Klostermauern und Sprachgitter von allen Weimar'schen Lauten abgeschieden.
Die Königin gab mir den ersten ehelichen Hausrath -- ein silbernes Thee- und Kaffeeservice. Ich wolte, ich könte ihr daraus einschenken.
Im Frühling -- wohin mich auch das Loos pflanze und säe -- flieg'5 ich wenigstens durch Weimar. Buri schmachtet nach den alten Abenden bei Ihnen, deren Abendaurora auch in mir nie erblassen kan.
Leben Sie froh, Schweigende neben dem Schweigenden! Ich hoffe auf ein Blat, das beiden diesen Namen nimt. Grüssen Sie den ge- liebten Herder und Luise und Rinaldo und was auf dem Markte von10 Ihnen wohnt und die Herzogin und Knebel und Böttiger. Mög' Ihnen der Frühling mit der Magie entgegenziehen, womit er in der Jugend unser Herz so süs umstrikt und höher trägt!
Richter
76. An Christian Otto.15
Berlin d. 23. Jenn. 1801.
Dasmal ist wenig Schreibbares da. Zuerst deinen Brief! Den armen Sünder hab' ich erst eine 1/4 Stunde gesehen, die er Ahlefeldt zugedacht, da er mich in einem andern Logis vermuthete. Ich weis nicht recht, inwiefern mein Wort gegen seine Strafe oder für sein20 Anleihen wirken sol. -- Meine C. hat gerade diese unendliche Liebe [48]für alle Wesen, die ich bisher mitten im Diamantenschmuk glänzender Vorzüge vermiste. Sie führt des Vaters Wirthschaft. Ihre Kraft zu resignieren und zu gehorchen ist eben so gros; ihre Liebe zu mir ists zu sehr und sie glaubt im Ernste, ich habe keinen Fehler. Ich kan sie dir25 eigentlich durch keine Vergleichung heller zeigen. Ihre ihr ähnliche Schwester war allein durch diese Aehnlichkeit im Stande, den über alle Leipziger Schönen flatternden Mahlman auf ihre Hand herab- zulocken. Was er schreibt, weis ich nicht. -- Oertel schweigt, wahr- scheinlich aus depit. -- Merkeln mus ich auf den Kopf treten, ohne30 seines Fersenstichs zu erwähnen; ich mus für das bessere poetische Feld mit arbeiten, in das er seine Steine wirft. Ich bin im komischen An- hang wilder als sonst. Ich lege viele meiner Urtheile einem über ganz Deutschland (in der Montgolfiere) wegschiffenden Giannozzo, einem wilden Menschenverächter in den Mund, der blos in seinem Namen35 spricht. Der Titan wird nur 13 Bogen, der Anhang stärker. -- --
Kloſtermauern und Sprachgitter von allen Weimar’schen Lauten abgeſchieden.
Die Königin gab mir den erſten ehelichen Hausrath — ein ſilbernes Thee- und Kaffeeſervice. Ich wolte, ich könte ihr daraus einſchenken.
Im Frühling — wohin mich auch das Loos pflanze und ſäe — flieg’5 ich wenigſtens durch Weimar. Buri ſchmachtet nach den alten Abenden bei Ihnen, deren Abendaurora auch in mir nie erblaſſen kan.
Leben Sie froh, Schweigende neben dem Schweigenden! Ich hoffe auf ein Blat, das beiden dieſen Namen nimt. Grüſſen Sie den ge- liebten Herder und Luiſe und Rinaldo und was auf dem Markte von10 Ihnen wohnt und die Herzogin und Knebel und Böttiger. Mög’ Ihnen der Frühling mit der Magie entgegenziehen, womit er in der Jugend unſer Herz ſo ſüs umſtrikt und höher trägt!
Richter
76. An Chriſtian Otto.15
Berlin d. 23. Jenn. 1801.
Dasmal iſt wenig Schreibbares da. Zuerſt deinen Brief! Den armen Sünder hab’ ich erſt eine ¼ Stunde geſehen, die er Ahlefeldt zugedacht, da er mich in einem andern Logis vermuthete. Ich weis nicht recht, inwiefern mein Wort gegen ſeine Strafe oder für ſein20 Anleihen wirken ſol. — Meine C. hat gerade dieſe unendliche Liebe [48]für alle Weſen, die ich bisher mitten im Diamantenſchmuk glänzender Vorzüge vermiſte. Sie führt des Vaters Wirthſchaft. Ihre Kraft zu reſignieren und zu gehorchen iſt eben ſo gros; ihre Liebe zu mir iſts zu ſehr und ſie glaubt im Ernſte, ich habe keinen Fehler. Ich kan ſie dir25 eigentlich durch keine Vergleichung heller zeigen. Ihre ihr ähnliche Schweſter war allein durch dieſe Aehnlichkeit im Stande, den über alle Leipziger Schönen flatternden Mahlman auf ihre Hand herab- zulocken. Was er ſchreibt, weis ich nicht. — Oertel ſchweigt, wahr- ſcheinlich aus dépit. — Merkeln mus ich auf den Kopf treten, ohne30 ſeines Ferſenſtichs zu erwähnen; ich mus für das beſſere poetiſche Feld mit arbeiten, in das er ſeine Steine wirft. Ich bin im komiſchen An- hang wilder als ſonſt. Ich lege viele meiner Urtheile einem über ganz Deutſchland (in der Montgolfiére) wegſchiffenden Giannozzo, einem wilden Menſchenverächter in den Mund, der blos in ſeinem Namen35 ſpricht. Der Titan wird nur 13 Bogen, der Anhang ſtärker. — —
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Kloſtermauern und Sprachgitter von allen Weimar’schen Lauten
abgeſchieden.
Die Königin gab mir den erſten ehelichen Hausrath — ein ſilbernes
Thee- und Kaffeeſervice. Ich wolte, ich könte ihr daraus einſchenken.
Im Frühling — wohin mich auch das Loos pflanze und ſäe — flieg’ 5
ich wenigſtens durch Weimar. Buri ſchmachtet nach den alten Abenden
bei Ihnen, deren Abendaurora auch in mir nie erblaſſen kan.
Leben Sie froh, Schweigende neben dem Schweigenden! Ich hoffe
auf ein Blat, das beiden dieſen Namen nimt. Grüſſen Sie den ge-
liebten Herder und Luiſe und Rinaldo und was auf dem Markte von 10
Ihnen wohnt und die Herzogin und Knebel und Böttiger. Mög’
Ihnen der Frühling mit der Magie entgegenziehen, womit er in der
Jugend unſer Herz ſo ſüs umſtrikt und höher trägt!
Richter
76. An Chriſtian Otto. 15
Berlin d. 23. Jenn. 1801.
Dasmal iſt wenig Schreibbares da. Zuerſt deinen Brief! Den
armen Sünder hab’ ich erſt eine ¼ Stunde geſehen, die er Ahlefeldt
zugedacht, da er mich in einem andern Logis vermuthete. Ich weis
nicht recht, inwiefern mein Wort gegen ſeine Strafe oder für ſein 20
Anleihen wirken ſol. — Meine C. hat gerade dieſe unendliche Liebe
für alle Weſen, die ich bisher mitten im Diamantenſchmuk glänzender
Vorzüge vermiſte. Sie führt des Vaters Wirthſchaft. Ihre Kraft zu
reſignieren und zu gehorchen iſt eben ſo gros; ihre Liebe zu mir iſts
zu ſehr und ſie glaubt im Ernſte, ich habe keinen Fehler. Ich kan ſie dir 25
eigentlich durch keine Vergleichung heller zeigen. Ihre ihr ähnliche
Schweſter war allein durch dieſe Aehnlichkeit im Stande, den über
alle Leipziger Schönen flatternden Mahlman auf ihre Hand herab-
zulocken. Was er ſchreibt, weis ich nicht. — Oertel ſchweigt, wahr-
ſcheinlich aus dépit. — Merkeln mus ich auf den Kopf treten, ohne 30
ſeines Ferſenſtichs zu erwähnen; ich mus für das beſſere poetiſche Feld
mit arbeiten, in das er ſeine Steine wirft. Ich bin im komiſchen An-
hang wilder als ſonſt. Ich lege viele meiner Urtheile einem über ganz
Deutſchland (in der Montgolfiére) wegſchiffenden Giannozzo, einem
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ſpricht. Der Titan wird nur 13 Bogen, der Anhang ſtärker. — —
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/48>, abgerufen am 16.02.2025.
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