lauter Blütenzweigen hingezogen gedacht. Ich glaube zum Glück wenig an Aerzte, nämlich an beste sogar, und heile, so wie mich ohnehin, meistens meine Kinder ohne einen. So wie Sie lebten und vollends leben, ist mir Ihre Krankheit unbegreiflich und unmöglich ihr Wachsen.5
Mit einem wiederholten Vergnügen las ich den köstlichen Anfang Ihrer "Maler" neulich wieder im Frauen-Journal. Ich ersuche Sie meinet- und meiner Frau wegen, mir das Buch sogleich nach dem Abdruck auf 14 Tage zu leihen.
In jedem Falle ist Ihr erster Titel "Briefe aus dem Liebensteiner10 Bade", sobald vollends ein Beiwort ("ästhetische, philosophische, romantische" -- was weiß ich, da ich den Inhalt noch nicht kenne) dazu kommt, besser als jener wasser-ebene "Reisen eines Menschen". Je individueller, je besser. Hätt' ich das Buch gelesen, so wollt' ich Ihnen 10 der seltsamsten Titel zur Auswahl zufertigen.15
Ich war nie so froh als über diese Ostermesse, blos weil ich endlich einmal nicht da verkaufe oder verkauft werde. Aber zur Michaelis- Messe erscheint meine Erziehungslehre bei Vieweg in 2 Bändchen -- ein Werk langer Anstrengungen.
Ich bin gegen meine und fremde Manuskripte strenger als gegen20 deren Abdrücke -- vielleicht weil diese nun versteinern gegen jede Verbesserung; daher wundere ich mich, wenn ich jetzt gedruckte Proben aus Ihren Büchern lese, daß ich sie nicht noch weit mehr gelobt.
Mich und meine Frau würde eine Einfahrt ins gutmüthige freund-25 liche Meiningen, dem wir so schöne Stunden und Menschen ver- danken, innigst erquicken; und kommen wird diese Erquickung; nur hat das Schicksal sie noch nicht datiert.
Nach Gotha wollt' ich nie ziehen, nur flüchten. Der Herzog handelt doch nicht immer so, wie er sollte; er mag denn herrschen und spaßen!30
Meinen alten herrlichen geistigen Vulkanisten -- der nur in der geologischen Theorie ein Neptunist ist --, den Präsidenten Heim, sollen Sie mir vor allen grüßen und ihm so viele schöne Tage wün- schen, als er aufbrausende hat. Welcher Gewinn für die Welt, wär' er 20 Jahr alt! Und dann grüßen Sie mir auch etc. Leben Sie recht35 wol!
J. P. F. Richter
lauter Blütenzweigen hingezogen gedacht. Ich glaube zum Glück wenig an Aerzte, nämlich an beſte ſogar, und heile, ſo wie mich ohnehin, meiſtens meine Kinder ohne einen. So wie Sie lebten und vollends leben, iſt mir Ihre Krankheit unbegreiflich und unmöglich ihr Wachſen.5
Mit einem wiederholten Vergnügen las ich den köſtlichen Anfang Ihrer „Maler“ neulich wieder im Frauen-Journal. Ich erſuche Sie meinet- und meiner Frau wegen, mir das Buch ſogleich nach dem Abdruck auf 14 Tage zu leihen.
In jedem Falle iſt Ihr erſter Titel „Briefe aus dem Liebenſteiner10 Bade“, ſobald vollends ein Beiwort („äſthetiſche, philoſophiſche, romantiſche“ — was weiß ich, da ich den Inhalt noch nicht kenne) dazu kommt, beſſer als jener waſſer-ebene „Reiſen eines Menſchen“. Je individueller, je beſſer. Hätt’ ich das Buch geleſen, ſo wollt’ ich Ihnen 10 der ſeltſamſten Titel zur Auswahl zufertigen.15
Ich war nie ſo froh als über dieſe Oſtermeſſe, blos weil ich endlich einmal nicht da verkaufe oder verkauft werde. Aber zur Michaelis- Meſſe erſcheint meine Erziehungslehre bei Vieweg in 2 Bändchen — ein Werk langer Anſtrengungen.
Ich bin gegen meine und fremde Manuſkripte ſtrenger als gegen20 deren Abdrücke — vielleicht weil dieſe nun verſteinern gegen jede Verbeſſerung; daher wundere ich mich, wenn ich jetzt gedruckte Proben aus Ihren Büchern leſe, daß ich ſie nicht noch weit mehr gelobt.
Mich und meine Frau würde eine Einfahrt ins gutmüthige freund-25 liche Meiningen, dem wir ſo ſchöne Stunden und Menſchen ver- danken, innigſt erquicken; und kommen wird dieſe Erquickung; nur hat das Schickſal ſie noch nicht datiert.
Nach Gotha wollt’ ich nie ziehen, nur flüchten. Der Herzog handelt doch nicht immer ſo, wie er ſollte; er mag denn herrſchen und ſpaßen!30
Meinen alten herrlichen geiſtigen Vulkaniſten — der nur in der geologiſchen Theorie ein Neptuniſt iſt —, den Präſidenten Heim, ſollen Sie mir vor allen grüßen und ihm ſo viele ſchöne Tage wün- ſchen, als er aufbrauſende hat. Welcher Gewinn für die Welt, wär’ er 20 Jahr alt! Und dann grüßen Sie mir auch ꝛc. Leben Sie recht35 wol!
J. P. F. Richter
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lauter Blütenzweigen hingezogen gedacht. Ich glaube zum Glück
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vollends leben, iſt mir Ihre Krankheit unbegreiflich und unmöglich
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Mit einem wiederholten Vergnügen las ich den köſtlichen Anfang
Ihrer „Maler“ neulich wieder im Frauen-Journal. Ich erſuche
Sie meinet- und meiner Frau wegen, mir das Buch ſogleich nach
dem Abdruck auf 14 Tage zu leihen.
In jedem Falle iſt Ihr erſter Titel „Briefe aus dem Liebenſteiner 10
Bade“, ſobald vollends ein Beiwort („äſthetiſche, philoſophiſche,
romantiſche“ — was weiß ich, da ich den Inhalt noch nicht kenne)
dazu kommt, beſſer als jener waſſer-ebene „Reiſen eines Menſchen“.
Je individueller, je beſſer. Hätt’ ich das Buch geleſen, ſo wollt’ ich
Ihnen 10 der ſeltſamſten Titel zur Auswahl zufertigen. 15
Ich war nie ſo froh als über dieſe Oſtermeſſe, blos weil ich endlich
einmal nicht da verkaufe oder verkauft werde. Aber zur Michaelis-
Meſſe erſcheint meine Erziehungslehre bei Vieweg in 2 Bändchen —
ein Werk langer Anſtrengungen.
Ich bin gegen meine und fremde Manuſkripte ſtrenger als gegen 20
deren Abdrücke — vielleicht weil dieſe nun verſteinern gegen jede
Verbeſſerung; daher wundere ich mich, wenn ich jetzt gedruckte
Proben aus Ihren Büchern leſe, daß ich ſie nicht noch weit mehr
gelobt.
Mich und meine Frau würde eine Einfahrt ins gutmüthige freund- 25
liche Meiningen, dem wir ſo ſchöne Stunden und Menſchen ver-
danken, innigſt erquicken; und kommen wird dieſe Erquickung; nur
hat das Schickſal ſie noch nicht datiert.
Nach Gotha wollt’ ich nie ziehen, nur flüchten. Der Herzog handelt
doch nicht immer ſo, wie er ſollte; er mag denn herrſchen und ſpaßen! 30
Meinen alten herrlichen geiſtigen Vulkaniſten — der nur in der
geologiſchen Theorie ein Neptuniſt iſt —, den Präſidenten Heim,
ſollen Sie mir vor allen grüßen und ihm ſo viele ſchöne Tage wün-
ſchen, als er aufbrauſende hat. Welcher Gewinn für die Welt, wär’
er 20 Jahr alt! Und dann grüßen Sie mir auch ꝛc. Leben Sie recht 35
wol!
J. P. F. Richter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:13:57Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 5. Berlin, 1961, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe05_1961/105>, abgerufen am 16.02.2025.
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