Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.überall die Phantasie ins jüngste. Emma ist ein Gemälde -- Max Richter Nachschrift.5 Dieses Blatt hab' ich eben abgeschnitten, um mit dem vorigen N. S. Merkel hab' ich zweimal eingesalzen in der Michaelis- Es ist der Mühe werth, noch eine Nach-Nachschrift anzuleimen, *) Die Sprache ausgenommen -- denn sein Lexikon geht auf meinen, seinen
Fingernagel -- ists viel schwerer, ihm etwas weg- als beizubringen. Endlich nach vielen Nöthen ist er so weit, daß er den Rock aufhebt -- aber nur vorn -- um zu pissen. Hinten fragt er nach nichts. Aber auch von der andern Seite ist ihm alles so gleichgültig, weil ihm alles Nachttopf ist, was er unter sich hat. Wahrlich beschenken35 Sie uns mit Ihrer Gegenwart: so weiß ich voraus, daß 3 mehr ist als 2; 3 Köst- liche als 2 Eltern. Gute Nacht, Lieber! überall die Phantaſie ins jüngſte. Emma iſt ein Gemälde — Max Richter Nachſchrift.5 Dieſes Blatt hab’ ich eben abgeſchnitten, um mit dem vorigen N. S. Merkel hab’ ich zweimal eingeſalzen in der Michaelis- Es iſt der Mühe werth, noch eine Nach-Nachſchrift anzuleimen, *) Die Sprache ausgenommen — denn ſein Lexikon geht auf meinen, ſeinen
Fingernagel — iſts viel ſchwerer, ihm etwas weg- als beizubringen. Endlich nach vielen Nöthen iſt er ſo weit, daß er den Rock aufhebt — aber nur vorn — um zu piſſen. Hinten fragt er nach nichts. Aber auch von der andern Seite iſt ihm alles ſo gleichgültig, weil ihm alles Nachttopf iſt, was er unter ſich hat. Wahrlich beſchenken35 Sie uns mit Ihrer Gegenwart: ſo weiß ich voraus, daß 3 mehr iſt als 2; 3 Köſt- liche als 2 Eltern. Gute Nacht, Lieber! <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="52"/> überall die Phantaſie ins jüngſte. <hi rendition="#aq">Emma</hi> iſt ein Gemälde — Max<lb/> eine Statue<note place="foot" n="*)">Die Sprache ausgenommen — denn ſein Lexikon geht auf meinen, ſeinen<lb/> Fingernagel — iſts viel ſchwerer, ihm etwas weg- als beizubringen. Endlich nach<lb/> vielen Nöthen iſt er ſo weit, daß er den Rock aufhebt — aber nur vorn — um zu<lb/> piſſen. Hinten fragt er nach nichts. Aber auch von der andern Seite iſt ihm alles ſo<lb/> gleichgültig, weil ihm alles Nachttopf iſt, was er unter ſich hat. Wahrlich beſchenken<lb n="35"/> Sie uns mit Ihrer Gegenwart: ſo weiß ich voraus, daß 3 mehr iſt als 2; 3 Köſt-<lb/> liche als 2 Eltern. Gute Nacht, Lieber!</note> — <hi rendition="#aq">Odilia</hi> ein Ton; ihr großes tief untergeſtirntes<lb/> Auge iſt ein Echo, Gott weiß aus welchem Konzert —</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Richter</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div> <head>Nachſchrift.<lb n="5"/> </head> <p>Dieſes Blatt hab’ ich eben abgeſchnitten, um mit dem vorigen<lb/> fortzufahren, blos weil ich im Enthuſiaſmus des Arbeitens bin.<lb/> Dieß iſt aber eben mein Fehler — der wenn nicht Feind doch Freund<lb/> ſo oft irre macht — daß ich im Feuer der ſonſtigen Schreiberei<lb/> damit auch auf Brief- und Freunds-Papier überwehe und dadurch —<lb n="10"/> in ſo fremden zufälligen zeitlichen Verhältniſſen — den Perſonen<lb/> und Gegenſtänden eine Liebe zeige — durch meine zu ſtarken Aus-<lb/> drücke — die ich allerdings ganz anders äußern würde, wenn ich<lb/> handeln müßte; denn ich würde dann ſothanes Objekt umhalſen<lb/> und ſagen: willkommen, Alter!<lb n="15"/> </p> <p>N. S. Merkel hab’ ich zweimal eingeſalzen in der Michaelis-<lb/> meſſe. Wahrſcheinlich ſchreib’ ich gar einen öffentlichen Brief an<lb/> Göthe, wo ich dieſem verſpreche, jenen jährlich zweimal zu ärgern,<lb/> es ſei durch boshafte Gleichniſſe oder andere Anſpielungen. Göthe’s<lb/> Winckelmann iſt göttlich.<lb n="20"/> </p> <p>Es iſt der Mühe werth, noch eine Nach-Nachſchrift anzuleimen,<lb/> blos um Ihnen von dem Jammer einen Begriff zu geben, der mich<lb/> nun feſthält, ſeit mein letzter gebiſſener nie beiſſender Spitz vom<lb/> Fallmeiſter entkleidet und geſchunden worden; indem ich wöchent-<lb/> lich andere Novizen-Hunde zur Probe nehme (z. B. vom Fallmeiſter<lb n="25"/> ſelber ((wer iſt nicht ein Meiſter im Fallen)) einen herrlichen zu<lb/> jungen Bullenbeißer) welche aber ſämtlich (z. B. eben der heutige<lb/> jetzige ſchwarze Jung-Spitz) abgehen müſſen blos weil ſie ihren<lb/> Abgang in die Stube laſſen. Überall Denkmäler und nirgends ein<lb/> Hund! Mich ſchlägts nieder genug.<lb n="30"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [52/0066]
überall die Phantaſie ins jüngſte. Emma iſt ein Gemälde — Max
eine Statue *) — Odilia ein Ton; ihr großes tief untergeſtirntes
Auge iſt ein Echo, Gott weiß aus welchem Konzert —
Richter
Nachſchrift. 5
Dieſes Blatt hab’ ich eben abgeſchnitten, um mit dem vorigen
fortzufahren, blos weil ich im Enthuſiaſmus des Arbeitens bin.
Dieß iſt aber eben mein Fehler — der wenn nicht Feind doch Freund
ſo oft irre macht — daß ich im Feuer der ſonſtigen Schreiberei
damit auch auf Brief- und Freunds-Papier überwehe und dadurch — 10
in ſo fremden zufälligen zeitlichen Verhältniſſen — den Perſonen
und Gegenſtänden eine Liebe zeige — durch meine zu ſtarken Aus-
drücke — die ich allerdings ganz anders äußern würde, wenn ich
handeln müßte; denn ich würde dann ſothanes Objekt umhalſen
und ſagen: willkommen, Alter! 15
N. S. Merkel hab’ ich zweimal eingeſalzen in der Michaelis-
meſſe. Wahrſcheinlich ſchreib’ ich gar einen öffentlichen Brief an
Göthe, wo ich dieſem verſpreche, jenen jährlich zweimal zu ärgern,
es ſei durch boshafte Gleichniſſe oder andere Anſpielungen. Göthe’s
Winckelmann iſt göttlich. 20
Es iſt der Mühe werth, noch eine Nach-Nachſchrift anzuleimen,
blos um Ihnen von dem Jammer einen Begriff zu geben, der mich
nun feſthält, ſeit mein letzter gebiſſener nie beiſſender Spitz vom
Fallmeiſter entkleidet und geſchunden worden; indem ich wöchent-
lich andere Novizen-Hunde zur Probe nehme (z. B. vom Fallmeiſter 25
ſelber ((wer iſt nicht ein Meiſter im Fallen)) einen herrlichen zu
jungen Bullenbeißer) welche aber ſämtlich (z. B. eben der heutige
jetzige ſchwarze Jung-Spitz) abgehen müſſen blos weil ſie ihren
Abgang in die Stube laſſen. Überall Denkmäler und nirgends ein
Hund! Mich ſchlägts nieder genug. 30
*) Die Sprache ausgenommen — denn ſein Lexikon geht auf meinen, ſeinen
Fingernagel — iſts viel ſchwerer, ihm etwas weg- als beizubringen. Endlich nach
vielen Nöthen iſt er ſo weit, daß er den Rock aufhebt — aber nur vorn — um zu
piſſen. Hinten fragt er nach nichts. Aber auch von der andern Seite iſt ihm alles ſo
gleichgültig, weil ihm alles Nachttopf iſt, was er unter ſich hat. Wahrlich beſchenken 35
Sie uns mit Ihrer Gegenwart: ſo weiß ich voraus, daß 3 mehr iſt als 2; 3 Köſt-
liche als 2 Eltern. Gute Nacht, Lieber!
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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