1) Der Dame erinnerte ich mich bei meiner Gedächtniß-Asthenie und bei der Überfülle Berlinischer Erscheinungen nicht mehr. 2) Dem wandelbaren Herzoge, voll Poesie im Leben sogar, ist schwer zu empfehlen. 3) Und nach meiner Kenntniß des Hofs wäre schwerlich der Tochter ein Nebenplatz an der Mutter verstattet worden.5
Was ich schreibe, weißt du; aber ich so wenig, was du dazu sagst. Von der theuern Aesthetik wurden in erster Messe fast an 1000 Exem- plare abgesetzt. Zu Michaelis kommt IV. Flegeljahr; und Aufsätze in Cotta's und Wilman's Taschenbuch. -- Zu Ostern ein ernstes Werk über die Erziehung.10
Meine drei Kinder grünen und knospen. Ihr herrlicher Vater wächst sich immer dicker aus und treibt starke Äste. -- Ich ziehe immer südlicher -- wahrscheinlich auch aus Bayreuth, aber später.
Was machst du seit deinem Avancement? Noch immer hagestol- zierst du? Ich schwieg bisher gar nicht etwa, wie du schreibst, aus15 Beziehung auf dein metallisches Schweigen -- ob du es gleich, hoff' ich, mit einigen Sylben einmal unterbrechen wirst -- sondern weil ich aus Briefen und Weibern durch die Ehe heraus gekommen bin. Himmel! sonst konnt' ich beinahe eine reitende Briefpost selber be- schäftigen und besolden! Jetzt brauch' ich nur die fahrende für20 Manuskripte. Warum schreibt mir Matzdorf gar nicht?
Grüße die, die ich liebe, von dir an. Schreibe mir Personalien. Vale.
Richter
N. S. Und grüße die noch einmal, die dieses Blättchen bringt.
25
128. An Thieriot in Offenbach.
Bayreuth d. 27 Aug. 1805
Dieß erfreuet das Herz, wenn man eben im kurzen Zwischenraume von zwei Tagen an einander gedacht und geschrieben hat -- wie wir. -- Heute war die Braun bei uns -- und Ihr Brief! Für jene30 weiß ich keinen Mannsnamen; für Sie Ihren. -- Ihr Schreiben war mir herzlich werth, die Kürze ausgenommen. -- Über Luthers Denkmal schrieb ich für das Cotta'sche Taschenbuch 3/4 Spaß, 1/4 Ernst. -- Das vierte Flegeljahr kommt zur M[ichaelis] Messe. -- O Sie sollten meine Kinder sehen! Und doch verliebten Sie sich wie35
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1) Der Dame erinnerte ich mich bei meiner Gedächtniß-Aſthenie und bei der Überfülle Berliniſcher Erſcheinungen nicht mehr. 2) Dem wandelbaren Herzoge, voll Poeſie im Leben ſogar, iſt ſchwer zu empfehlen. 3) Und nach meiner Kenntniß des Hofs wäre ſchwerlich der Tochter ein Nebenplatz an der Mutter verſtattet worden.5
Was ich ſchreibe, weißt du; aber ich ſo wenig, was du dazu ſagſt. Von der theuern Aeſthetik wurden in erſter Meſſe faſt an 1000 Exem- plare abgeſetzt. Zu Michaelis kommt IV. Flegeljahr; und Aufſätze in Cotta’s und Wilman’s Taſchenbuch. — Zu Oſtern ein ernſtes Werk über die Erziehung.10
Meine drei Kinder grünen und knoſpen. Ihr herrlicher Vater wächſt ſich immer dicker aus und treibt ſtarke Äſte. — Ich ziehe immer ſüdlicher — wahrſcheinlich auch aus Bayreuth, aber ſpäter.
Was machſt du ſeit deinem Avancement? Noch immer hageſtol- zierſt du? Ich ſchwieg bisher gar nicht etwa, wie du ſchreibſt, aus15 Beziehung auf dein metalliſches Schweigen — ob du es gleich, hoff’ ich, mit einigen Sylben einmal unterbrechen wirſt — ſondern weil ich aus Briefen und Weibern durch die Ehe heraus gekommen bin. Himmel! ſonſt konnt’ ich beinahe eine reitende Briefpoſt ſelber be- ſchäftigen und beſolden! Jetzt brauch’ ich nur die fahrende für20 Manuſkripte. Warum ſchreibt mir Matzdorf gar nicht?
Grüße die, die ich liebe, von dir an. Schreibe mir Perſonalien. Vale.
Richter
N. S. Und grüße die noch einmal, die dieſes Blättchen bringt.
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128. An Thieriot in Offenbach.
Bayreuth d. 27 Aug. 1805
Dieß erfreuet das Herz, wenn man eben im kurzen Zwiſchenraume von zwei Tagen an einander gedacht und geſchrieben hat — wie wir. — Heute war die Braun bei uns — und Ihr Brief! Für jene30 weiß ich keinen Mannsnamen; für Sie Ihren. — Ihr Schreiben war mir herzlich werth, die Kürze ausgenommen. — Über Luthers Denkmal ſchrieb ich für das Cotta’ſche Taſchenbuch ¾ Spaß, ¼ Ernſt. — Das vierte Flegeljahr kommt zur M[ichaelis] Meſſe. — O Sie ſollten meine Kinder ſehen! Und doch verliebten Sie ſich wie35
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1) Der Dame erinnerte ich mich bei meiner Gedächtniß-Aſthenie und
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wandelbaren Herzoge, voll Poeſie im Leben ſogar, iſt ſchwer zu
empfehlen. 3) Und nach meiner Kenntniß des Hofs wäre ſchwerlich
der Tochter ein Nebenplatz an der Mutter verſtattet worden. 5
Was ich ſchreibe, weißt du; aber ich ſo wenig, was du dazu ſagſt.
Von der theuern Aeſthetik wurden in erſter Meſſe faſt an 1000 Exem-
plare abgeſetzt. Zu Michaelis kommt IV. Flegeljahr; und Aufſätze
in Cotta’s und Wilman’s Taſchenbuch. — Zu Oſtern ein ernſtes
Werk über die Erziehung. 10
Meine drei Kinder grünen und knoſpen. Ihr herrlicher Vater
wächſt ſich immer dicker aus und treibt ſtarke Äſte. — Ich ziehe immer
ſüdlicher — wahrſcheinlich auch aus Bayreuth, aber ſpäter.
Was machſt du ſeit deinem Avancement? Noch immer hageſtol-
zierſt du? Ich ſchwieg bisher gar nicht etwa, wie du ſchreibſt, aus 15
Beziehung auf dein metalliſches Schweigen — ob du es gleich, hoff’
ich, mit einigen Sylben einmal unterbrechen wirſt — ſondern weil ich
aus Briefen und Weibern durch die Ehe heraus gekommen bin.
Himmel! ſonſt konnt’ ich beinahe eine reitende Briefpoſt ſelber be-
ſchäftigen und beſolden! Jetzt brauch’ ich nur die fahrende für 20
Manuſkripte. Warum ſchreibt mir Matzdorf gar nicht?
Grüße die, die ich liebe, von dir an. Schreibe mir Perſonalien.
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RichterN. S. Und grüße die noch einmal, die dieſes Blättchen bringt.
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128. An Thieriot in Offenbach.
Bayreuth d. 27 Aug. 1805
Dieß erfreuet das Herz, wenn man eben im kurzen Zwiſchenraume
von zwei Tagen an einander gedacht und geſchrieben hat — wie
wir. — Heute war die Braun bei uns — und Ihr Brief! Für jene 30
weiß ich keinen Mannsnamen; für Sie Ihren. — Ihr Schreiben
war mir herzlich werth, die Kürze ausgenommen. — Über Luthers
Denkmal ſchrieb ich für das Cotta’ſche Taſchenbuch ¾ Spaß,
¼ Ernſt. — Das vierte Flegeljahr kommt zur M[ichaelis] Meſſe. —
O Sie ſollten meine Kinder ſehen! Und doch verliebten Sie ſich wie 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/65>, abgerufen am 27.07.2024.
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