Über Sturz S. 15 irrest du; denn er zeichnete mit engländischer Ansicht die bureaux d'esprit der damaligen Pariser Witz-Direk- tricen, und überhaupt die damaligen Dichter und Maler so giftig, als nur ein Engländer versucht hätte. Und gegen dich -- wer hat denn der Sevigne's, Maintenon's etc. Briefe und Rousseau's Confes-5 sions herausgegeben als Franzosen -- und wer hat denn in England Pope's, Swifts Briefe bei Lebzeiten ediert als Engländer? Folg- lich thust du den Deutschen mit deinem parziellen Vorwurf Unrecht.
Ich wollte noch -- du siehst es aus dem Quartbogen -- etwas über Schellings copulaschriftlich sprechen; (in seinem neuesten10 Zusatz der Weltseele "über das Verhältniß des Realen und Idealen", worin er deine ironische und logische copula wirklich als ernstes, festes Milchstraßen-Band, kurz als copula spiritualis des Univer- sums keck durchwebt .......); aber leider könnt' es der Fall sein, daß ich mündlich sprechen müßte. Ich weiß, daß ich morgen fortfahre15 und fortschreibe und setze also heute schon hin
d. 15 August
Ich schreibe heitrer als ich bin. Die Welt-Atropos, der Krieg, drückt wieder die Scheere zu. Ich thue also, lieber Bruder, die Bitte des vorigen Jahres an dich mit Vertrauen deiner Nachsicht; nämlich20 die um die Nachricht, ob ich mit meiner Familie im übersetzten München ein schlechtes Quartier bekommen kann, oder ob ich nicht (um meiner Familie lieber den Zug zu ersparen) vom Könige einen Freibrief von der Einquartierung erbitten kann und unter welcher Form. Deine zweite Güte wäre die größte Schnelligkeit der Antwort,25 die du mir ja durch Andre geben kannst. Dasselbe gälte auch, würde Bayreuth blos vertauscht, da die Einquartierung dieselbe ist. Es wäre sogar die Frage, ob man ohne baierischen Paß nur durch Baiern könnte. Habe Dank für deine Erfüllung der neulichen Bitte. Lebe wol, verzeih' den gestrigen Brief und stehe mir bei, Heinrich!30
Dein J. P. F. Richter
234. An Mahlmann.
Bayreuth d. 16. Aug. 1806
Mein guter Mahlmann! Der 15te August -- nach der alten Sage35 wurde der Teufel am ersten August vom Himmel geworfen auf
Über Sturz S. 15 irreſt du; denn er zeichnete mit engländiſcher Anſicht die bureaux d’esprit der damaligen Pariſer Witz-Direk- tricen, und überhaupt die damaligen Dichter und Maler ſo giftig, als nur ein Engländer verſucht hätte. Und gegen dich — wer hat denn der Sevigné’s, Maintenon’s ꝛc. Briefe und Rouſſeau’s Confes-5 sions herausgegeben als Franzoſen — und wer hat denn in England Pope’s, Swifts Briefe bei Lebzeiten ediert als Engländer? Folg- lich thuſt du den Deutſchen mit deinem parziellen Vorwurf Unrecht.
Ich wollte noch — du ſiehſt es aus dem Quartbogen — etwas über Schellings copulaſchriftlich ſprechen; (in ſeinem neueſten10 Zuſatz der Weltſeele „über das Verhältniß des Realen und Idealen“, worin er deine ironiſche und logiſche copula wirklich als ernſtes, feſtes Milchſtraßen-Band, kurz als copula spiritualis des Univer- ſums keck durchwebt .......); aber leider könnt’ es der Fall ſein, daß ich mündlich ſprechen müßte. Ich weiß, daß ich morgen fortfahre15 und fortſchreibe und ſetze alſo heute ſchon hin
d. 15 Auguſt
Ich ſchreibe heitrer als ich bin. Die Welt-Atropos, der Krieg, drückt wieder die Scheere zu. Ich thue alſo, lieber Bruder, die Bitte des vorigen Jahres an dich mit Vertrauen deiner Nachſicht; nämlich20 die um die Nachricht, ob ich mit meiner Familie im überſetzten München ein ſchlechtes Quartier bekommen kann, oder ob ich nicht (um meiner Familie lieber den Zug zu erſparen) vom Könige einen Freibrief von der Einquartierung erbitten kann und unter welcher Form. Deine zweite Güte wäre die größte Schnelligkeit der Antwort,25 die du mir ja durch Andre geben kannſt. Daſſelbe gälte auch, würde Bayreuth blos vertauſcht, da die Einquartierung dieſelbe iſt. Es wäre ſogar die Frage, ob man ohne baieriſchen Paß nur durch Baiern könnte. Habe Dank für deine Erfüllung der neulichen Bitte. Lebe wol, verzeih’ den geſtrigen Brief und ſtehe mir bei, Heinrich!30
Dein J. P. F. Richter
234. An Mahlmann.
Bayreuth d. 16. Aug. 1806
Mein guter Mahlmann! Der 15te Auguſt — nach der alten Sage35 wurde der Teufel am erſten Auguſt vom Himmel geworfen auf
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sions herausgegeben als Franzoſen — und wer hat denn in England
Pope’s, Swifts Briefe bei Lebzeiten ediert als Engländer? Folg-
lich thuſt du den Deutſchen mit deinem parziellen Vorwurf Unrecht.
Ich wollte noch — du ſiehſt es aus dem Quartbogen — etwas
über Schellings copula ſchriftlich ſprechen; (in ſeinem neueſten 10
Zuſatz der Weltſeele „über das Verhältniß des Realen und Idealen“,
worin er deine ironiſche und logiſche copula wirklich als ernſtes,
feſtes Milchſtraßen-Band, kurz als copula spiritualis des Univer-
ſums keck durchwebt .......); aber leider könnt’ es der Fall ſein, daß
ich mündlich ſprechen müßte. Ich weiß, daß ich morgen fortfahre 15
und fortſchreibe und ſetze alſo heute ſchon hin
d. 15 Auguſt
Ich ſchreibe heitrer als ich bin. Die Welt-Atropos, der Krieg,
drückt wieder die Scheere zu. Ich thue alſo, lieber Bruder, die Bitte
des vorigen Jahres an dich mit Vertrauen deiner Nachſicht; nämlich 20
die um die Nachricht, ob ich mit meiner Familie im überſetzten
München ein ſchlechtes Quartier bekommen kann, oder ob ich nicht
(um meiner Familie lieber den Zug zu erſparen) vom Könige einen
Freibrief von der Einquartierung erbitten kann und unter welcher
Form. Deine zweite Güte wäre die größte Schnelligkeit der Antwort, 25
die du mir ja durch Andre geben kannſt. Daſſelbe gälte auch, würde
Bayreuth blos vertauſcht, da die Einquartierung dieſelbe iſt. Es
wäre ſogar die Frage, ob man ohne baieriſchen Paß nur durch
Baiern könnte. Habe Dank für deine Erfüllung der neulichen Bitte.
Lebe wol, verzeih’ den geſtrigen Brief und ſtehe mir bei, Heinrich! 30
Dein
J. P. F. Richter
234. An Mahlmann.
Bayreuth d. 16. Aug. 1806
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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/115>, abgerufen am 16.02.2025.
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