Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.brächte; aber nur jenen hab' ich erlebt. -- Was hier den Brief- Eben wurd' ich durch Theegeselschaft bei mir gehindert. -- Gleim *) Sende ihn gleich wieder ohne die andern.
brächte; aber nur jenen hab’ ich erlebt. — Was hier den Brief- Eben wurd’ ich durch Theegeſelſchaft bei mir gehindert. — Gleim *) Sende ihn gleich wieder ohne die andern.
<TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0099" n="93"/> brächte; aber nur jenen hab’ ich erlebt. — Was hier den Brief-<lb/> wechſel verſüſſet und erleichtert, iſt daß er wenig zu tragen hat;<lb/> was kan ich hier erleben als das was ich erleben laſſe, nämlich meine<lb/> Schreib-Szenen? — Jezt könt’ ich, ohne Ungeſtüm, nicht in deinem<lb/> Falle ſein; früher war ich in manchen noch ſchlimmern. Ich knirſchte<lb n="5"/> zu ſehr <hi rendition="#aq">à la Giannozzo.</hi> — Samuels neues Betragen und Schreiben<lb/> gefält mir; mehr aber geben kan ich nicht; ich wil endlich, ſo oft be-<lb/> trogen, ſparen, wenigſtens für meine <hi rendition="#aq">C.,</hi> die ich lieber mit ihrem<lb/> zweiten Namen, <hi rendition="#aq">Leopoldine</hi> nennen ſolte. Sie hat — was ich von<lb/> keiner weiblichen Seele weiter ſagen kan — <hi rendition="#g">gar keinen morali-<lb n="10"/> ſchen</hi> Fet- oder Roſtflecken; ich habe alſo, zumal da ſie eben ſo ſehr die<lb/> Liebe (Aufopferung) ſelber iſt als die Tugend, alles von und an ihr,<lb/> was der Eigenſin nur wil. Das beſſert mich. Sie fehlt blos mit der<lb/> Phantaſie oder dem Verſtande, hat zuviel poetiſche Trunkenheit und<lb/> gutmüthige Vorausſezung. Aber mein kleinſtes Bereden — nicht Be-<lb n="15"/> zanken — drükt ſie ſchon zu ſehr. Noch immer bin ich ihr ein <hi rendition="#aq">J. P.,</hi><note place="right"><ref target="1922_Bd4_106">[106]</ref></note><lb/> nicht <hi rendition="#aq">R.</hi> Und ſie lieb’ ich in der Ehe blos romantiſcher, heiſſer, ewiger<lb/> als vorher. —</p><lb/> <p>Eben wurd’ ich durch Theegeſelſchaft bei mir gehindert. — <hi rendition="#aq">Gleim</hi><lb/> ſchikte mir ein Silberſchreibzeug mit Verſen, die ſtat des <hi rendition="#aq">Giannozzo</hi><lb n="20"/> mehr Liebe begehren. — <hi rendition="#aq">Herders</hi> beiliegender Brief <note place="foot" n="*)">Sende ihn gleich wieder ohne die andern.</note> war eine<lb/> grüne Anhöhe vol herabrinnender Quellen; ich kam ohne Hofnung der<lb/> alten Liebe zu ihm — wegen meines Umgangs mit den Schlegeliſten<lb/> — und erhielt eine wärmere, am meiſten durch meine Frau. — Der<lb/> Herzog war einmal hier, ich muſte Mittags und Abends bei ihm eſſen<lb n="25"/> und er wird mich immer angeln wollen; er hat viel Sin und Kentnis<lb/> und Güte; aber — und hier niemand — keine Poeſie und Philoſophie;<lb/> indes iſt doch hier nicht rohe Kanzlei- oder Komtoir-Verbildung wie<lb/> in <hi rendition="#aq">Bayreuth</hi> und <hi rendition="#aq">H[of].</hi> — Schreibe mir doch über die Rudolſtädter<lb/> Konkursmaſſa, damit ich mich wenigſtens von Monat zu Monat<lb n="30"/> bezahlen laſſe. — <hi rendition="#aq">Amönens</hi> trefliche Verſion — ſo weit ſie ſich aus<lb/> ſich ſelber erklärt — hab’ ich an niemand geſchikt, weil Monats-<lb/> ſchriften für Verſionen nichts geben und weil die oſſianiſchen ſchon<lb/> viel zu oft da waren — einen Theil darin noch dazu abgerechnet, den<lb/> ſchon Göthe im <hi rendition="#aq">Werther</hi> überſezte. — Aber bringe ihre gute recht<lb n="35"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [93/0099]
brächte; aber nur jenen hab’ ich erlebt. — Was hier den Brief-
wechſel verſüſſet und erleichtert, iſt daß er wenig zu tragen hat;
was kan ich hier erleben als das was ich erleben laſſe, nämlich meine
Schreib-Szenen? — Jezt könt’ ich, ohne Ungeſtüm, nicht in deinem
Falle ſein; früher war ich in manchen noch ſchlimmern. Ich knirſchte 5
zu ſehr à la Giannozzo. — Samuels neues Betragen und Schreiben
gefält mir; mehr aber geben kan ich nicht; ich wil endlich, ſo oft be-
trogen, ſparen, wenigſtens für meine C., die ich lieber mit ihrem
zweiten Namen, Leopoldine nennen ſolte. Sie hat — was ich von
keiner weiblichen Seele weiter ſagen kan — gar keinen morali- 10
ſchen Fet- oder Roſtflecken; ich habe alſo, zumal da ſie eben ſo ſehr die
Liebe (Aufopferung) ſelber iſt als die Tugend, alles von und an ihr,
was der Eigenſin nur wil. Das beſſert mich. Sie fehlt blos mit der
Phantaſie oder dem Verſtande, hat zuviel poetiſche Trunkenheit und
gutmüthige Vorausſezung. Aber mein kleinſtes Bereden — nicht Be- 15
zanken — drükt ſie ſchon zu ſehr. Noch immer bin ich ihr ein J. P.,
nicht R. Und ſie lieb’ ich in der Ehe blos romantiſcher, heiſſer, ewiger
als vorher. —
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Eben wurd’ ich durch Theegeſelſchaft bei mir gehindert. — Gleim
ſchikte mir ein Silberſchreibzeug mit Verſen, die ſtat des Giannozzo 20
mehr Liebe begehren. — Herders beiliegender Brief *) war eine
grüne Anhöhe vol herabrinnender Quellen; ich kam ohne Hofnung der
alten Liebe zu ihm — wegen meines Umgangs mit den Schlegeliſten
— und erhielt eine wärmere, am meiſten durch meine Frau. — Der
Herzog war einmal hier, ich muſte Mittags und Abends bei ihm eſſen 25
und er wird mich immer angeln wollen; er hat viel Sin und Kentnis
und Güte; aber — und hier niemand — keine Poeſie und Philoſophie;
indes iſt doch hier nicht rohe Kanzlei- oder Komtoir-Verbildung wie
in Bayreuth und H[of]. — Schreibe mir doch über die Rudolſtädter
Konkursmaſſa, damit ich mich wenigſtens von Monat zu Monat 30
bezahlen laſſe. — Amönens trefliche Verſion — ſo weit ſie ſich aus
ſich ſelber erklärt — hab’ ich an niemand geſchikt, weil Monats-
ſchriften für Verſionen nichts geben und weil die oſſianiſchen ſchon
viel zu oft da waren — einen Theil darin noch dazu abgerechnet, den
ſchon Göthe im Werther überſezte. — Aber bringe ihre gute recht 35
*) Sende ihn gleich wieder ohne die andern.
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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