"Wahrscheinlich sterb' ich in Frankfurt; denn ich ziehe hin, d. h. ich bleibe da" So wollt' ich anfangen. Es ist aber dasselbe, wenn ich fortfahre: Vortrefflicher Mann! welche Freude ich mir auch5 von Ihrem Briefe versprechen konnte: er hat mich doch durch eine neue überrascht. Denn eine neue ist ein Mann wie Ihr Freund Aldebert, von dessen schönem Leben Sie mir ein so schönes des Urbilds und des Malers würdiges Bild gegeben. Ja, nur von einem solchen Manne nehm' ich ein Paar Flügelfedern mehr nach10 Frankfurt an, welchem schon lange so viele bedeutende Menschen -- die sich seit Ihrem Hiersein vermehrt haben --, der Wolstand, die Gegend, der deutsche Geist meine Wünsche zugewandt. Nur kann ich mir diese vor dem künftigen April nicht erfüllen; auch schon mit darum, weil ich im Herbst und Winter mich gern recht tief15 in mein altes Nest eindrücke und nur erst im Frühling, in dieser Jugendzeit des Jahrs, im Gefühl der meinigen gern auffliege als Zugvogel. Freilich würden Sie dann künftig die Mühe haben, mein ökonomischer Rathgeber und Besteller für das so zusammen- gesetzte Räderwerk des äußerlichen Lebens zu sein, wiewol schon20 andere Ihnen von dieser Mühe etwas abnehmen sollen.
Nächstens schreib' ich an Ihren edeln Freund; danken Sie ihm früher für das Anerbieten seiner friedlichen Subsidiengelder.
Vielleicht Ende Augusts send' ich dem Museum doch etwas.
Ich grüße achtend Ihren bücher-, welt- und Paris-erfahrnen25 Oelsner.
Meine Frau grüßt Sie mit besonderer Liebe und Achtung, auch wegen Ihrer Aehnlichkeit mit ihrem Vater.
Leben Sie wol und haben Sie Dank!. Ihr30 Jean Paul Fr. Richter
308. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Juli 1810]
Guten Tag! Hier auf Zurückschicken vor 3 Uhr mein Blättchen an Jung. -- Dann das von Villers, dem ich mein Schreiben an den35 Herzog (wie aus Ahnung) durch die Md. Laffont geschickt. Villers Brief geben Sie Otto, Alter!
307. An Hofrat Jung in Frankfurt a. M.
Bayreuth d. 20. Jul. 1810
„Wahrſcheinlich ſterb’ ich in Frankfurt; denn ich ziehe hin, d. h. ich bleibe da“ So wollt’ ich anfangen. Es iſt aber daſſelbe, wenn ich fortfahre: Vortrefflicher Mann! welche Freude ich mir auch5 von Ihrem Briefe verſprechen konnte: er hat mich doch durch eine neue überraſcht. Denn eine neue iſt ein Mann wie Ihr Freund Aldebert, von deſſen ſchönem Leben Sie mir ein ſo ſchönes des Urbilds und des Malers würdiges Bild gegeben. Ja, nur von einem ſolchen Manne nehm’ ich ein Paar Flügelfedern mehr nach10 Frankfurt an, welchem ſchon lange ſo viele bedeutende Menſchen — die ſich ſeit Ihrem Hierſein vermehrt haben —, der Wolſtand, die Gegend, der deutſche Geiſt meine Wünſche zugewandt. Nur kann ich mir dieſe vor dem künftigen April nicht erfüllen; auch ſchon mit darum, weil ich im Herbſt und Winter mich gern recht tief15 in mein altes Neſt eindrücke und nur erſt im Frühling, in dieſer Jugendzeit des Jahrs, im Gefühl der meinigen gern auffliege als Zugvogel. Freilich würden Sie dann künftig die Mühe haben, mein ökonomiſcher Rathgeber und Beſteller für das ſo zuſammen- geſetzte Räderwerk des äußerlichen Lebens zu ſein, wiewol ſchon20 andere Ihnen von dieſer Mühe etwas abnehmen ſollen.
Nächſtens ſchreib’ ich an Ihren edeln Freund; danken Sie ihm früher für das Anerbieten ſeiner friedlichen Subſidiengelder.
Vielleicht Ende Auguſts ſend’ ich dem Muſeum doch etwas.
Ich grüße achtend Ihren bücher-, welt- und Paris-erfahrnen25 Oelsner.
Meine Frau grüßt Sie mit beſonderer Liebe und Achtung, auch wegen Ihrer Aehnlichkeit mit ihrem Vater.
Leben Sie wol und haben Sie Dank!. Ihr30 Jean Paul Fr. Richter
308. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Juli 1810]
Guten Tag! Hier auf Zurückſchicken vor 3 Uhr mein Blättchen an Jung. — Dann das von Villers, dem ich mein Schreiben an den35 Herzog (wie aus Ahnung) durch die Md. Laffont geſchickt. Villers Brief geben Sie Otto, Alter!
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[120/0133]
307. An Hofrat Jung in Frankfurt a. M.
Bayreuth d. 20. Jul. 1810
„Wahrſcheinlich ſterb’ ich in Frankfurt; denn ich ziehe hin, d. h.
ich bleibe da“ So wollt’ ich anfangen. Es iſt aber daſſelbe, wenn
ich fortfahre: Vortrefflicher Mann! welche Freude ich mir auch 5
von Ihrem Briefe verſprechen konnte: er hat mich doch durch eine
neue überraſcht. Denn eine neue iſt ein Mann wie Ihr Freund
Aldebert, von deſſen ſchönem Leben Sie mir ein ſo ſchönes des
Urbilds und des Malers würdiges Bild gegeben. Ja, nur von
einem ſolchen Manne nehm’ ich ein Paar Flügelfedern mehr nach 10
Frankfurt an, welchem ſchon lange ſo viele bedeutende Menſchen —
die ſich ſeit Ihrem Hierſein vermehrt haben —, der Wolſtand, die
Gegend, der deutſche Geiſt meine Wünſche zugewandt. Nur kann
ich mir dieſe vor dem künftigen April nicht erfüllen; auch ſchon
mit darum, weil ich im Herbſt und Winter mich gern recht tief 15
in mein altes Neſt eindrücke und nur erſt im Frühling, in dieſer
Jugendzeit des Jahrs, im Gefühl der meinigen gern auffliege als
Zugvogel. Freilich würden Sie dann künftig die Mühe haben,
mein ökonomiſcher Rathgeber und Beſteller für das ſo zuſammen-
geſetzte Räderwerk des äußerlichen Lebens zu ſein, wiewol ſchon 20
andere Ihnen von dieſer Mühe etwas abnehmen ſollen.
Nächſtens ſchreib’ ich an Ihren edeln Freund; danken Sie ihm
früher für das Anerbieten ſeiner friedlichen Subſidiengelder.
Vielleicht Ende Auguſts ſend’ ich dem Muſeum doch etwas.
Ich grüße achtend Ihren bücher-, welt- und Paris-erfahrnen 25
Oelsner.
Meine Frau grüßt Sie mit beſonderer Liebe und Achtung,
auch wegen Ihrer Aehnlichkeit mit ihrem Vater.
Leben Sie wol und haben Sie Dank!.
Ihr 30
Jean Paul Fr. Richter
308. An Emanuel.
[Bayreuth, 20. Juli 1810]
Guten Tag! Hier auf Zurückſchicken vor 3 Uhr mein Blättchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/133>, abgerufen am 16.07.2024.
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