Ich will, geliebtes Weib, ein Bischen an dich schreiben, ob ich gleich nichts zu beantworten habe. So ungern ich in Bayreuth schreibe, so gern schreib' ich an dich. Gestern war ich in Nürnberg5 mit dem Hofmeister des Grafen Rothenhahn und mit dem Buch- händler Walther. Über alles gefiel mir der südliche frohe herzige Ton des Volks. Ich sah Schweigger, die Sebalds Kirche, das prächtige Museum, den kindlichen Schubert (aber natürlich nicht den Egoisten Kanne) und die gute Monts. Sie reiset mit mir zu10 halben Kosten Freitags nach -- Bayreuth. Sie liebt dich recht treu. Also Freitags kommen wir. Auch bin ich zu dieser Verkürzung (???) meines hiesigen Aufenthalts schon dadurch gezwungen, daß ich an Schrag meinen Fibel*) verhandelte, der zur Michaelis35 Messe heraus sein muß. Schreibe daher, Liebe, jeden Tag 4 Seiten15 ab. -- Mir wird alles schön und neu erscheinen. Auch bin ich doch dann des Jammers los, daß ich an schönen Tagen nicht wieder ins Weite begehre. (Meinen Brief vom 14 Jun. oder Freitag wirst du erhalten haben) -- Ich verspreche mir ein schönes warmes Zusammenleben, das sich aber nicht auf bloße so kurz nachhaltige20 Empfindungen bauen soll -- wiewol ich diesen gern ihre süße Allmacht gönnen will so lange sie dauert -- sondern auf meine hel- len Vorsätze und Gründe**). Ich kann nach einem recht hell ein- gesehnen Grundsatze sehr lange handeln; du kennst nur darin mein Inneres nicht. Die Liebe gegen dich ist und war mir immer Be-25 dürfnis, und über die Unterbrechung derselben trösteten mich Kinder und Bücher nie ganz. Wenn ich bedenke, wie du so mütterlich gegen die Kinder, so arbeitsam, still, genügsam, uneigennützig, so edel- müthig gegen Fremde bist: so sollt' ich dir nicht etwan einige Ab- weichungen von meinem Haushaltungs-Plane nachsehen -- denn30 dieß that ich längst -- sondern ich sollte (was freilich am schwersten ist) einige Worte gegen mich als Mensch und Mann, die ich auf der Erde zum ersten male an mich gerichtet höre, nicht anders
*) den Bogen nur für 4 Ld'or. Otto's Nachricht von Schrag hätt' ich früher haben sollen.
**) die ich mir sogar aufgeschrieben.
494. An Karoline Richter.
Erlangen d. 16. Jun. 〈Sonntags〉 1811
Ich will, geliebtes Weib, ein Bischen an dich ſchreiben, ob ich gleich nichts zu beantworten habe. So ungern ich in Bayreuth ſchreibe, ſo gern ſchreib’ ich an dich. Geſtern war ich in Nürnberg5 mit dem Hofmeiſter des Grafen Rothenhahn und mit dem Buch- händler Walther. Über alles gefiel mir der ſüdliche frohe herzige Ton des Volks. Ich ſah Schweigger, die Sebalds Kirche, das prächtige Muſeum, den kindlichen Schubert (aber natürlich nicht den Egoiſten Kanne) und die gute Monts. Sie reiſet mit mir zu10 halben Koſten Freitags nach — Bayreuth. Sie liebt dich recht treu. Alſo Freitags kommen wir. Auch bin ich zu dieſer Verkürzung (???) meines hieſigen Aufenthalts ſchon dadurch gezwungen, daß ich an Schrag meinen Fibel*) verhandelte, der zur Michaelis35 Meſſe heraus ſein muß. Schreibe daher, Liebe, jeden Tag 4 Seiten15 ab. — Mir wird alles ſchön und neu erſcheinen. Auch bin ich doch dann des Jammers los, daß ich an ſchönen Tagen nicht wieder ins Weite begehre. (Meinen Brief vom 14 Jun. oder Freitag wirſt du erhalten haben) — Ich verſpreche mir ein ſchönes warmes Zuſammenleben, das ſich aber nicht auf bloße ſo kurz nachhaltige20 Empfindungen bauen ſoll — wiewol ich dieſen gern ihre ſüße Allmacht gönnen will ſo lange ſie dauert — ſondern auf meine hel- len Vorſätze und Gründe**). Ich kann nach einem recht hell ein- geſehnen Grundſatze ſehr lange handeln; du kennſt nur darin mein Inneres nicht. Die Liebe gegen dich iſt und war mir immer Be-25 dürfnis, und über die Unterbrechung derſelben tröſteten mich Kinder und Bücher nie ganz. Wenn ich bedenke, wie du ſo mütterlich gegen die Kinder, ſo arbeitſam, ſtill, genügſam, uneigennützig, ſo edel- müthig gegen Fremde biſt: ſo ſollt’ ich dir nicht etwan einige Ab- weichungen von meinem Haushaltungs-Plane nachſehen — denn30 dieß that ich längſt — ſondern ich ſollte (was freilich am ſchwerſten iſt) einige Worte gegen mich als Menſch und Mann, die ich auf der Erde zum erſten male an mich gerichtet höre, nicht anders
*) den Bogen nur für 4 Ld’or. Otto’s Nachricht von Schrag hätt’ ich früher haben ſollen.
**) die ich mir ſogar aufgeſchrieben.
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494. An Karoline Richter.
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Ich will, geliebtes Weib, ein Bischen an dich ſchreiben, ob ich
gleich nichts zu beantworten habe. So ungern ich in Bayreuth
ſchreibe, ſo gern ſchreib’ ich an dich. Geſtern war ich in Nürnberg 5
mit dem Hofmeiſter des Grafen Rothenhahn und mit dem Buch-
händler Walther. Über alles gefiel mir der ſüdliche frohe herzige
Ton des Volks. Ich ſah Schweigger, die Sebalds Kirche, das
prächtige Muſeum, den kindlichen Schubert (aber natürlich nicht
den Egoiſten Kanne) und die gute Monts. Sie reiſet mit mir zu 10
halben Koſten Freitags nach — Bayreuth. Sie liebt dich recht
treu. Alſo Freitags kommen wir. Auch bin ich zu dieſer Verkürzung
(???) meines hieſigen Aufenthalts ſchon dadurch gezwungen, daß
ich an Schrag meinen Fibel *) verhandelte, der zur Michaelis 35
Meſſe heraus ſein muß. Schreibe daher, Liebe, jeden Tag 4 Seiten 15
ab. — Mir wird alles ſchön und neu erſcheinen. Auch bin ich doch
dann des Jammers los, daß ich an ſchönen Tagen nicht wieder
ins Weite begehre. (Meinen Brief vom 14 Jun. oder Freitag
wirſt du erhalten haben) — Ich verſpreche mir ein ſchönes warmes
Zuſammenleben, das ſich aber nicht auf bloße ſo kurz nachhaltige 20
Empfindungen bauen ſoll — wiewol ich dieſen gern ihre ſüße
Allmacht gönnen will ſo lange ſie dauert — ſondern auf meine hel-
len Vorſätze und Gründe **). Ich kann nach einem recht hell ein-
geſehnen Grundſatze ſehr lange handeln; du kennſt nur darin mein
Inneres nicht. Die Liebe gegen dich iſt und war mir immer Be- 25
dürfnis, und über die Unterbrechung derſelben tröſteten mich Kinder
und Bücher nie ganz. Wenn ich bedenke, wie du ſo mütterlich gegen
die Kinder, ſo arbeitſam, ſtill, genügſam, uneigennützig, ſo edel-
müthig gegen Fremde biſt: ſo ſollt’ ich dir nicht etwan einige Ab-
weichungen von meinem Haushaltungs-Plane nachſehen — denn 30
dieß that ich längſt — ſondern ich ſollte (was freilich am ſchwerſten
iſt) einige Worte gegen mich als Menſch und Mann, die ich auf
der Erde zum erſten male an mich gerichtet höre, nicht anders
*) den Bogen nur für 4 Ld’or. Otto’s Nachricht von Schrag hätt’ ich früher
haben ſollen.
**) die ich mir ſogar aufgeſchrieben.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/214>, abgerufen am 27.11.2024.
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