Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.hinaus so viel Umblick, Theilnahme, Sinn für das Außerweltliche, Ich bin mit Ihren meisten Ansichten einig, besonders über Gottes- Ihre Papiere wohnen sicher bei mir, bis sie ihr Vater zurück Der gesunknen Religion hilft schwerlich irgend ein Wille auf --15 Ich grüße herzlich Ihre Gattin, welche der Liebe eines solchen Es gehe Ihnen beiden wol! Ihr Jean Paul Fr. Richter 562. An Perthes. [Bayreuth, 1. Sept. 1808]30Ich habe noch nicht die Hälfte gesagt (in der Friedenspredigt) Wetterwahrsagerei mein Stecken- Maul-Eselchen -- Menschen-35 hinaus ſo viel Umblick, Theilnahme, Sinn für das Außerweltliche, Ich bin mit Ihren meiſten Anſichten einig, beſonders über Gottes- Ihre Papiere wohnen ſicher bei mir, bis ſie ihr Vater zurück Der geſunknen Religion hilft ſchwerlich irgend ein Wille auf —15 Ich grüße herzlich Ihre Gattin, welche der Liebe eines ſolchen Es gehe Ihnen beiden wol! Ihr Jean Paul Fr. Richter 562. An Perthes. [Bayreuth, 1. Sept. 1808]30Ich habe noch nicht die Hälfte geſagt (in der Friedenspredigt) Wetterwahrſagerei mein Stecken- Maul-Eſelchen — Menſchen-35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0248" n="232"/> hinaus ſo viel Umblick, Theilnahme, Sinn für das Außerweltliche,<lb/> und poetiſchen und philoſophiſchen hat. Nichts fruchtet dem ganzen<lb/> Menſchen mehr als ein ſolches Schreiben und Lehren, wobei man blos<lb/> ſelber allein der Leſer und der Schüler iſt; hier arbeiten Lehre und<lb/> That einander in die Hand und kein Zug nach auſſen verfälſcht oder<lb n="5"/> entkräftet die ſchöne Wechſelwirkung.</p><lb/> <p>Ich bin mit Ihren meiſten Anſichten einig, beſonders über Gottes-<lb/> dienſt, Thiere, Weihnachtsfreude und die Pyramide. In dieſer, als<lb/> einem Lebens Throne, treffen Sie mit vielen Jetzigen zuſammen;<lb/> nur liegt der Knoten und das Wunder in den Übergängen; um etwas<lb n="10"/> vom Leben zu begreifen, muß man geradezu es überall, auch in der<lb/> tiefſten Tiefe annehmen.</p><lb/> <p>Ihre Papiere wohnen ſicher bei mir, bis ſie ihr Vater zurück<lb/> ruft.</p><lb/> <p>Der geſunknen Religion hilft ſchwerlich irgend ein Wille auf —<lb n="15"/> wiewol doch jeder einzelne für ſie zu arbeiten und zu ſäen nicht laß<lb/> werden darf —; aber da auf der andern Seite die Menſchheit ohne<lb/> das Athmen dieſes Aethers nicht beſtehen kann: ſo dürfen wir durch-<lb/> aus auf große Eingriffe des Schickſals — wie die Reformazion z. B.<lb/> war — rechnen und hoffen. Himmel! wir können jetzt kaum die<lb n="20"/> nächſte politiſche Zukunft weiſſagen, wie viel weniger die religiöſe. —<lb/> Ich werde einiges darüber in einer Fortſetzung meiner Friedens<lb/> Predigt ſagen.</p><lb/> <p>Ich grüße herzlich Ihre Gattin, welche der Liebe eines ſolchen<lb/> Mannes würdig ſein muß, weil ſie deren ſonſt nicht theilhaftig wäre.<lb n="25"/> </p> <p>Es gehe Ihnen beiden wol!</p><lb/> <closer> <salute> <hi rendition="#right">Ihr<lb/> Jean Paul Fr. Richter</hi> </salute> </closer> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>562. An <hi rendition="#g">Perthes.</hi></head><lb/> <byline>[Kopie]</byline> <dateline> <hi rendition="#right">[Bayreuth, 1. Sept. 1808]</hi> </dateline> <lb n="30"/> <p>Ich habe noch nicht die Hälfte geſagt (in der Friedenspredigt)<lb/> ſondern nur ein Viertel und rede daher fort bis die Hälfte da iſt.<lb/> Man muß nicht das Eiſen ſondern das Eis ſo lang ſchmieden und<lb/> geſtalten als es kalt iſt.</p><lb/> <p>Wetterwahrſagerei mein Stecken- Maul-Eſelchen — Menſchen-<lb n="35"/> Maſſen laſſen ſich errathen, nicht aber Ein freier Menſch. — Auch<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [232/0248]
hinaus ſo viel Umblick, Theilnahme, Sinn für das Außerweltliche,
und poetiſchen und philoſophiſchen hat. Nichts fruchtet dem ganzen
Menſchen mehr als ein ſolches Schreiben und Lehren, wobei man blos
ſelber allein der Leſer und der Schüler iſt; hier arbeiten Lehre und
That einander in die Hand und kein Zug nach auſſen verfälſcht oder 5
entkräftet die ſchöne Wechſelwirkung.
Ich bin mit Ihren meiſten Anſichten einig, beſonders über Gottes-
dienſt, Thiere, Weihnachtsfreude und die Pyramide. In dieſer, als
einem Lebens Throne, treffen Sie mit vielen Jetzigen zuſammen;
nur liegt der Knoten und das Wunder in den Übergängen; um etwas 10
vom Leben zu begreifen, muß man geradezu es überall, auch in der
tiefſten Tiefe annehmen.
Ihre Papiere wohnen ſicher bei mir, bis ſie ihr Vater zurück
ruft.
Der geſunknen Religion hilft ſchwerlich irgend ein Wille auf — 15
wiewol doch jeder einzelne für ſie zu arbeiten und zu ſäen nicht laß
werden darf —; aber da auf der andern Seite die Menſchheit ohne
das Athmen dieſes Aethers nicht beſtehen kann: ſo dürfen wir durch-
aus auf große Eingriffe des Schickſals — wie die Reformazion z. B.
war — rechnen und hoffen. Himmel! wir können jetzt kaum die 20
nächſte politiſche Zukunft weiſſagen, wie viel weniger die religiöſe. —
Ich werde einiges darüber in einer Fortſetzung meiner Friedens
Predigt ſagen.
Ich grüße herzlich Ihre Gattin, welche der Liebe eines ſolchen
Mannes würdig ſein muß, weil ſie deren ſonſt nicht theilhaftig wäre. 25
Es gehe Ihnen beiden wol!
Ihr
Jean Paul Fr. Richter
562. An Perthes.
[Kopie][Bayreuth, 1. Sept. 1808] 30
Ich habe noch nicht die Hälfte geſagt (in der Friedenspredigt)
ſondern nur ein Viertel und rede daher fort bis die Hälfte da iſt.
Man muß nicht das Eiſen ſondern das Eis ſo lang ſchmieden und
geſtalten als es kalt iſt.
Wetterwahrſagerei mein Stecken- Maul-Eſelchen — Menſchen- 35
Maſſen laſſen ſich errathen, nicht aber Ein freier Menſch. — Auch
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(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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