Ob ich dir gleich nichts zu schreiben habe -- als daß ich auf dem Wege zur Krüdner um 61/4 Uhr dich eine Minute lang sehen wil -- so schreib' ich doch, du Leidende, damit du eine kleine Freude habest.5 Warum kanst du nicht mit deinen so schweigenden Schmerzen immer bei mir sein? Sie würden sich leichter stillen. Adieu, du Zarte und Geliebteste! Warlich [du] wurdest von niemand heller und fester und inniger geliebt als von mir, du Meine. --
79. An Karoline Mayer.10
[Berlin, Jan. oder Febr. 1801]
Gute! Noch eine Abschiedsfrage! Morgen ungefähr um 71/2 Uhr kehren wir zurük. Die B[ernard]-Verwandten haben in den künf- [50]tigen Wochen fast alle Tage entweder durch das Theater oder etc. besezt und reisen dan. Könten sie nicht morgen mit dem Paul bei dir15 sein? Antworte mir jezt noch. Wir stiegen vor deinen Füssen aus. Köntest du auch die gute Gräfin bitten? Träume nicht übel, Gute und lebe wohl, du Meine, die es nicht genug weis, wie sehr und wie ewig sie es ist. --
Auf dem Tischtuch schreibt man schlecht. Alles was darum sizt20 grüsset dich.
80. An Jacobi.
Berlin d. 2 Jenn. 1801.
Geliebter Heinrich! Dein lieblicher Brief war eine Hand, die meine fülte und drükte; ich danke dir sehr. Deine Solstizial-Krankheit wust'25 ich voraus; alle weit in den Aether hinaufgebauete Menschen haben jährlich 4 Quatember Erschütterungen. -- Ich brauche gegen meine kaum merkbaren Erdstösse keinen Arzt als mich und die Zeit. -- Am erfreulichsten war mir die Nachricht von deinem philosophischen Kon- tingent; für dieses erlass' ich dir gern Briefe. Noch hab' ich das erste30 Stük nicht. Hier ist Philosophie kaum in den -- Buchläden anzu- treffen unter den Sortimentsartikeln. Fichte lebt daher sehr unbe- kränzt und ohne die jenensischen Studenten-Karyatiden, einsam und stum. Melde mir ja gleich den Abdruk des 2ten Stüks. Komt denn
78. An Karoline Mayer.
[Berlin, Jan. oder Febr. 1801]
Ob ich dir gleich nichts zu ſchreiben habe — als daß ich auf dem Wege zur Krüdner um 6¼ Uhr dich eine Minute lang ſehen wil — ſo ſchreib’ ich doch, du Leidende, damit du eine kleine Freude habeſt.5 Warum kanſt du nicht mit deinen ſo ſchweigenden Schmerzen immer bei mir ſein? Sie würden ſich leichter ſtillen. Adieu, du Zarte und Geliebteſte! Warlich [du] wurdeſt von niemand heller und feſter und inniger geliebt als von mir, du Meine. —
79. An Karoline Mayer.10
[Berlin, Jan. oder Febr. 1801]
Gute! Noch eine Abſchiedsfrage! Morgen ungefähr um 7½ Uhr kehren wir zurük. Die B[ernard]-Verwandten haben in den künf- [50]tigen Wochen faſt alle Tage entweder durch das Theater oder ꝛc. beſezt und reiſen dan. Könten ſie nicht morgen mit dem Paul bei dir15 ſein? Antworte mir jezt noch. Wir ſtiegen vor deinen Füſſen aus. Könteſt du auch die gute Gräfin bitten? Träume nicht übel, Gute und lebe wohl, du Meine, die es nicht genug weis, wie ſehr und wie ewig ſie es iſt. —
Auf dem Tiſchtuch ſchreibt man ſchlecht. Alles was darum ſizt20 grüſſet dich.
80. An Jacobi.
Berlin d. 2 Jenn. 1801.
Geliebter Heinrich! Dein lieblicher Brief war eine Hand, die meine fülte und drükte; ich danke dir ſehr. Deine Solſtizial-Krankheit wuſt’25 ich voraus; alle weit in den Aether hinaufgebauete Menſchen haben jährlich 4 Quatember Erſchütterungen. — Ich brauche gegen meine kaum merkbaren Erdſtöſſe keinen Arzt als mich und die Zeit. — Am erfreulichſten war mir die Nachricht von deinem philoſophiſchen Kon- tingent; für dieſes erlaſſ’ ich dir gern Briefe. Noch hab’ ich das erſte30 Stük nicht. Hier iſt Philoſophie kaum in den — Buchläden anzu- treffen unter den Sortimentsartikeln. Fichte lebt daher ſehr unbe- kränzt und ohne die jenenſiſchen Studenten-Karyatiden, einſam und ſtum. Melde mir ja gleich den Abdruk des 2ten Stüks. Komt denn
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[Berlin, Jan. oder Febr. 1801]
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Wege zur Krüdner um 6¼ Uhr dich eine Minute lang ſehen wil —
ſo ſchreib’ ich doch, du Leidende, damit du eine kleine Freude habeſt. 5
Warum kanſt du nicht mit deinen ſo ſchweigenden Schmerzen immer
bei mir ſein? Sie würden ſich leichter ſtillen. Adieu, du Zarte und
Geliebteſte! Warlich [du] wurdeſt von niemand heller und feſter und
inniger geliebt als von mir, du Meine. —
79. An Karoline Mayer. 10
[Berlin, Jan. oder Febr. 1801]
Gute! Noch eine Abſchiedsfrage! Morgen ungefähr um 7½ Uhr
kehren wir zurük. Die B[ernard]-Verwandten haben in den künf-
tigen Wochen faſt alle Tage entweder durch das Theater oder ꝛc.
beſezt und reiſen dan. Könten ſie nicht morgen mit dem Paul bei dir 15
ſein? Antworte mir jezt noch. Wir ſtiegen vor deinen Füſſen aus.
Könteſt du auch die gute Gräfin bitten? Träume nicht übel, Gute und
lebe wohl, du Meine, die es nicht genug weis, wie ſehr und wie ewig
ſie es iſt. —
[50]
Auf dem Tiſchtuch ſchreibt man ſchlecht. Alles was darum ſizt 20
grüſſet dich.
80. An Jacobi.
Berlin d. 2 Jenn. 1801.
Geliebter Heinrich! Dein lieblicher Brief war eine Hand, die meine
fülte und drükte; ich danke dir ſehr. Deine Solſtizial-Krankheit wuſt’ 25
ich voraus; alle weit in den Aether hinaufgebauete Menſchen haben
jährlich 4 Quatember Erſchütterungen. — Ich brauche gegen meine
kaum merkbaren Erdſtöſſe keinen Arzt als mich und die Zeit. — Am
erfreulichſten war mir die Nachricht von deinem philoſophiſchen Kon-
tingent; für dieſes erlaſſ’ ich dir gern Briefe. Noch hab’ ich das erſte 30
Stük nicht. Hier iſt Philoſophie kaum in den — Buchläden anzu-
treffen unter den Sortimentsartikeln. Fichte lebt daher ſehr unbe-
kränzt und ohne die jenenſiſchen Studenten-Karyatiden, einſam und
ſtum. Melde mir ja gleich den Abdruk des 2ten Stüks. Komt denn
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/50>, abgerufen am 16.02.2025.
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