Postskript zum Postskript. Unter allen Ständen, sogar dem ge- adelten (der sonst nicht adelnd ist) blüht deutsche Bieder- und Offen- und Gutherzigkeit.
153. An Herder.
[Unter einem Brief Karoline Richters v. 22. Juni 1801]5
Nachschrift.
Ich bin jezt im frohen Fal, Ihr postskribierendes Muster nach- ahmen zu können, Verehrtester. -- Meine Frau ist die Magdeburger Zenturiatorin; ich habe blos den Denker dabei zu machen. -- Wir leben hier seelig, was schwer ist, wenn man es 14 Tage lange bei10 Ihnen gewesen ist. -- Leider hab' ich aus Versehen unter Hamans Werken eines, was Ihnen gehört, -- die Übersezung von Bolingbroke -- eingepakt; es sol bald zurükfliegen. -- Möge die Adrastea bald als die 3te Grazie kommen! Möge mein Titan und dessen Postskript[93] in Ihrem Hause das Seltene finden -- den Leser im 2ten Stok -- und15 das noch Seltsamere -- den Richter, der mir etwas darüber nach Meiningen schreibt --! -- Leben Sie wohl, darunter mein' ich immer das viele Schreiben stat des vielen Unterschreibens!
R.
154. An Christian Otto.
M[einingen] d. 26. Jun. 1801.20
Mein guter Otto! Dein gestern eingelaufner Brief -- wie schön ist jezt unsere epistolarische Nähe -- hat mir einige Schmerzen mit- gebracht, die ich gern in mein Herz aufnehme, das ohnehin nicht weis, warum es kleinere haben sol als du, Schuldloser --
d. 29. J.25
und der beinahe für oder durch 2 Brüder leidet. Ist deine Aussicht für Friederike so: so dächt' ich, müste sie das katheder-hölzerne Herz wegschleudern, auch wenn kein Prozes ihr Ein[ge]brachtes verbrächte. Die Arme! -- Aber so sind kleine Städte; der enge Raum gönt wenig Wahl und darum geschieht sie ohne Vergleichung und ohne Foderung;30 in grossen macht der lange Blumenflor des Reizes und Werths be- dächtiger. -- Mit Freuden schreib' ich; -- an Alvensleben gehts nicht, weil ers doch dem Hardenberg überträgt --; aber sage mir nur des leztern Wohnort und den bestimten Inhalt meines Gesuchs,
6 Jean Paul Briefe. IV.
Poſtſkript zum Poſtſkript. Unter allen Ständen, ſogar dem ge- adelten (der ſonſt nicht adelnd iſt) blüht deutſche Bieder- und Offen- und Gutherzigkeit.
153. An Herder.
[Unter einem Brief Karoline Richters v. 22. Juni 1801]5
Nachſchrift.
Ich bin jezt im frohen Fal, Ihr poſtſkribierendes Muſter nach- ahmen zu können, Verehrteſter. — Meine Frau iſt die Magdeburger Zenturiatorin; ich habe blos den Denker dabei zu machen. — Wir leben hier ſeelig, was ſchwer iſt, wenn man es 14 Tage lange bei10 Ihnen geweſen iſt. — Leider hab’ ich aus Verſehen unter Hamans Werken eines, was Ihnen gehört, — die Überſezung von Bolingbroke — eingepakt; es ſol bald zurükfliegen. — Möge die Adraſtea bald als die 3te Grazie kommen! Möge mein Titan und deſſen Poſtſkript[93] in Ihrem Hauſe das Seltene finden — den Leſer im 2ten Stok — und15 das noch Seltſamere — den Richter, der mir etwas darüber nach Meiningen ſchreibt —! — Leben Sie wohl, darunter mein’ ich immer das viele Schreiben ſtat des vielen Unterſchreibens!
R.
154. An Chriſtian Otto.
M[einingen] d. 26. Jun. 1801.20
Mein guter Otto! Dein geſtern eingelaufner Brief — wie ſchön iſt jezt unſere epiſtolariſche Nähe — hat mir einige Schmerzen mit- gebracht, die ich gern in mein Herz aufnehme, das ohnehin nicht weis, warum es kleinere haben ſol als du, Schuldloſer —
d. 29. J.25
und der beinahe für oder durch 2 Brüder leidet. Iſt deine Ausſicht für Friederike ſo: ſo dächt’ ich, müſte ſie das katheder-hölzerne Herz wegſchleudern, auch wenn kein Prozes ihr Ein[ge]brachtes verbrächte. Die Arme! — Aber ſo ſind kleine Städte; der enge Raum gönt wenig Wahl und darum geſchieht ſie ohne Vergleichung und ohne Foderung;30 in groſſen macht der lange Blumenflor des Reizes und Werths be- dächtiger. — Mit Freuden ſchreib’ ich; — an Alvensleben gehts nicht, weil ers doch dem Hardenberg überträgt —; aber ſage mir nur des leztern Wohnort und den beſtimten Inhalt meines Geſuchs,
6 Jean Paul Briefe. IV.
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[81/0087]
Poſtſkript zum Poſtſkript. Unter allen Ständen, ſogar dem ge-
adelten (der ſonſt nicht adelnd iſt) blüht deutſche Bieder- und Offen-
und Gutherzigkeit.
153. An Herder.
[Unter einem Brief Karoline Richters v. 22. Juni 1801] 5
Nachſchrift.
Ich bin jezt im frohen Fal, Ihr poſtſkribierendes Muſter nach-
ahmen zu können, Verehrteſter. — Meine Frau iſt die Magdeburger
Zenturiatorin; ich habe blos den Denker dabei zu machen. — Wir
leben hier ſeelig, was ſchwer iſt, wenn man es 14 Tage lange bei 10
Ihnen geweſen iſt. — Leider hab’ ich aus Verſehen unter Hamans
Werken eines, was Ihnen gehört, — die Überſezung von Bolingbroke
— eingepakt; es ſol bald zurükfliegen. — Möge die Adraſtea bald
als die 3te Grazie kommen! Möge mein Titan und deſſen Poſtſkript
in Ihrem Hauſe das Seltene finden — den Leſer im 2ten Stok — und 15
das noch Seltſamere — den Richter, der mir etwas darüber nach
Meiningen ſchreibt —! — Leben Sie wohl, darunter mein’ ich immer
das viele Schreiben ſtat des vielen Unterſchreibens!
[93]R.
154. An Chriſtian Otto.
M[einingen] d. 26. Jun. 1801. 20
Mein guter Otto! Dein geſtern eingelaufner Brief — wie ſchön
iſt jezt unſere epiſtolariſche Nähe — hat mir einige Schmerzen mit-
gebracht, die ich gern in mein Herz aufnehme, das ohnehin nicht weis,
warum es kleinere haben ſol als du, Schuldloſer —
d. 29. J. 25
und der beinahe für oder durch 2 Brüder leidet. Iſt deine Ausſicht
für Friederike ſo: ſo dächt’ ich, müſte ſie das katheder-hölzerne Herz
wegſchleudern, auch wenn kein Prozes ihr Ein[ge]brachtes verbrächte.
Die Arme! — Aber ſo ſind kleine Städte; der enge Raum gönt wenig
Wahl und darum geſchieht ſie ohne Vergleichung und ohne Foderung; 30
in groſſen macht der lange Blumenflor des Reizes und Werths be-
dächtiger. — Mit Freuden ſchreib’ ich; — an Alvensleben gehts nicht,
weil ers doch dem Hardenberg überträgt —; aber ſage mir nur
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6 Jean Paul Briefe. IV.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/87>, abgerufen am 16.07.2024.
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