Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961.

Bild:
<< vorherige Seite

unter unsern Füßen gräbt und lädt. Ich indeß mache doch meinen alten
Spaß in Büchern fort; sogar im Leben wie Sie oft belacht; nur zu-
weilen bin ich ernsthaft, z. B. wenn ich mein Eichhörnchen auf der
linken Achsel in öffentlichen Gesellschaften sitzen habe, oder gar wie
neulich, da ich Gevatter stand, in der Tasche stecken. Denn wäre das5
Thier, während ich den Pathen auf den Armen hielt, plötzlich heraus
und auf die Achsel gekrochen: es hätte uns alle in der heiligen Hand-
lung gestört. -- --

Freuen Sie sich über Amanda's Klarheit und Ruhe; ist nur Güte
des Herzens da, so braucht es keinen empfindsamen Sturm und10
Drang desselben, der zwar anfänglich am Mädchen gefällt aber in
der Ehe das Doppel-Glück wegweht. Ich grüße sie herzlich.

Meinen Dank an Ihre wolwollende Antonie; ich sehne mich recht
nach ihrer Erscheinung wie nach Ihrer und freue mich auf Pfingsten.

Ich grüße Ihren Gatten und drei Heims und Panzerbieter.15

Es geh' euch allen wol und jeder ahme mich nach, der wieder den
Zaunkönig nachahmt, welcher nie mehr singt und springt als im
Winter bei dem aller verdammtesten Wetter!

IhrJean Paul Fr. Richter20
520. An Johannes von Müller in Kassel.

Einem Manne, der zugleich Gegenstand und Schöpfer einer
höhern Geschichte ist, will ich keine Minute seiner Schöpfungszeit
durch einen längern Ausdruck meiner Verehrung für ihn entziehen:25
sondern sogleich die Bitte für einen Fremden bringen. Ein junger
großer Philolog, Namens Kanne, eben so reich an Sprachen als
an Witz -- dessen nähere Schilderung meine beigelegte Vorrede vor
seinem neuesten, Epoche machenden Werke: erste Urkunden der
Geschichte oder allgemeine Mythologie
aufstellt, wahr-30
scheinlich auch Ihnen durch seine frühern Werke bekannt, so wie vom
Minister Dohm persönlich geschätzt, dieser ist jetzt aus unver-
schuldetem Geld- und Gönnermangel zum zweiten male östreichi-
scher gemeiner Soldat geworden. Bis Ende dies. stand er unter dem
Namen Friedrich Kante im Klebeckschen Linienregiment bei35
Hauptmann Eschermanns Compagnie in Linz. Als Westfälinger

unter unſern Füßen gräbt und lädt. Ich indeß mache doch meinen alten
Spaß in Büchern fort; ſogar im Leben wie Sie oft belacht; nur zu-
weilen bin ich ernſthaft, z. B. wenn ich mein Eichhörnchen auf der
linken Achſel in öffentlichen Geſellſchaften ſitzen habe, oder gar wie
neulich, da ich Gevatter ſtand, in der Taſche ſtecken. Denn wäre das5
Thier, während ich den Pathen auf den Armen hielt, plötzlich heraus
und auf die Achſel gekrochen: es hätte uns alle in der heiligen Hand-
lung geſtört. — —

Freuen Sie ſich über Amanda’s Klarheit und Ruhe; iſt nur Güte
des Herzens da, ſo braucht es keinen empfindſamen Sturm und10
Drang deſſelben, der zwar anfänglich am Mädchen gefällt aber in
der Ehe das Doppel-Glück wegweht. Ich grüße ſie herzlich.

Meinen Dank an Ihre wolwollende Antonie; ich ſehne mich recht
nach ihrer Erſcheinung wie nach Ihrer und freue mich auf Pfingſten.

Ich grüße Ihren Gatten und drei Heims und Panzerbieter.15

Es geh’ euch allen wol und jeder ahme mich nach, der wieder den
Zaunkönig nachahmt, welcher nie mehr ſingt und ſpringt als im
Winter bei dem aller verdammteſten Wetter!

IhrJean Paul Fr. Richter20
520. An Johannes von Müller in Kaſſel.

Einem Manne, der zugleich Gegenſtand und Schöpfer einer
höhern Geſchichte iſt, will ich keine Minute ſeiner Schöpfungszeit
durch einen längern Ausdruck meiner Verehrung für ihn entziehen:25
ſondern ſogleich die Bitte für einen Fremden bringen. Ein junger
großer Philolog, Namens Kanne, eben ſo reich an Sprachen als
an Witz — deſſen nähere Schilderung meine beigelegte Vorrede vor
ſeinem neueſten, Epoche machenden Werke: erſte Urkunden der
Geſchichte oder allgemeine Mythologie
aufſtellt, wahr-30
ſcheinlich auch Ihnen durch ſeine frühern Werke bekannt, ſo wie vom
Miniſter Dohm perſönlich geſchätzt, dieſer iſt jetzt aus unver-
ſchuldetem Geld- und Gönnermangel zum zweiten male öſtreichi-
ſcher gemeiner Soldat geworden. Bis Ende dieſ. ſtand er unter dem
Namen Friedrich Kante im Klebeckſchen Linienregiment bei35
Hauptmann Eschermanns Compagnie in Linz. Als Weſtfälinger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0229" n="213"/>
unter un&#x017F;ern Füßen gräbt und lädt. Ich indeß mache doch meinen alten<lb/>
Spaß in Büchern fort; &#x017F;ogar im Leben wie Sie oft belacht; nur zu-<lb/>
weilen bin ich ern&#x017F;thaft, z. B. wenn ich mein Eichhörnchen auf der<lb/>
linken Ach&#x017F;el in öffentlichen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften &#x017F;itzen habe, oder gar wie<lb/>
neulich, da ich Gevatter &#x017F;tand, in der Ta&#x017F;che &#x017F;tecken. Denn wäre das<lb n="5"/>
Thier, während ich den Pathen auf den Armen hielt, plötzlich heraus<lb/>
und auf die Ach&#x017F;el gekrochen: es hätte uns alle in der heiligen Hand-<lb/>
lung ge&#x017F;tört. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Freuen Sie &#x017F;ich über <hi rendition="#aq">Amanda&#x2019;s</hi> Klarheit und Ruhe; i&#x017F;t nur Güte<lb/>
des Herzens da, &#x017F;o braucht es keinen empfind&#x017F;amen Sturm und<lb n="10"/>
Drang de&#x017F;&#x017F;elben, der zwar anfänglich am Mädchen gefällt aber in<lb/>
der Ehe das Doppel-Glück wegweht. Ich grüße &#x017F;ie herzlich.</p><lb/>
        <p>Meinen Dank an Ihre wolwollende <hi rendition="#aq">Antonie;</hi> ich &#x017F;ehne mich recht<lb/>
nach ihrer Er&#x017F;cheinung wie nach Ihrer und freue mich auf Pfing&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Ich grüße Ihren Gatten und drei <hi rendition="#aq">Heims</hi> und <hi rendition="#aq">Panzerbieter.</hi><lb n="15"/>
</p>
        <p>Es geh&#x2019; euch allen wol und jeder ahme mich nach, der wieder den<lb/>
Zaunkönig nachahmt, welcher nie mehr &#x017F;ingt und &#x017F;pringt als im<lb/>
Winter bei dem aller verdammte&#x017F;ten Wetter!</p><lb/>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right">IhrJean Paul Fr. Richter</hi> <lb n="20"/>
          </salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>520. An <hi rendition="#g">Johannes von Müller in Ka&#x017F;&#x017F;el.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Bayreuth d. 28. Apr.</hi> 1808</hi> </dateline><lb/>
        <p>Einem Manne, der zugleich Gegen&#x017F;tand und Schöpfer einer<lb/>
höhern Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t, will ich keine Minute &#x017F;einer Schöpfungszeit<lb/>
durch einen längern Ausdruck meiner Verehrung für ihn entziehen:<lb n="25"/>
&#x017F;ondern &#x017F;ogleich die Bitte für einen Fremden bringen. Ein junger<lb/>
großer Philolog, Namens <hi rendition="#aq">Kanne,</hi> eben &#x017F;o reich an Sprachen als<lb/>
an Witz &#x2014; de&#x017F;&#x017F;en nähere Schilderung meine beigelegte Vorrede vor<lb/>
&#x017F;einem neue&#x017F;ten, Epoche machenden Werke: <hi rendition="#g">er&#x017F;te Urkunden der<lb/>
Ge&#x017F;chichte oder allgemeine Mythologie</hi> auf&#x017F;tellt, wahr-<lb n="30"/>
&#x017F;cheinlich auch Ihnen durch &#x017F;eine frühern Werke bekannt, &#x017F;o wie vom<lb/>
Mini&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Dohm</hi> per&#x017F;önlich ge&#x017F;chätzt, die&#x017F;er i&#x017F;t jetzt aus unver-<lb/>
&#x017F;chuldetem Geld- und Gönnermangel zum <hi rendition="#g">zweiten</hi> male ö&#x017F;treichi-<lb/>
&#x017F;cher gemeiner Soldat geworden. Bis Ende die&#x017F;. &#x017F;tand er unter dem<lb/>
Namen Friedrich <hi rendition="#g">Kante</hi> im Klebeck&#x017F;chen Linienregiment bei<lb n="35"/>
Hauptmann <hi rendition="#aq">Eschermanns Compagnie</hi> in Linz. Als We&#x017F;tfälinger<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0229] unter unſern Füßen gräbt und lädt. Ich indeß mache doch meinen alten Spaß in Büchern fort; ſogar im Leben wie Sie oft belacht; nur zu- weilen bin ich ernſthaft, z. B. wenn ich mein Eichhörnchen auf der linken Achſel in öffentlichen Geſellſchaften ſitzen habe, oder gar wie neulich, da ich Gevatter ſtand, in der Taſche ſtecken. Denn wäre das 5 Thier, während ich den Pathen auf den Armen hielt, plötzlich heraus und auf die Achſel gekrochen: es hätte uns alle in der heiligen Hand- lung geſtört. — — Freuen Sie ſich über Amanda’s Klarheit und Ruhe; iſt nur Güte des Herzens da, ſo braucht es keinen empfindſamen Sturm und 10 Drang deſſelben, der zwar anfänglich am Mädchen gefällt aber in der Ehe das Doppel-Glück wegweht. Ich grüße ſie herzlich. Meinen Dank an Ihre wolwollende Antonie; ich ſehne mich recht nach ihrer Erſcheinung wie nach Ihrer und freue mich auf Pfingſten. Ich grüße Ihren Gatten und drei Heims und Panzerbieter. 15 Es geh’ euch allen wol und jeder ahme mich nach, der wieder den Zaunkönig nachahmt, welcher nie mehr ſingt und ſpringt als im Winter bei dem aller verdammteſten Wetter! IhrJean Paul Fr. Richter 20 520. An Johannes von Müller in Kaſſel. Bayreuth d. 28. Apr. 1808 Einem Manne, der zugleich Gegenſtand und Schöpfer einer höhern Geſchichte iſt, will ich keine Minute ſeiner Schöpfungszeit durch einen längern Ausdruck meiner Verehrung für ihn entziehen: 25 ſondern ſogleich die Bitte für einen Fremden bringen. Ein junger großer Philolog, Namens Kanne, eben ſo reich an Sprachen als an Witz — deſſen nähere Schilderung meine beigelegte Vorrede vor ſeinem neueſten, Epoche machenden Werke: erſte Urkunden der Geſchichte oder allgemeine Mythologie aufſtellt, wahr- 30 ſcheinlich auch Ihnen durch ſeine frühern Werke bekannt, ſo wie vom Miniſter Dohm perſönlich geſchätzt, dieſer iſt jetzt aus unver- ſchuldetem Geld- und Gönnermangel zum zweiten male öſtreichi- ſcher gemeiner Soldat geworden. Bis Ende dieſ. ſtand er unter dem Namen Friedrich Kante im Klebeckſchen Linienregiment bei 35 Hauptmann Eschermanns Compagnie in Linz. Als Weſtfälinger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:13:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:13:57Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/229
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/229>, abgerufen am 27.11.2024.