ich mich, nur einen Tag lang mit Ihnen über die lusus naturae et diaboli der jetzigen Zeit zu reden! Auch über die literarischen Naturspiele möcht' ich Sie hören, z. B. über die Wahlverwandt- schaften, für welche ich beinahe ein öffentliches Wort gegen den Hallischen Halloren gesprochen hätte, ob mir gleich auch das ideale5 Ehebrechen darin nicht gefällt. Reelles wäre viel sittlicher.
Wenn Sie mir, theuerster Freund, die Freude eines Briefes machen, so verdoppeln Sie doch solche, indem Sie einige Ihrer Gedichte beilegen. Mir gefallen Gedichte jetzt immer seltner; und daher muß ich nach seltnen wie die Ihrigen, jagen.10
Leben Sie wol; ich grüße herzlich Frau und Sohn.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
243. An Minna Spazier in Leipzig.
[Kopie][Bayreuth, 24. März 1810]15
Über Ihre Übersetzung kann ich aus Ermanglung ihrer und des Urbildes nichts öffentlich sagen; mehr thun hieße die Verwandt- schaft und Freundschaft in kritische Urtheile verwandeln. -- Kuhn, nicht der Frei- sondern Frechmüthige, der keine Seite Ihnen nach- schreiben kann, wenn er sie nicht abschreibt, scheint von zweierlei20 Schönheiten eifersüchtig gemacht worden zu sein, nicht blos von geistigen allein.
244. An Otto.
[Bayreuth, 26. März 1810]
Hier hast du wieder, lieber Otto, ein Papierlumpen-Pack, das25 ich mir heute von Wagner geben ließ, weil ich in der J[enaischen] L[iteratur] Zeitung gelesen, daß Jacobi (mit Schlichtegroll, Jacobs, Niethammer etc.) ihren Anklagsprozeß puncto injuriarum atrocissimarum et satisfactionis gegen Aretinverloren. Ich kann nun keine Prämie auf die schlechteste dümmste Rezension30 meiner Daemmerungen setzen; hier folgt sie schon; (gleich mit dem Anti-Jacobi voraus). Du wirst schon so schnell durchfliegen wie ich.
ich mich, nur einen Tag lang mit Ihnen über die lusus naturae et diaboli der jetzigen Zeit zu reden! Auch über die literariſchen Naturſpiele möcht’ ich Sie hören, z. B. über die Wahlverwandt- ſchaften, für welche ich beinahe ein öffentliches Wort gegen den Halliſchen Halloren geſprochen hätte, ob mir gleich auch das ideale5 Ehebrechen darin nicht gefällt. Reelles wäre viel ſittlicher.
Wenn Sie mir, theuerſter Freund, die Freude eines Briefes machen, ſo verdoppeln Sie doch ſolche, indem Sie einige Ihrer Gedichte beilegen. Mir gefallen Gedichte jetzt immer ſeltner; und daher muß ich nach ſeltnen wie die Ihrigen, jagen.10
Leben Sie wol; ich grüße herzlich Frau und Sohn.
Ihr Jean Paul Fr. Richter
243. An Minna Spazier in Leipzig.
[Kopie][Bayreuth, 24. März 1810]15
Über Ihre Überſetzung kann ich aus Ermanglung ihrer und des Urbildes nichts öffentlich ſagen; mehr thun hieße die Verwandt- ſchaft und Freundſchaft in kritiſche Urtheile verwandeln. — Kuhn, nicht der Frei- ſondern Frechmüthige, der keine Seite Ihnen nach- ſchreiben kann, wenn er ſie nicht abſchreibt, ſcheint von zweierlei20 Schönheiten eiferſüchtig gemacht worden zu ſein, nicht blos von geiſtigen allein.
244. An Otto.
[Bayreuth, 26. März 1810]
Hier haſt du wieder, lieber Otto, ein Papierlumpen-Pack, das25 ich mir heute von Wagner geben ließ, weil ich in der J[enaischen] L[iteratur] Zeitung geleſen, daß Jacobi (mit Schlichtegroll, Jacobs, Niethammer ꝛc.) ihren Anklagsprozeß puncto injuriarum atrocissimarum et satisfactionis gegen Aretinverloren. Ich kann nun keine Prämie auf die ſchlechteſte dümmſte Rezenſion30 meiner Daemmerungen ſetzen; hier folgt ſie ſchon; (gleich mit dem Anti-Jacobi voraus). Du wirſt ſchon ſo ſchnell durchfliegen wie ich.
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ich mich, nur einen Tag lang mit Ihnen über die lusus naturae
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Naturſpiele möcht’ ich Sie hören, z. B. über die Wahlverwandt-
ſchaften, für welche ich beinahe ein öffentliches Wort gegen den
Halliſchen Halloren geſprochen hätte, ob mir gleich auch das ideale 5
Ehebrechen darin nicht gefällt. Reelles wäre viel ſittlicher.
Wenn Sie mir, theuerſter Freund, die Freude eines Briefes
machen, ſo verdoppeln Sie doch ſolche, indem Sie einige Ihrer
Gedichte beilegen. Mir gefallen Gedichte jetzt immer ſeltner; und
daher muß ich nach ſeltnen wie die Ihrigen, jagen. 10
Leben Sie wol; ich grüße herzlich Frau und Sohn.
Ihr
Jean Paul Fr. Richter
243. An Minna Spazier in Leipzig.
[Bayreuth, 24. März 1810] 15
Über Ihre Überſetzung kann ich aus Ermanglung ihrer und des
Urbildes nichts öffentlich ſagen; mehr thun hieße die Verwandt-
ſchaft und Freundſchaft in kritiſche Urtheile verwandeln. — Kuhn,
nicht der Frei- ſondern Frechmüthige, der keine Seite Ihnen nach-
ſchreiben kann, wenn er ſie nicht abſchreibt, ſcheint von zweierlei 20
Schönheiten eiferſüchtig gemacht worden zu ſein, nicht blos von
geiſtigen allein.
244. An Otto.
[Bayreuth, 26. März 1810]
Hier haſt du wieder, lieber Otto, ein Papierlumpen-Pack, das 25
ich mir heute von Wagner geben ließ, weil ich in der J[enaischen]
L[iteratur] Zeitung geleſen, daß Jacobi (mit Schlichtegroll,
Jacobs, Niethammer ꝛc.) ihren Anklagsprozeß puncto injuriarum
atrocissimarum et satisfactionis gegen Aretin verloren. Ich
kann nun keine Prämie auf die ſchlechteſte dümmſte Rezenſion 30
meiner Daemmerungen ſetzen; hier folgt ſie ſchon; (gleich mit dem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:17:09Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 6. Berlin, 1952, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe06_1962/106>, abgerufen am 25.11.2024.
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