Guten Morgen, mein Emanuel! Gestern hätt' ich Ihnen lieber für Ihr Billet ans treue Herz fallen mögen. Ich sagte es aber meiner Frau voraus: ich habe wenigstens 2 Menschen hier, die5 mir nachfühlen, E[manuel] und O[tto]. -- So hart, stark, schroff es mich auch macht, wenn so recht viele Teufels Griffe auf mich eindringen: so beglückt und erweicht mich doch ein mitleidendes Freundes Herz unendlich. -- Den Brief an Oertel erbitt' ich so- gleich wieder. -- Das Zirkulare können Sie einige Tage behalten10 und dann weiter befödern. Guten Morgen, Geliebter!
397. An Regierungsrat von Dobeneck in Bayreuth.
Bayreuth d. 29. Nov. 1810
Eilig, weil es meine Frau mitnehmen will.
Verehrtester H. Regierungs-Rath! Endlich -- leider endlich --15 send' ich Ihnen Ihre drei himmelblauen Bändchen zurück, die den Leser, wiewol sie ihn auf die rechte Weise in den helldunkeln Vor- hof der zweiten Welt führen, doch an die alte Eintheilung in drei Himmel erinnern. In diesem [?] Vorhof wohnt mehr Wahres und uns Verwandtes als man jetzt versteht, da ja sonst alle dessen20 Gestalten, wären sie nichtig, nur als Arabesken blos unser Auge, nicht unser Gefühl berühren würden.
Desto erfreulicher war es mir, daß Sie im alten gläubigen Tone alles darstellten, ohne es durch Erklärung zu vernichten; sondern daß Sie selber die Empfindung heilig bewahrten, ohne Rücksicht25 auf deren Grund. Da ist sie doch und war da seit der Menschen- Geschichte und bleibt.
Dürft' ich loben, so würd' ich außer Ihrer schönen objektiven Darstellung und Sprache noch die sparsame Auswahl aus dem Chaos loben, da Sie z. B. aus dem Hexen-Kapitel sich blos vor30 der Fluth zu retten suchten und die Ebbe vorzogen -- ferner thut die pikante Wahl aus wenigen, aber alten Quellen wol, zumal mit dem Urtext. Gegen Ihre Rangordnung find' ich nichts einzuwenden, wenn Sie den Phönix verjagen, der, meines Wissens, im Mittel- alter sein Nest nicht erneuerte. Auch das Endigen mit dem Helden-35 buche und der Rechtfertigung eines solchen Endigens ist ächt poetisch.
396. An Emanuel.
[Bayreuth, 26. Nov. 1810]
Guten Morgen, mein Emanuel! Geſtern hätt’ ich Ihnen lieber für Ihr Billet ans treue Herz fallen mögen. Ich ſagte es aber meiner Frau voraus: ich habe wenigſtens 2 Menſchen hier, die5 mir nachfühlen, E[manuel] und O[tto]. — So hart, ſtark, ſchroff es mich auch macht, wenn ſo recht viele Teufels Griffe auf mich eindringen: ſo beglückt und erweicht mich doch ein mitleidendes Freundes Herz unendlich. — Den Brief an Oertel erbitt’ ich ſo- gleich wieder. — Das Zirkulare können Sie einige Tage behalten10 und dann weiter befödern. Guten Morgen, Geliebter!
397. An Regierungsrat von Dobeneck in Bayreuth.
Bayreuth d. 29. Nov. 1810
Eilig, weil es meine Frau mitnehmen will.
Verehrteſter H. Regierungs-Rath! Endlich — leider endlich —15 ſend’ ich Ihnen Ihre drei himmelblauen Bändchen zurück, die den Leſer, wiewol ſie ihn auf die rechte Weiſe in den helldunkeln Vor- hof der zweiten Welt führen, doch an die alte Eintheilung in drei Himmel erinnern. In dieſem [?] Vorhof wohnt mehr Wahres und uns Verwandtes als man jetzt verſteht, da ja ſonſt alle deſſen20 Geſtalten, wären ſie nichtig, nur als Arabeſken blos unſer Auge, nicht unſer Gefühl berühren würden.
Deſto erfreulicher war es mir, daß Sie im alten gläubigen Tone alles darſtellten, ohne es durch Erklärung zu vernichten; ſondern daß Sie ſelber die Empfindung heilig bewahrten, ohne Rückſicht25 auf deren Grund. Da iſt ſie doch und war da ſeit der Menſchen- Geſchichte und bleibt.
Dürft’ ich loben, ſo würd’ ich außer Ihrer ſchönen objektiven Darſtellung und Sprache noch die ſparſame Auswahl aus dem Chaos loben, da Sie z. B. aus dem Hexen-Kapitel ſich blos vor30 der Fluth zu retten ſuchten und die Ebbe vorzogen — ferner thut die pikante Wahl aus wenigen, aber alten Quellen wol, zumal mit dem Urtext. Gegen Ihre Rangordnung find’ ich nichts einzuwenden, wenn Sie den Phönix verjagen, der, meines Wiſſens, im Mittel- alter ſein Neſt nicht erneuerte. Auch das Endigen mit dem Helden-35 buche und der Rechtfertigung eines ſolchen Endigens iſt ächt poetiſch.
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396. An Emanuel.
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Guten Morgen, mein Emanuel! Geſtern hätt’ ich Ihnen lieber
für Ihr Billet ans treue Herz fallen mögen. Ich ſagte es aber
meiner Frau voraus: ich habe wenigſtens 2 Menſchen hier, die 5
mir nachfühlen, E[manuel] und O[tto]. — So hart, ſtark, ſchroff
es mich auch macht, wenn ſo recht viele Teufels Griffe auf mich
eindringen: ſo beglückt und erweicht mich doch ein mitleidendes
Freundes Herz unendlich. — Den Brief an Oertel erbitt’ ich ſo-
gleich wieder. — Das Zirkulare können Sie einige Tage behalten 10
und dann weiter befödern. Guten Morgen, Geliebter!
397. An Regierungsrat von Dobeneck in Bayreuth.
Bayreuth d. 29. Nov. 1810
Eilig, weil es meine Frau mitnehmen will.
Verehrteſter H. Regierungs-Rath! Endlich — leider endlich — 15
ſend’ ich Ihnen Ihre drei himmelblauen Bändchen zurück, die den
Leſer, wiewol ſie ihn auf die rechte Weiſe in den helldunkeln Vor-
hof der zweiten Welt führen, doch an die alte Eintheilung in drei
Himmel erinnern. In dieſem [?] Vorhof wohnt mehr Wahres
und uns Verwandtes als man jetzt verſteht, da ja ſonſt alle deſſen 20
Geſtalten, wären ſie nichtig, nur als Arabeſken blos unſer Auge,
nicht unſer Gefühl berühren würden.
Deſto erfreulicher war es mir, daß Sie im alten gläubigen Tone
alles darſtellten, ohne es durch Erklärung zu vernichten; ſondern
daß Sie ſelber die Empfindung heilig bewahrten, ohne Rückſicht 25
auf deren Grund. Da iſt ſie doch und war da ſeit der Menſchen-
Geſchichte und bleibt.
Dürft’ ich loben, ſo würd’ ich außer Ihrer ſchönen objektiven
Darſtellung und Sprache noch die ſparſame Auswahl aus dem
Chaos loben, da Sie z. B. aus dem Hexen-Kapitel ſich blos vor 30
der Fluth zu retten ſuchten und die Ebbe vorzogen — ferner thut
die pikante Wahl aus wenigen, aber alten Quellen wol, zumal mit
dem Urtext. Gegen Ihre Rangordnung find’ ich nichts einzuwenden,
wenn Sie den Phönix verjagen, der, meines Wiſſens, im Mittel-
alter ſein Neſt nicht erneuerte. Auch das Endigen mit dem Helden- 35
buche und der Rechtfertigung eines ſolchen Endigens iſt ächt poetiſch.
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/167>, abgerufen am 04.12.2024.
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