von ihr gibt -- und mit Freude über die vorigen Blüten und jetzigen Früchte, wiewol der Mensch wie eine Orangerie bei allen Früchten noch Blüten zu neuen trägt. Wie gesagt, wie manche Autoren sich herunterschreiben, so haben Sie sich hinaufgeschrieben und Ihr Schreibpult war Ihre Universität. Auch sonst that mir dieses schöne5 Zurückführen in die freudigen Gegenden meines Lebens so wol! Ich wollt' ich bekäme mehr!
R.
401. An Goldmann, stud. theol. in Göttingen.
[Kopie]
[Bayreuth, 19. Sept. 1807]10
Ihr Brief hat mich sehr erfreuet, zumal da ich dessen Frage, ob Sie ein Dichter sind, bejahen darf -- Klopstockianismen -- Seinem Geschlechtsnamen entsprechen, da Gold den Apollo bezeichnet -- Sie sollen Ihre Lyrik nicht abschwächen und platt prägen durch den Jugendausdruck derselben, es sei in Versen oder Briefen, ja Predig-15 ten. Heben Sie die ganze poetische Innigkeit im Herzen wie einen Wolgeruch im Krystallgefäß wol verspündet auf, wie ich that, der ich mir vorsetzte, erst im 30ten Jahr meine romantische Lyrik zu geben und vorher nur durch die Satire sie zu erhalten und vorzu- bereiten. Eine volle Seele kann über denselben Gegenstand nur einmal20 am vollsten [sich] ergiessen, dann geht es seichter, sie bettelt zuletzt bei der Ebbe -- Die andern Wissenschaften sind Zuleiter (eigentlich Wärme- und Lichtsammler) Ihrer Lyrik -- Geben Sie sich nicht zu sehr Klopstock hin und überhaupt keinem einzelnen Dichter, sondernallen tüchtigen und jedem auf lange Zeit.25
402. An Assessor Krause in Bayreuth.
[Kopie]
[Bayreuth, 19. (?) Sept. 1807]
Zauber-Dudelsack (Zauberflöte von schlechten Spielern), der Bärenführer und Bären spielten das Übrige. Nur der Satan kann Ihnen souflieren, mir das verhaßte politische Journal zu schicken,30 das ich gar nicht lesen mag, aber doch lesen muß, blos weil die Rabenbestie bei mir horstet. Die Metapher ist von Höhen her- genommen.
von ihr gibt — und mit Freude über die vorigen Blüten und jetzigen Früchte, wiewol der Menſch wie eine Orangerie bei allen Früchten noch Blüten zu neuen trägt. Wie geſagt, wie manche Autoren ſich herunterſchreiben, ſo haben Sie ſich hinaufgeſchrieben und Ihr Schreibpult war Ihre Univerſität. Auch ſonſt that mir dieſes ſchöne5 Zurückführen in die freudigen Gegenden meines Lebens ſo wol! Ich wollt’ ich bekäme mehr!
R.
401. An Goldmann, stud. theol. in Göttingen.
[Kopie]
[Bayreuth, 19. Sept. 1807]10
Ihr Brief hat mich ſehr erfreuet, zumal da ich deſſen Frage, ob Sie ein Dichter ſind, bejahen darf — Klopſtockianiſmen — Seinem Geſchlechtsnamen entſprechen, da Gold den Apollo bezeichnet — Sie ſollen Ihre Lyrik nicht abſchwächen und platt prägen durch den Jugendausdruck derſelben, es ſei in Verſen oder Briefen, ja Predig-15 ten. Heben Sie die ganze poetiſche Innigkeit im Herzen wie einen Wolgeruch im Kryſtallgefäß wol verſpündet auf, wie ich that, der ich mir vorſetzte, erſt im 30ten Jahr meine romantiſche Lyrik zu geben und vorher nur durch die Satire ſie zu erhalten und vorzu- bereiten. Eine volle Seele kann über denſelben Gegenſtand nur einmal20 am vollſten [ſich] ergieſſen, dann geht es ſeichter, ſie bettelt zuletzt bei der Ebbe — Die andern Wiſſenſchaften ſind Zuleiter (eigentlich Wärme- und Lichtſammler) Ihrer Lyrik — Geben Sie ſich nicht zu ſehr Klopſtock hin und überhaupt keinem einzelnen Dichter, ſondernallen tüchtigen und jedem auf lange Zeit.25
402. An Aſſeſſor Krauſe in Bayreuth.
[Kopie]
[Bayreuth, 19. (?) Sept. 1807]
Zauber-Dudelſack (Zauberflöte von ſchlechten Spielern), der Bärenführer und Bären ſpielten das Übrige. Nur der Satan kann Ihnen ſouflieren, mir das verhaßte politiſche Journal zu ſchicken,30 das ich gar nicht leſen mag, aber doch leſen muß, blos weil die Rabenbeſtie bei mir horſtet. Die Metapher iſt von Höhen her- genommen.
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von ihr gibt — und mit Freude über die vorigen Blüten und jetzigen
Früchte, wiewol der Menſch wie eine Orangerie bei allen Früchten
noch Blüten zu neuen trägt. Wie geſagt, wie manche Autoren ſich
herunterſchreiben, ſo haben Sie ſich hinaufgeſchrieben und Ihr
Schreibpult war Ihre Univerſität. Auch ſonſt that mir dieſes ſchöne 5
Zurückführen in die freudigen Gegenden meines Lebens ſo wol! Ich
wollt’ ich bekäme mehr!
R.
401. An Goldmann, stud. theol. in Göttingen.
[Kopie][Bayreuth, 19. Sept. 1807] 10
Ihr Brief hat mich ſehr erfreuet, zumal da ich deſſen Frage, ob
Sie ein Dichter ſind, bejahen darf — Klopſtockianiſmen — Seinem
Geſchlechtsnamen entſprechen, da Gold den Apollo bezeichnet — Sie
ſollen Ihre Lyrik nicht abſchwächen und platt prägen durch den
Jugendausdruck derſelben, es ſei in Verſen oder Briefen, ja Predig- 15
ten. Heben Sie die ganze poetiſche Innigkeit im Herzen wie einen
Wolgeruch im Kryſtallgefäß wol verſpündet auf, wie ich that, der
ich mir vorſetzte, erſt im 30ten Jahr meine romantiſche Lyrik zu
geben und vorher nur durch die Satire ſie zu erhalten und vorzu-
bereiten. Eine volle Seele kann über denſelben Gegenſtand nur einmal 20
am vollſten [ſich] ergieſſen, dann geht es ſeichter, ſie bettelt zuletzt bei
der Ebbe — Die andern Wiſſenſchaften ſind Zuleiter (eigentlich
Wärme- und Lichtſammler) Ihrer Lyrik — Geben Sie ſich nicht zu
ſehr Klopſtock hin und überhaupt keinem einzelnen Dichter, ſondernallen tüchtigen und jedem auf lange Zeit. 25
402. An Aſſeſſor Krauſe in Bayreuth.
[Kopie][Bayreuth, 19. (?) Sept. 1807]
Zauber-Dudelſack (Zauberflöte von ſchlechten Spielern), der
Bärenführer und Bären ſpielten das Übrige. Nur der Satan kann
Ihnen ſouflieren, mir das verhaßte politiſche Journal zu ſchicken, 30
das ich gar nicht leſen mag, aber doch leſen muß, blos weil die
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/181>, abgerufen am 17.02.2025.
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