecht; denn daß der kurze Kellner mit dem Zucker zu seinem Selterwasser zu lang ausblieb, da war nur dieß schuld, daß sie im goldnen Adler gar keinen hatten. Es wäre zu35
647. An Schrag in Nürnberg.
[Nürnberg, 4. Juni 1812]
Lieber Herr Schrag! Schon aus der Dinte, womit ich meine Bitte hinſchreibe, erſehen Sie den Inhalt der letztern. Ich bitte Sie nämlich um ½ Glas Ihrer ſo vortrefflichen Dinte, daß ſie5 ſogar meine übertrift; daher ich mir einmal bei Ihnen das Rezept derſelben aufſchreiben will.
Ich bin mit meinem 2ten Quartier höchſtens [!] zufrieden.
Iſt hier nirgends Zippleins Ferienreiſe zu haben? —
Ihr10 J. P. F. Richter
648. An Otto und Emanuel.
raptimNürnberg d. 6. Jun. 1812 [Sonnabend]
Kürzeſte Fata vor und in Nürnberg; meinem Otto und Emanuel gehörig, denen ich bald ſchreiben werde.15
Etwas ſchöneres als Luft und Himmel und Pferde gabs auf der Herreiſe nicht — ausgenommen das fortgehende Sprechen im Wagen. Mit Seebeck wollt ich ohne Langweile und Schweigen nach Rußland reiſen. Weder Geſprächſtoff noch Wein ging aus. Um 8 Uhr langten wir an und konnten den goldnen Reichsadler20 nicht gleich finden, weil wir überall irre fuhren. Als ich bei dem Ausſteigen von beſtelltem Quartiere ſprach, wußten Kellner und Hausknecht nichts davon, und der Wirth war nicht da. Am Gaſt- hof war kein Fenſter erleuchtet — das Erdſtock unbewohnt — miſerabler Eingang und Aufſteig ins 2te Stockwerk — eine große25 Stube, worin, die Kommode ausgenommen, nichts für die Kleider und Bücher war, nicht einmal ein Haken — Seebeck wollte neben mir logieren; und ſeine Stube war auch groß und gut genug wie meine, nur fehlte der Ausgangthüre das ganze Schloß und nachher der Schloſſer. Alles wurde wie auf Berge mühſam herauf ge-30 ſchleppt, und Seebeck verſah als Glöckner in einem fort an der Thürklingel ſein Amt mit ſchönem Feuereifer und donnerte dabei. Doch letzteres mit Unrecht; denn daß der kurze Kellner mit dem Zucker zu ſeinem Selterwaſſer zu lang ausblieb, da war nur dieß ſchuld, daß ſie im goldnen Adler gar keinen hatten. Es wäre zu35
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647. An Schrag in Nürnberg.
[Nürnberg, 4. Juni 1812]
Lieber Herr Schrag! Schon aus der Dinte, womit ich meine
Bitte hinſchreibe, erſehen Sie den Inhalt der letztern. Ich bitte
Sie nämlich um ½ Glas Ihrer ſo vortrefflichen Dinte, daß ſie 5
ſogar meine übertrift; daher ich mir einmal bei Ihnen das Rezept
derſelben aufſchreiben will.
Ich bin mit meinem 2ten Quartier höchſtens [!] zufrieden.
Iſt hier nirgends Zippleins Ferienreiſe zu haben? —
Ihr 10
J. P. F. Richter
648. An Otto und Emanuel.
Nürnberg d. 6. Jun. 1812 [Sonnabend]
Kürzeſte Fata vor und in Nürnberg; meinem Otto und
Emanuel gehörig, denen ich bald ſchreiben werde. 15
Etwas ſchöneres als Luft und Himmel und Pferde gabs auf der
Herreiſe nicht — ausgenommen das fortgehende Sprechen im
Wagen. Mit Seebeck wollt ich ohne Langweile und Schweigen
nach Rußland reiſen. Weder Geſprächſtoff noch Wein ging aus.
Um 8 Uhr langten wir an und konnten den goldnen Reichsadler 20
nicht gleich finden, weil wir überall irre fuhren. Als ich bei dem
Ausſteigen von beſtelltem Quartiere ſprach, wußten Kellner und
Hausknecht nichts davon, und der Wirth war nicht da. Am Gaſt-
hof war kein Fenſter erleuchtet — das Erdſtock unbewohnt —
miſerabler Eingang und Aufſteig ins 2te Stockwerk — eine große 25
Stube, worin, die Kommode ausgenommen, nichts für die Kleider
und Bücher war, nicht einmal ein Haken — Seebeck wollte neben
mir logieren; und ſeine Stube war auch groß und gut genug wie
meine, nur fehlte der Ausgangthüre das ganze Schloß und nachher
der Schloſſer. Alles wurde wie auf Berge mühſam herauf ge- 30
ſchleppt, und Seebeck verſah als Glöckner in einem fort an der
Thürklingel ſein Amt mit ſchönem Feuereifer und donnerte dabei.
Doch letzteres mit Unrecht; denn daß der kurze Kellner mit dem
Zucker zu ſeinem Selterwaſſer zu lang ausblieb, da war nur dieß
ſchuld, daß ſie im goldnen Adler gar keinen hatten. Es wäre zu 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/282>, abgerufen am 24.11.2024.
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