und seeligste Seeligkeit zu schildern -- den beglückenden Abstand des Ehemannes vom Bräutigam (gerade so gros wie der meiner Frau von ihrer Schwester S[pazier] in Leipzig) -- das Eintreffen so alter, so oft gestorbner Wünsche -- und das stäte Fortleuchten einer unbe- flekten sonnenwarmen Seele -- und mehr dergleichen, das überlass'5 ich der guten Hähndrich, wenn sie es weis; ich habe zu wenig Plaz.
Was aber diese anlangt -- die ich ohne dein Definitiv-Lob mit mehr Irthümern beurtheilt hätte --: so habe Dank für das Lob, das ich gern unterschreibe; die reichen Flügel ihrer Seele machen nirgends viel Wind, jungfräulich-besonnen, tragend, ruhig und frohsinnig10 steht sie da, mehr errathend als errathen, und eben so fest als sanft.
Hast du über die vorsprudelnde Schlabrendorf einige Irthümer, wie ich fast glaube: so nehme die Hähndrich sie dir.
Mir gefält dein Gefallen am Klagelied, ob ich gleich die Neujahrs- vision vorziehe. Unendlich sehnsüchtig bin ich nach deinen Taxazionen15 des Titans; und ich bitte dich, sie mir -- gegen Wiedergabe -- samt allen nahen andern Rezensionen von dir in der Fama zu schicken auf 1 Tag. Ich ändere mich immerfort; und doch werd' ich bald ein Werk geben, das den Siebenkäs und Fixlein verknüpft, repetiert und übersteigt.20
d. 11. [!] Jul.
Wie wird deinen Schultern das schwere Waaren-Leipzig? -- Mein Meiningen, wo die Übel des Dorfs und der kleinen Stadt zugleich entfliehen, könt' ich nur gegen die gröste vertauschen. -- Bei dem König von Preussen hab ich mir die Hofnung eines Kanonikats er-25 schrieben durch meine vornehme prätorian[ische] Kohorte *) daselbst. -- Gleim sandte mir ein silbernes Schreibzeug wie die Königin ein dito Theezeug.
-- Herlich wärs, wenn du aus deinen Angeln einmal zu heben und hieher zu wälzen wärest. Was du im Geld einsaugenden Leipzig thust,30 fass ich nicht.
[101] Bei Giannozzo hoff ich machst du nicht seinen Karakter ganz zu meinem, obgleich eine grosse Stadt -- wie Paris Rousseau -- leicht bitter macht und den Werth der (Menschen-)Waare durch Überflus herabsezt. --35
*) die Königin, ihren Bruder, den Minister von Alvensleben u. a.
und ſeeligſte Seeligkeit zu ſchildern — den beglückenden Abſtand des Ehemannes vom Bräutigam (gerade ſo gros wie der meiner Frau von ihrer Schweſter S[pazier] in Leipzig) — das Eintreffen ſo alter, ſo oft geſtorbner Wünſche — und das ſtäte Fortleuchten einer unbe- flekten ſonnenwarmen Seele — und mehr dergleichen, das überlaſſ’5 ich der guten Hähndrich, wenn ſie es weis; ich habe zu wenig Plaz.
Was aber dieſe anlangt — die ich ohne dein Definitiv-Lob mit mehr Irthümern beurtheilt hätte —: ſo habe Dank für das Lob, das ich gern unterſchreibe; die reichen Flügel ihrer Seele machen nirgends viel Wind, jungfräulich-beſonnen, tragend, ruhig und frohſinnig10 ſteht ſie da, mehr errathend als errathen, und eben ſo feſt als ſanft.
Haſt du über die vorſprudelnde Schlabrendorf einige Irthümer, wie ich faſt glaube: ſo nehme die Hähndrich ſie dir.
Mir gefält dein Gefallen am Klagelied, ob ich gleich die Neujahrs- viſion vorziehe. Unendlich ſehnſüchtig bin ich nach deinen Taxazionen15 des Titans; und ich bitte dich, ſie mir — gegen Wiedergabe — ſamt allen nahen andern Rezenſionen von dir in der Fama zu ſchicken auf 1 Tag. Ich ändere mich immerfort; und doch werd’ ich bald ein Werk geben, das den Siebenkäs und Fixlein verknüpft, repetiert und überſteigt.20
d. 11. [!] Jul.
Wie wird deinen Schultern das ſchwere Waaren-Leipzig? — Mein Meiningen, wo die Übel des Dorfs und der kleinen Stadt zugleich entfliehen, könt’ ich nur gegen die gröſte vertauſchen. — Bei dem König von Preuſſen hab ich mir die Hofnung eines Kanonikats er-25 ſchrieben durch meine vornehme prätorian[iſche] Kohorte *) daſelbſt. — Gleim ſandte mir ein ſilbernes Schreibzeug wie die Königin ein dito Theezeug.
— Herlich wärs, wenn du aus deinen Angeln einmal zu heben und hieher zu wälzen wäreſt. Was du im Geld einſaugenden Leipzig thuſt,30 faſſ ich nicht.
[101] Bei Giannozzo hoff ich machſt du nicht ſeinen Karakter ganz zu meinem, obgleich eine groſſe Stadt — wie Paris Rouſſeau — leicht bitter macht und den Werth der (Menſchen-)Waare durch Überflus herabſezt. —35
*) die Königin, ihren Bruder, den Miniſter von Alvensleben u. a.
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ſo oft geſtorbner Wünſche — und das ſtäte Fortleuchten einer unbe-
flekten ſonnenwarmen Seele — und mehr dergleichen, das überlaſſ’ 5
ich der guten Hähndrich, wenn ſie es weis; ich habe zu wenig Plaz.
Was aber dieſe anlangt — die ich ohne dein Definitiv-Lob mit mehr
Irthümern beurtheilt hätte —: ſo habe Dank für das Lob, das ich
gern unterſchreibe; die reichen Flügel ihrer Seele machen nirgends
viel Wind, jungfräulich-beſonnen, tragend, ruhig und frohſinnig 10
ſteht ſie da, mehr errathend als errathen, und eben ſo feſt als ſanft.
Haſt du über die vorſprudelnde Schlabrendorf einige Irthümer,
wie ich faſt glaube: ſo nehme die Hähndrich ſie dir.
Mir gefält dein Gefallen am Klagelied, ob ich gleich die Neujahrs-
viſion vorziehe. Unendlich ſehnſüchtig bin ich nach deinen Taxazionen 15
des Titans; und ich bitte dich, ſie mir — gegen Wiedergabe — ſamt
allen nahen andern Rezenſionen von dir in der Fama zu ſchicken auf
1 Tag. Ich ändere mich immerfort; und doch werd’ ich bald ein Werk
geben, das den Siebenkäs und Fixlein verknüpft, repetiert und
überſteigt. 20
d. 11. [!] Jul.
Wie wird deinen Schultern das ſchwere Waaren-Leipzig? — Mein
Meiningen, wo die Übel des Dorfs und der kleinen Stadt zugleich
entfliehen, könt’ ich nur gegen die gröſte vertauſchen. — Bei dem
König von Preuſſen hab ich mir die Hofnung eines Kanonikats er- 25
ſchrieben durch meine vornehme prätorian[iſche] Kohorte *) daſelbſt.
— Gleim ſandte mir ein ſilbernes Schreibzeug wie die Königin ein
dito Theezeug.
— Herlich wärs, wenn du aus deinen Angeln einmal zu heben und
hieher zu wälzen wäreſt. Was du im Geld einſaugenden Leipzig thuſt, 30
faſſ ich nicht.
Bei Giannozzo hoff ich machſt du nicht ſeinen Karakter ganz zu
meinem, obgleich eine groſſe Stadt — wie Paris Rouſſeau — leicht
bitter macht und den Werth der (Menſchen-)Waare durch Überflus
herabſezt. — 35
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*) die Königin, ihren Bruder, den Miniſter von Alvensleben u. a.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/94>, abgerufen am 17.02.2025.
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