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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952.

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es eben seine Tugend, gleich der höchsten Entzückung nur stammeln
zu lassen -- aber wol von den hiesigen Lohn- und Lehn-Lakaien.
Dazu werden nun in diesem Gasthofe blos schöne -- Mädchen*)
genommen -- wahrlich ich war ganz erstaunt und erfreuet darüber.
Seit einer halben Stunde ist die zarte mit meinen Karten fort; --5
insofern wäre mir freilich ein Pudel, zumal ein weiblicher, lieber,
weil er mir früher alles in seinem Maule zurück brächte; indeß
kann ich sie ja nachher -- ansehen. Meiner Frau sagen Sie nichts
davon**) -- also auch Amoenen nicht --; es ist genug, wenn Sie
oder Otto ihr ganz andere Texte erklären und Predigten lesen. Beim10
Himmel! --


Noch ist der Lehn-Lohn-Lakai nicht da -- und doch pass' ich auf den
Lakai. Ich glaube fast, Leute seines Gelichters könnten mich mit
der Sitte der Großen versöhnen, sich von Lakaien aus- und an-15
ziehen zu lassen; zumal bei einer Erwiederung, die die Menschlich-
keit ohnehin fodert.


Der Lakai ist noch nicht da. So martert uns das Leben, nicht
etwan das Jahr, das Jahrzehend, sondern die Stunde, der Augen-20
blick -- Kurz der Lehn-Lakai ist noch nicht da. Sie sollen seine
Ankunft wenigstens auf der nächsten -- Seite erfahren.


Der Teufel hole Leute, die nie zum Wegschicken und Wieder-
kommen gemacht sind: noch pass' ich, bin aber begierig.25


Eben ist der köstliche Lehnlakai angekommen, hatte aber -- so
sehr verkennt man Lakaien und Weiber -- während meiner Schreib-
zeit meine***) Weste trefflich gewaschen. Ich hatte nämlich 2 im

*) 30Es sind 3 Schwestern für meinen Gasthof. Die, die ich habe, ist nach
meinen gewissenhaften Prüfungen sehr keusch.
**) Jetzt hats keinen Anstand, da ich leider den Brief selber mitbringe.
***) Auch ist der Weg zu H. v. Kalb eine halbe Stunde lang, und der zur
Gräfin Rotenhan nicht kurz.

es eben ſeine Tugend, gleich der höchſten Entzückung nur ſtammeln
zu laſſen — aber wol von den hieſigen Lohn- und Lehn-Lakaien.
Dazu werden nun in dieſem Gaſthofe blos ſchöne — Mädchen*)
genommen — wahrlich ich war ganz erſtaunt und erfreuet darüber.
Seit einer halben Stunde iſt die zarte mit meinen Karten fort; —5
inſofern wäre mir freilich ein Pudel, zumal ein weiblicher, lieber,
weil er mir früher alles in ſeinem Maule zurück brächte; indeß
kann ich ſie ja nachher — anſehen. Meiner Frau ſagen Sie nichts
davon**) — alſo auch Amoenen nicht —; es iſt genug, wenn Sie
oder Otto ihr ganz andere Texte erklären und Predigten leſen. Beim10
Himmel! —


Noch iſt der Lehn-Lohn-Lakai nicht da — und doch paſſ’ ich auf den
Lakai. Ich glaube faſt, Leute ſeines Gelichters könnten mich mit
der Sitte der Großen verſöhnen, ſich von Lakaien aus- und an-15
ziehen zu laſſen; zumal bei einer Erwiederung, die die Menſchlich-
keit ohnehin fodert.


Der Lakai iſt noch nicht da. So martert uns das Leben, nicht
etwan das Jahr, das Jahrzehend, ſondern die Stunde, der Augen-20
blick — Kurz der Lehn-Lakai iſt noch nicht da. Sie ſollen ſeine
Ankunft wenigſtens auf der nächſten — Seite erfahren.


Der Teufel hole Leute, die nie zum Wegſchicken und Wieder-
kommen gemacht ſind: noch paſſ’ ich, bin aber begierig.25


Eben iſt der köſtliche Lehnlakai angekommen, hatte aber — ſo
ſehr verkennt man Lakaien und Weiber — während meiner Schreib-
zeit meine***) Weſte trefflich gewaſchen. Ich hatte nämlich 2 im

*) 30Es ſind 3 Schweſtern für meinen Gaſthof. Die, die ich habe, iſt nach
meinen gewiſſenhaften Prüfungen ſehr keuſch.
**) Jetzt hats keinen Anſtand, da ich leider den Brief ſelber mitbringe.
***) Auch iſt der Weg zu H. v. Kalb eine halbe Stunde lang, und der zur
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[133/0146] es eben ſeine Tugend, gleich der höchſten Entzückung nur ſtammeln zu laſſen — aber wol von den hieſigen Lohn- und Lehn-Lakaien. Dazu werden nun in dieſem Gaſthofe blos ſchöne — Mädchen *) genommen — wahrlich ich war ganz erſtaunt und erfreuet darüber. Seit einer halben Stunde iſt die zarte mit meinen Karten fort; — 5 inſofern wäre mir freilich ein Pudel, zumal ein weiblicher, lieber, weil er mir früher alles in ſeinem Maule zurück brächte; indeß kann ich ſie ja nachher — anſehen. Meiner Frau ſagen Sie nichts davon **) — alſo auch Amoenen nicht —; es iſt genug, wenn Sie oder Otto ihr ganz andere Texte erklären und Predigten leſen. Beim 10 Himmel! — Um 5½ Uhr Noch iſt der Lehn-Lohn-Lakai nicht da — und doch paſſ’ ich auf den Lakai. Ich glaube faſt, Leute ſeines Gelichters könnten mich mit der Sitte der Großen verſöhnen, ſich von Lakaien aus- und an- 15 ziehen zu laſſen; zumal bei einer Erwiederung, die die Menſchlich- keit ohnehin fodert. Um 6 Uhr Der Lakai iſt noch nicht da. So martert uns das Leben, nicht etwan das Jahr, das Jahrzehend, ſondern die Stunde, der Augen- 20 blick — Kurz der Lehn-Lakai iſt noch nicht da. Sie ſollen ſeine Ankunft wenigſtens auf der nächſten — Seite erfahren. 6¼ Uhr Der Teufel hole Leute, die nie zum Wegſchicken und Wieder- kommen gemacht ſind: noch paſſ’ ich, bin aber begierig. 25 6½ Eben iſt der köſtliche Lehnlakai angekommen, hatte aber — ſo ſehr verkennt man Lakaien und Weiber — während meiner Schreib- zeit meine ***) Weſte trefflich gewaſchen. Ich hatte nämlich 2 im *) Es ſind 3 Schweſtern für meinen Gaſthof. Die, die ich habe, iſt nach meinen gewiſſenhaften Prüfungen ſehr keuſch. **) Jetzt hats keinen Anſtand, da ich leider den Brief ſelber mitbringe. ***) Auch iſt der Weg zu H. v. Kalb eine halbe Stunde lang, und der zur Gräfin Rotenhan nicht kurz.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:17:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:17:09Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/146>, abgerufen am 28.11.2024.