von ihr an dich. -- Im Frühling zieh ich schon des Biers und der [34]Gegend wegen aus diesem Freudensaal wohin? -- Sag' es! -- Und in die Ehe. -- Der Titan wird nur 13 Bogen stark; der Anhang mehr. -- Auch bei dem Minister Struensee as ich 2mal (über- morgen bei dem Minister Schroeter*) Die Hardenberg hatt ich5 noch keine Zeit zu besuchen. -- Ich war endlich hier in allen ge- lehrten Zirkeln, Vielecken und Dreiecken. Wenig wenig! -- Genz sah ich bei dem Minister A. Alvensleben; ein treflicher Kopf, mit eigennüziger Rohheit im Gesicht. -- Auch der alte Teller, der mich gleich nach unserem Sehen einlud, liebt mich sehr wie ich ihn. Den10 sanften Spalding, der mehr um als in seinem vermooseten Körper oder Grabmahl schwebt, besucht ich auch. -- Sende mir der II C[aro- line] Briefe gar, oder einen Restanten, ich mus ihr alle schicken. --
Die gute Gräfin S[chlabrendorff], die ich vor 8 Jahren besser er- rathen hätte, hat den treuesten wärmsten kindl[ichsten] Karakter. Sie15 kan opfern -- sogar ihren Willen -- wie keine. Sie liebte mich immer heftiger und wolte mich -- heirathen; welches ich erst von ihr erfuhr, da sie über meine Nachricht der Verlobung krank wurde. Dies Faktum des Willens ist wahr und erklärt manches andere schiefe. Ich brachte Ahlefeldt zu ihr und er -- ob er gleich eine andere heftige Liebe zu20 e[iner] Ehefrau hatte -- folgte dem Bach, der ein ziehender Strom wurde, welcher ihn im Frühling an das eheliche Ufer absezt. Ich liebe Ahlefeldt jezt um 1/2 weniger; er ist ein sentiment[alischer] Alliebhaber etc. Wie ich daher diese algemeine empfindsame Briefschreiberei nach überalhin hasse! Im Vertrauen! Ich kan nicht mehr so viel aus den25 Menschen machen wie sonst, obwohl mein Handeln gegen den ärmsten Teufel dasselbe ist. -- Für, aber nicht gegen die Schlegel kan ich mich schlagen. Tiek, Schleiermacher (Fichte seh' ich nicht, er las nie hier) Bernhardi, Genelli und Maler Buri sind mein genial[isches] Pankrazium. Der wieder zerlumpte Lumpen Merkel, das Sprach-30 und Hörrohr der erbärmlichsten aller Welt-Seele, -- ihn verdros mein [35]frohes Benehmen gegen ihn am meisten; endlich kam er zu mir, sagte, nur das Gerücht, daß ich mich zur Clique geschlagen, hab ihn [!] manches diktiert, und muste nun manches Harte, aber durchaus
*) den ich herzlich lieben lernte und zu dem und dessen Familie von 2 schönen35 Töchtern ich nun kommen kan wenn ich wil.
von ihr an dich. — Im Frühling zieh ich ſchon des Biers und der [34]Gegend wegen aus dieſem Freudenſaal wohin? — Sag’ es! — Und in die Ehe. — Der Titan wird nur 13 Bogen ſtark; der Anhang mehr. — Auch bei dem Miniſter Struensee as ich 2mal (über- morgen bei dem Miniſter Schroeter*) Die Hardenberg hatt ich5 noch keine Zeit zu beſuchen. — Ich war endlich hier in allen ge- lehrten Zirkeln, Vielecken und Dreiecken. Wenig wenig! — Genz ſah ich bei dem Miniſter A. 〈Alvensleben〉; ein treflicher Kopf, mit eigennüziger Rohheit im Geſicht. — Auch der alte Teller, der mich gleich nach unſerem Sehen einlud, liebt mich ſehr wie ich ihn. Den10 ſanften Spalding, der mehr um als in ſeinem vermooſeten Körper oder Grabmahl ſchwebt, beſucht ich auch. — Sende mir der II C[aro- line] Briefe gar, oder einen Reſtanten, ich mus ihr alle ſchicken. —
Die gute Gräfin S[chlabrendorff], die ich vor 8 Jahren beſſer er- rathen hätte, hat den treueſten wärmſten kindl[ichſten] Karakter. Sie15 kan opfern — ſogar ihren Willen — wie keine. Sie liebte mich immer heftiger und wolte mich — heirathen; welches ich erſt von ihr erfuhr, da ſie über meine Nachricht der Verlobung krank wurde. Dies Faktum des Willens iſt wahr und erklärt manches andere ſchiefe. Ich brachte Ahlefeldt zu ihr und er — ob er gleich eine andere heftige Liebe zu20 e[iner] Ehefrau hatte — folgte dem Bach, der ein ziehender Strom wurde, welcher ihn im Frühling an das eheliche Ufer abſezt. Ich liebe Ahlefeldt jezt um ½ weniger; er iſt ein ſentiment[aliſcher] Alliebhaber ꝛc. Wie ich daher dieſe algemeine empfindſame Briefſchreiberei nach überalhin haſſe! Im Vertrauen! Ich kan nicht mehr ſo viel aus den25 Menſchen machen wie ſonſt, obwohl mein Handeln gegen den ärmſten Teufel daſſelbe iſt. — Für, aber nicht gegen die Schlegel kan ich mich ſchlagen. Tiek, Schleiermacher (Fichte ſeh’ ich nicht, er las nie hier) Bernhardi, Genelli und Maler Buri ſind mein genial[iſches] Pankrazium. Der wieder zerlumpte Lumpen Merkel, das Sprach-30 und Hörrohr der erbärmlichſten aller Welt-Seele, — ihn verdros mein [35]frohes Benehmen gegen ihn am meiſten; endlich kam er zu mir, ſagte, nur das Gerücht, daß ich mich zur Clique geſchlagen, hab ihn [!] manches diktiert, und muſte nun manches Harte, aber durchaus
*) den ich herzlich lieben lernte und zu dem und deſſen Familie von 2 ſchönen35 Töchtern ich nun kommen kan wenn ich wil.
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von ihr an dich. — Im Frühling zieh ich ſchon des Biers und der
Gegend wegen aus dieſem Freudenſaal wohin? — Sag’ es! — Und
in die Ehe. — Der Titan wird nur 13 Bogen ſtark; der Anhang
mehr. — Auch bei dem Miniſter Struensee as ich 2mal (über-
morgen bei dem Miniſter Schroeter *) Die Hardenberg hatt ich 5
noch keine Zeit zu beſuchen. — Ich war endlich hier in allen ge-
lehrten Zirkeln, Vielecken und Dreiecken. Wenig wenig! — Genz ſah
ich bei dem Miniſter A. 〈Alvensleben〉; ein treflicher Kopf, mit
eigennüziger Rohheit im Geſicht. — Auch der alte Teller, der mich
gleich nach unſerem Sehen einlud, liebt mich ſehr wie ich ihn. Den 10
ſanften Spalding, der mehr um als in ſeinem vermooſeten Körper
oder Grabmahl ſchwebt, beſucht ich auch. — Sende mir der II C[aro-
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Die gute Gräfin S[chlabrendorff], die ich vor 8 Jahren beſſer er-
rathen hätte, hat den treueſten wärmſten kindl[ichſten] Karakter. Sie 15
kan opfern — ſogar ihren Willen — wie keine. Sie liebte mich immer
heftiger und wolte mich — heirathen; welches ich erſt von ihr erfuhr,
da ſie über meine Nachricht der Verlobung krank wurde. Dies Faktum
des Willens iſt wahr und erklärt manches andere ſchiefe. Ich brachte
Ahlefeldt zu ihr und er — ob er gleich eine andere heftige Liebe zu 20
e[iner] Ehefrau hatte — folgte dem Bach, der ein ziehender Strom
wurde, welcher ihn im Frühling an das eheliche Ufer abſezt. Ich liebe
Ahlefeldt jezt um ½ weniger; er iſt ein ſentiment[aliſcher] Alliebhaber
ꝛc. Wie ich daher dieſe algemeine empfindſame Briefſchreiberei nach
überalhin haſſe! Im Vertrauen! Ich kan nicht mehr ſo viel aus den 25
Menſchen machen wie ſonſt, obwohl mein Handeln gegen den ärmſten
Teufel daſſelbe iſt. — Für, aber nicht gegen die Schlegel kan ich mich
ſchlagen. Tiek, Schleiermacher (Fichte ſeh’ ich nicht, er las nie
hier) Bernhardi, Genelli und Maler Buri ſind mein genial[iſches]
Pankrazium. Der wieder zerlumpte Lumpen Merkel, das Sprach- 30
und Hörrohr der erbärmlichſten aller Welt-Seele, — ihn verdros mein
frohes Benehmen gegen ihn am meiſten; endlich kam er zu mir, ſagte,
nur das Gerücht, daß ich mich zur Clique geſchlagen, hab ihn [!]
manches diktiert, und muſte nun manches Harte, aber durchaus
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*) den ich herzlich lieben lernte und zu dem und deſſen Familie von 2 ſchönen 35
Töchtern ich nun kommen kan wenn ich wil.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/36>, abgerufen am 16.07.2024.
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