Habe Dank! Aber du irrst dich. Der Rezensier-Tropf ist ein patriotischer enrage. Wie könnt' er gegen das lange Leben großer Eroberer lauter gemordete anführen? Eine eigentliche Belei-5 digung für Napoleon. -- Aus jener patriotischen Dummheit kommt der Gedanke an Alexander, dessen Nennung als Alliierter Napo- leons ja nicht boßhaft sein kann. War er mir aretinisch feind: so standen ihm ganz andere Stellen zu Gebot, von welchen sogar mir Gutgesinnte fürchteten. Er tadelt an mir ja sogar das Wunder-10 Finden an Napoleon. Häßlich dumm ist er bei Ironien. -- Vorher besorgt' ich wirklich so etwas von Einflechtung ins Jakob.-Schick- sal; und war daher froh über bloße Dummheit.
N. S. Noch einmal las ich eben die Rezension und wurde noch mehr meiner Meinung; z. B. bei der Taube mit dem Oelblatt15 und Grün -- über den Gott in der Geschichte -- bei seiner Dumm- heit über das Erdefressen -- bei Selbststillen der Staaten -- über das Festhalten der Bildung auf Lumpenpapier, wo er sogar das vorige Baiern anführt -- über Statuen.
Jakobs und Schlichtegroll und Niethammer sind meine ächten20 Freunde; auch Jakobi, nur aber unvertragsam mit meinem Scherze.
Du solltest meine Grönländischen Prozesse (bei mir zu haben) und die Teufelspapiere wieder lesen; an letztern hab' ich nichts, an jenen wenig zu ändern, ob sie gleich im 17 und 18 J[ahre] gemacht25 worden.
N. S. Im Gegentheil hab' ich einmal die Baiern die deutschen Engländer genannt. Die Rezension ist wahrscheinlich von einem bayreuth. Feinde wie fast alle Rezensionen meiner Werke.
Warum hätt' er sonst z. B. nicht mein Sprechen gegen große30 Reiche und das Behaupten ihres Zerfallens, mein Tadeln der Er- oberer, der Franzosen, das Spotten über Kontribuzionen etc. etc. etc. angeführt? -- Könnt' ich dich nicht dieß mal mit Buch und Rezen- sion in der Hand bekehren: so wärst du der leibhafte Krause.
245. An Otto.
[Bayreuth, 27. März 1810]
Habe Dank! Aber du irrſt dich. Der Rezenſier-Tropf iſt ein patriotiſcher enragé. Wie könnt’ er gegen das lange Leben großer Eroberer lauter gemordete anführen? Eine eigentliche Belei-5 digung für Napoleon. — Aus jener patriotiſchen Dummheit kommt der Gedanke an Alexander, deſſen Nennung als Alliierter Napo- leons ja nicht boßhaft ſein kann. War er mir aretiniſch feind: ſo ſtanden ihm ganz andere Stellen zu Gebot, von welchen ſogar mir Gutgeſinnte fürchteten. Er tadelt an mir ja ſogar das Wunder-10 Finden an Napoleon. Häßlich dumm iſt er bei Ironien. — Vorher beſorgt’ ich wirklich ſo etwas von Einflechtung ins Jakob.-Schick- ſal; und war daher froh über bloße Dummheit.
N. S. Noch einmal las ich eben die Rezenſion und wurde noch mehr meiner Meinung; z. B. bei der Taube mit dem Oelblatt15 und Grün — über den Gott in der Geſchichte — bei ſeiner Dumm- heit über das Erdefreſſen — bei Selbſtſtillen der Staaten — über das Feſthalten der Bildung auf Lumpenpapier, wo er ſogar das vorige Baiern anführt — über Statuen.
Jakobs und Schlichtegroll und Niethammer ſind meine ächten20 Freunde; auch Jakobi, nur aber unvertragſam mit meinem Scherze.
Du ſollteſt meine Grönländiſchen Prozeſſe (bei mir zu haben) und die Teufelspapiere wieder leſen; an letztern hab’ ich nichts, an jenen wenig zu ändern, ob ſie gleich im 17 und 18 J[ahre] gemacht25 worden.
N. S. Im Gegentheil hab’ ich einmal die Baiern die deutſchen Engländer genannt. Die Rezenſion iſt wahrſcheinlich von einem bayreuth. Feinde wie faſt alle Rezenſionen meiner Werke.
Warum hätt’ er ſonſt z. B. nicht mein Sprechen gegen große30 Reiche und das Behaupten ihres Zerfallens, mein Tadeln der Er- oberer, der Franzoſen, das Spotten über Kontribuzionen ꝛc. ꝛc. ꝛc. angeführt? — Könnt’ ich dich nicht dieß mal mit Buch und Rezen- ſion in der Hand bekehren: ſo wärſt du der leibhafte Krause.
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245. An Otto.
[Bayreuth, 27. März 1810]
Habe Dank! Aber du irrſt dich. Der Rezenſier-Tropf iſt ein
patriotiſcher enragé. Wie könnt’ er gegen das lange Leben großer
Eroberer lauter gemordete anführen? Eine eigentliche Belei- 5
digung für Napoleon. — Aus jener patriotiſchen Dummheit kommt
der Gedanke an Alexander, deſſen Nennung als Alliierter Napo-
leons ja nicht boßhaft ſein kann. War er mir aretiniſch feind:
ſo ſtanden ihm ganz andere Stellen zu Gebot, von welchen ſogar
mir Gutgeſinnte fürchteten. Er tadelt an mir ja ſogar das Wunder- 10
Finden an Napoleon. Häßlich dumm iſt er bei Ironien. — Vorher
beſorgt’ ich wirklich ſo etwas von Einflechtung ins Jakob.-Schick-
ſal; und war daher froh über bloße Dummheit.
N. S. Noch einmal las ich eben die Rezenſion und wurde noch
mehr meiner Meinung; z. B. bei der Taube mit dem Oelblatt 15
und Grün — über den Gott in der Geſchichte — bei ſeiner Dumm-
heit über das Erdefreſſen — bei Selbſtſtillen der Staaten — über
das Feſthalten der Bildung auf Lumpenpapier, wo er ſogar das
vorige Baiern anführt — über Statuen.
Jakobs und Schlichtegroll und Niethammer ſind meine ächten 20
Freunde; auch Jakobi, nur aber unvertragſam mit meinem
Scherze.
Du ſollteſt meine Grönländiſchen Prozeſſe (bei mir zu haben)
und die Teufelspapiere wieder leſen; an letztern hab’ ich nichts, an
jenen wenig zu ändern, ob ſie gleich im 17 und 18 J[ahre] gemacht 25
worden.
N. S. Im Gegentheil hab’ ich einmal die Baiern die deutſchen
Engländer genannt. Die Rezenſion iſt wahrſcheinlich von einem
bayreuth. Feinde wie faſt alle Rezenſionen meiner Werke.
Warum hätt’ er ſonſt z. B. nicht mein Sprechen gegen große 30
Reiche und das Behaupten ihres Zerfallens, mein Tadeln der Er-
oberer, der Franzoſen, das Spotten über Kontribuzionen ꝛc. ꝛc. ꝛc.
angeführt? — Könnt’ ich dich nicht dieß mal mit Buch und Rezen-
ſion in der Hand bekehren: ſo wärſt du der leibhafte Krause.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/107>, abgerufen am 25.11.2024.
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