Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.Was weiß ich heute den 25 August 1805? -- Mein erster Rath Gestern Nachts ist die Braun angekommen; und alles hier in Lust. Warum schreiben Sie mir so wenig? Warum so wenig über meine25 127. An Ahlefeldt in Berlin. Bayreuth d. 28 Aug. 1805Lieber Alter! Ich gebe dir durch ein Paar schöne Hände, die du Was weiß ich heute den 25 Auguſt 1805? — Mein erſter Rath Geſtern Nachts iſt die Braun angekommen; und alles hier in Luſt. Warum ſchreiben Sie mir ſo wenig? Warum ſo wenig über meine25 127. An Ahlefeldt in Berlin. Bayreuth d. 28 Aug. 1805Lieber Alter! Ich gebe dir durch ein Paar ſchöne Hände, die du <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0064" n="50"/> <p>Was weiß ich heute den 25 Auguſt 1805? — Mein erſter Rath<lb/> und Anfang iſt: Thun Sie alles Körperliche — z. B. wenn Sie einen<lb/> falſchen Schlüſſel im falſchen Schloß umdrehen — <hi rendition="#g">ſanft und<lb/> langſam.</hi> Die Wuth hilft nur bei Menſchen, nicht bei Körpern.<lb/><hi rendition="#g">Linde</hi> ſucht’ ich dieſes Blatt unter ſo vielen. Ich habe Ihnen wenig<lb n="5"/> zu ſchreiben, da Sie mir ſo wenig ſchreiben. Meine Novellen, Nova,<lb/> Novitäten ſind in Wilman’s und Cotta’s Taſchenkalendern die<lb/> nöthigen Aufſätze; über die Erziehung arbeit’ ich eine <hi rendition="#g">Vorſchule</hi><lb/> aus. Die äſthetiſche fließt gut in Deutſchland, nach Perthes. Ich<lb/> wünſche innig, Sie zu ſehen, da Sie ſich gewiß in der Einſamkeit<lb n="10"/> mehr gebildet haben als in Paris, das in anderer Rückſicht auch<lb/> eine war. Warlich Sie werden mich in etwas erſtaunen und er-<lb/> freuen, wenn ich Sie ſehe, wegen Ihrer Fortſchritte. — Mich anbe-<lb/> langend, ſchimmle ich zuſammen und laſſe den Schimmel drucken<lb/> als Flora. Wollte Gott, ich wäre der beſte Kopf in der beſten<lb n="15"/> Welt und der beſten Stadt, aus mir ließe ſich wenigſtens ſoviel<lb/> machen als ich gemacht habe. So aber hab’ ich — drei herrliche<lb/> Kinder, deren Namen und Augen jedem bekannt. Menſchen, die<lb/> ſich lieben, ſollten Flügel haben, nicht nur, um zu <hi rendition="#g">kommen,</hi> auch<lb/> um zu <hi rendition="#g">gehen</hi> — z. B. Sie — Andere aber Krücken, um ſchwer an-<lb n="20"/> zukommen und zu ärgern. —</p><lb/> <p>Geſtern Nachts iſt die Braun angekommen; und alles hier in Luſt.<lb/> Gott ſchenk’ ihr die Freude, die ſie macht und verdient, dieſe<lb/> Antike!</p><lb/> <p>Warum ſchreiben Sie mir ſo wenig? Warum ſo wenig über meine<lb n="25"/> neueſten Sachen? Warum reitzen Sie mich nicht zu Widerlegungen?<lb/> — Der Teufel hole mich, wenn ich nicht Ihr Urtheil über mich —<lb/> ich ſage nicht, über andere — äußerſt achte und nütze. Sie wiſſen<lb/> kaum, daß Sie ein Kritikus ſind und ein guter und daß der alteRichter der alte Liebhaber Ihres Ichs iſt und bleibt. —<lb n="30"/> </p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>127. An <hi rendition="#g">Ahlefeldt in Berlin.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> d. 28 Aug. 1805</hi> </dateline><lb/> <p>Lieber Alter! Ich gebe dir durch ein Paar ſchöne Hände, die du<lb/> leider ſchwerlich mehr zum Kuſſe wirſt erlangen können, dieſes Blatt.<lb/> Vergib mein Schweigen auf deine Vorbitte, folglich das Nein.<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [50/0064]
Was weiß ich heute den 25 Auguſt 1805? — Mein erſter Rath
und Anfang iſt: Thun Sie alles Körperliche — z. B. wenn Sie einen
falſchen Schlüſſel im falſchen Schloß umdrehen — ſanft und
langſam. Die Wuth hilft nur bei Menſchen, nicht bei Körpern.
Linde ſucht’ ich dieſes Blatt unter ſo vielen. Ich habe Ihnen wenig 5
zu ſchreiben, da Sie mir ſo wenig ſchreiben. Meine Novellen, Nova,
Novitäten ſind in Wilman’s und Cotta’s Taſchenkalendern die
nöthigen Aufſätze; über die Erziehung arbeit’ ich eine Vorſchule
aus. Die äſthetiſche fließt gut in Deutſchland, nach Perthes. Ich
wünſche innig, Sie zu ſehen, da Sie ſich gewiß in der Einſamkeit 10
mehr gebildet haben als in Paris, das in anderer Rückſicht auch
eine war. Warlich Sie werden mich in etwas erſtaunen und er-
freuen, wenn ich Sie ſehe, wegen Ihrer Fortſchritte. — Mich anbe-
langend, ſchimmle ich zuſammen und laſſe den Schimmel drucken
als Flora. Wollte Gott, ich wäre der beſte Kopf in der beſten 15
Welt und der beſten Stadt, aus mir ließe ſich wenigſtens ſoviel
machen als ich gemacht habe. So aber hab’ ich — drei herrliche
Kinder, deren Namen und Augen jedem bekannt. Menſchen, die
ſich lieben, ſollten Flügel haben, nicht nur, um zu kommen, auch
um zu gehen — z. B. Sie — Andere aber Krücken, um ſchwer an- 20
zukommen und zu ärgern. —
Geſtern Nachts iſt die Braun angekommen; und alles hier in Luſt.
Gott ſchenk’ ihr die Freude, die ſie macht und verdient, dieſe
Antike!
Warum ſchreiben Sie mir ſo wenig? Warum ſo wenig über meine 25
neueſten Sachen? Warum reitzen Sie mich nicht zu Widerlegungen?
— Der Teufel hole mich, wenn ich nicht Ihr Urtheil über mich —
ich ſage nicht, über andere — äußerſt achte und nütze. Sie wiſſen
kaum, daß Sie ein Kritikus ſind und ein guter und daß der alteRichter der alte Liebhaber Ihres Ichs iſt und bleibt. — 30
127. An Ahlefeldt in Berlin.
Bayreuth d. 28 Aug. 1805
Lieber Alter! Ich gebe dir durch ein Paar ſchöne Hände, die du
leider ſchwerlich mehr zum Kuſſe wirſt erlangen können, dieſes Blatt.
Vergib mein Schweigen auf deine Vorbitte, folglich das Nein. 35
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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