Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geschikt, nicht heraus, Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern) Es wird mir schwer, dir der Spiegel meiner Braut zu sein. Wenn d. 27. Jenn. Eben hab' ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und35 die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geſchikt, nicht heraus, Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern) Es wird mir ſchwer, dir der Spiegel meiner Braut zu ſein. Wenn d. 27. Jenn. Eben hab’ ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und35 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="45"/> die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geſchikt, nicht heraus,<lb/> wenigſtens in den Beiträgen? —</p><lb/> <p>Ich lebe hier ziemlich mit <hi rendition="#aq">Tiek</hi> und <hi rendition="#aq">Bernhardi</hi> (Schlegelianern)<lb/> zuſammen; eh’ wir divergieren, konvergieren wir doch recht ſehr;<lb/> dieſe Parthei hat doch den rechten poetiſchen Geiſt, indes die feindliche<lb n="5"/> nicht einmal das Seelenorgan davon beſizt. Geiſt iſt ihr überal alles<lb/> und die Form ſeiner Menſchwerdung gleichgültig; ſo ſind ſie alle deine<lb/> Herolde, ſogar als Gegner, indes die hölzerne kritiſche Oppoſizion als<lb/> verhülte Trompeter in deinen Werken umhergehen. Jene ſind durch<lb/> mich mit Haman bekant gemacht und nun ſeine ofnen frohen Schüler.<lb n="10"/> — Apropos! ich habe alles von ihm, nur nicht ſein Fragment aus<note place="right"><ref target="1922_Bd4_51">[51]</ref></note><lb/> London, deſſen du gedenkſt; kanſt du mir es nicht auf 1 Monat leihen?<lb/> — Und noch: Sol denn dieſe groſſe Sphinx, wie die ägyptiſche, noch<lb/> immer halb im Sand begraben bleiben und wilſt du nichts thun, ſie un-<lb/> bedekt vor die Welt zu ſtellen? — Du und <hi rendition="#aq">Herder</hi> ſind die einzigen, die<lb n="15"/> es können.</p><lb/> <p>Es wird mir ſchwer, dir der Spiegel meiner Braut zu ſein. Wenn<lb/> ich dir ſage, daß ſie jungfräulich-edel, ſtreng und weich, zu beſcheiden,<lb/> feſt, ſehr ſchön, philoſophiſch-gebildet (durch des edeln Vaters lange<lb/> Erziehung; denn er iſt von der Frau geſchieden) reſignierend, vol Liebe<lb n="20"/> für Eltern und Geſchwiſter und <hi rendition="#g">ſogar in der feurigſten Liebe alle<lb/> andern Mittöne und Leittöne der Menſchheit für jedes<lb/> Leiden und Freuen</hi> bewahrend, jung und ganz geſund ꝛc. iſt: ſo<lb/> weiſt du noch nichts. Mache keine Schlüſſe aus meinem erſten<lb/> Irthum; ſogar <hi rendition="#aq">Herder</hi> war von der vorigen Karoline begeiſtert, die<lb n="25"/> ſo edel war, nur aber mit ihrem Egoiſmus nicht für mich paſte. Mein<lb/> Leben mit der vorigen wurde mehr auf dem Schauplaz des — Brief-<lb/> papiers geſpielt; wurde nun ein hölzerner vorgeſchoben, ſo trat der<lb/> Antagoniſmus unſerer Naturen in jeder Minute grel auf. Allein mit<lb/> der jezigen <hi rendition="#aq">C.</hi> wuchs ich — ohne eine disharmoniſche Sekunde — in<lb n="30"/> einem vierteljährigen Beiſammenſtehen nur deſto feſter zuſammen.<lb/> Sogar die Berlinerinnen, die mich ſehr lieben und mir viel gönnen,<lb/> entlieſſen das holde Weſen mit einem Kranz von ihrem Richterſtuhl.</p><lb/> <div n="2"> <dateline> <hi rendition="#right">d. 27. Jenn.</hi> </dateline><lb/> <p>Eben hab’ ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und<lb n="35"/> Holmer geleſen und dein kräftiges Herz und deinen transſzendenten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0051]
die Abhandlung, woraus du mir Kredenz-Tropfen geſchikt, nicht heraus,
wenigſtens in den Beiträgen? —
Ich lebe hier ziemlich mit Tiek und Bernhardi (Schlegelianern)
zuſammen; eh’ wir divergieren, konvergieren wir doch recht ſehr;
dieſe Parthei hat doch den rechten poetiſchen Geiſt, indes die feindliche 5
nicht einmal das Seelenorgan davon beſizt. Geiſt iſt ihr überal alles
und die Form ſeiner Menſchwerdung gleichgültig; ſo ſind ſie alle deine
Herolde, ſogar als Gegner, indes die hölzerne kritiſche Oppoſizion als
verhülte Trompeter in deinen Werken umhergehen. Jene ſind durch
mich mit Haman bekant gemacht und nun ſeine ofnen frohen Schüler. 10
— Apropos! ich habe alles von ihm, nur nicht ſein Fragment aus
London, deſſen du gedenkſt; kanſt du mir es nicht auf 1 Monat leihen?
— Und noch: Sol denn dieſe groſſe Sphinx, wie die ägyptiſche, noch
immer halb im Sand begraben bleiben und wilſt du nichts thun, ſie un-
bedekt vor die Welt zu ſtellen? — Du und Herder ſind die einzigen, die 15
es können.
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Es wird mir ſchwer, dir der Spiegel meiner Braut zu ſein. Wenn
ich dir ſage, daß ſie jungfräulich-edel, ſtreng und weich, zu beſcheiden,
feſt, ſehr ſchön, philoſophiſch-gebildet (durch des edeln Vaters lange
Erziehung; denn er iſt von der Frau geſchieden) reſignierend, vol Liebe 20
für Eltern und Geſchwiſter und ſogar in der feurigſten Liebe alle
andern Mittöne und Leittöne der Menſchheit für jedes
Leiden und Freuen bewahrend, jung und ganz geſund ꝛc. iſt: ſo
weiſt du noch nichts. Mache keine Schlüſſe aus meinem erſten
Irthum; ſogar Herder war von der vorigen Karoline begeiſtert, die 25
ſo edel war, nur aber mit ihrem Egoiſmus nicht für mich paſte. Mein
Leben mit der vorigen wurde mehr auf dem Schauplaz des — Brief-
papiers geſpielt; wurde nun ein hölzerner vorgeſchoben, ſo trat der
Antagoniſmus unſerer Naturen in jeder Minute grel auf. Allein mit
der jezigen C. wuchs ich — ohne eine disharmoniſche Sekunde — in 30
einem vierteljährigen Beiſammenſtehen nur deſto feſter zuſammen.
Sogar die Berlinerinnen, die mich ſehr lieben und mir viel gönnen,
entlieſſen das holde Weſen mit einem Kranz von ihrem Richterſtuhl.
d. 27. Jenn.
Eben hab’ ich deine Sinai-Briefe an die und den Stolberg und 35
Holmer geleſen und dein kräftiges Herz und deinen transſzendenten
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(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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