läufte geschossen worden, verdient eine eigne mündliche Erzählung und selber Besichtigung; aber er läuft wieder so gut wie ich. -- Hier ist [342]außer diesem nichts vorgefallen, als daß Bonaparte Kaiser geworden, worüber Sie -- und wer nicht? -- auch Ihre eignen Gedanken haben werden. Freund, ist das nicht Revoluzion der Revoluzion? Denken5 Sie dabei dem vergoßnen Blute nach! Thieriot, hätten Sie dieß wol erwartet, als Sie noch in Leipzig wohnten und spielten? -- Daß aber die Musik keine bessere Behandlung von ihm zu erwarten habe als die Freiheit, dieß liegt wol in Reichards Briefen denk' ich am Tage.
Leb wol bis auf Wiedersehen.10
R.
490. An Perthes.
[Kopie][Koburg, 30. Juli 1804]
Räum-Ort.
*491. An Ernst Wagner.15
Coburg d. 4. Aug. 1804.
Mein lieber verzeihender Wagner! Nur durch meine litterarische Vielschreiberei kann ich ein wenig meine briefliche Wenigschreiberei entschuldigen. In der Michaelis Messe kommt meine Aesthetik in 2 Theilen heraus. Wenn Sie diese gelesen, so hätten Sie endlich,20 dächt' ich, den nöthigen Schlosser-Apparat zu Ihrem "Dieterich". Sie sollten damit mehr eilen, da noch so wenig über den Humor ge- schrieben worden.*) Wollen Sie mit Ihrem Musikschlüssel meiner Mißtöne warten, bis ich kein neues Stück mehr setze? -- Ihre drei vernichteten Tabellen wären mir ein köstliches Geschenk; ich sähe auf25 einmal in zwei Menschen hinein, in Sie und in mich.
Da Sie so vielerlei schon angefangen: so muß ich Sie vor der Ge- fahr des Wechsels warnen, welcher die Kräfte auflöset, weil er sie nicht straff genug spannt. Werfen Sie sich mit aller Gewalt blos über Ein Werk, und unterhalten Sie das Feuer in Einem fort so lange30 darunter, bis seine spröden Theile streckbar und flüssig geworden. Hingegen nach einer Jahres-Erkaltung wieder Feuer zu machen, verdoppelt die Arbeit, aber nicht den Enthusiasmus und das Ge-
*) Tieck wollt' es einmal in frühern Zeiten über meinen.
läufte geſchoſſen worden, verdient eine eigne mündliche Erzählung und ſelber Beſichtigung; aber er läuft wieder ſo gut wie ich. — Hier iſt [342]außer dieſem nichts vorgefallen, als daß Bonaparte Kaiſer geworden, worüber Sie — und wer nicht? — auch Ihre eignen Gedanken haben werden. Freund, iſt das nicht Revoluzion der Revoluzion? Denken5 Sie dabei dem vergoßnen Blute nach! Thieriot, hätten Sie dieß wol erwartet, als Sie noch in Leipzig wohnten und ſpielten? — Daß aber die Muſik keine beſſere Behandlung von ihm zu erwarten habe als die Freiheit, dieß liegt wol in Reichards Briefen denk’ ich am Tage.
Leb wol bis auf Wiederſehen.10
R.
490. An Perthes.
[Kopie][Koburg, 30. Juli 1804]
Räum-Ort.
*491. An Ernſt Wagner.15
Coburg d. 4. Aug. 1804.
Mein lieber verzeihender Wagner! Nur durch meine litterariſche Vielſchreiberei kann ich ein wenig meine briefliche Wenigſchreiberei entſchuldigen. In der Michaelis Meſſe kommt meine Aeſthetik in 2 Theilen heraus. Wenn Sie dieſe geleſen, ſo hätten Sie endlich,20 dächt’ ich, den nöthigen Schloſſer-Apparat zu Ihrem „Dieterich“. Sie ſollten damit mehr eilen, da noch ſo wenig über den Humor ge- ſchrieben worden.*) Wollen Sie mit Ihrem Muſikſchlüſſel meiner Mißtöne warten, bis ich kein neues Stück mehr ſetze? — Ihre drei vernichteten Tabellen wären mir ein köſtliches Geſchenk; ich ſähe auf25 einmal in zwei Menſchen hinein, in Sie und in mich.
Da Sie ſo vielerlei ſchon angefangen: ſo muß ich Sie vor der Ge- fahr des Wechſels warnen, welcher die Kräfte auflöſet, weil er ſie nicht ſtraff genug ſpannt. Werfen Sie ſich mit aller Gewalt blos über Ein Werk, und unterhalten Sie das Feuer in Einem fort ſo lange30 darunter, bis ſeine ſpröden Theile ſtreckbar und flüſſig geworden. Hingegen nach einer Jahres-Erkaltung wieder Feuer zu machen, verdoppelt die Arbeit, aber nicht den Enthuſiaſmus und das Ge-
*) Tieck wollt’ es einmal in frühern Zeiten über meinen.
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läufte geſchoſſen worden, verdient eine eigne mündliche Erzählung und
ſelber Beſichtigung; aber er läuft wieder ſo gut wie ich. — Hier iſt
außer dieſem nichts vorgefallen, als daß Bonaparte Kaiſer geworden,
worüber Sie — und wer nicht? — auch Ihre eignen Gedanken haben
werden. Freund, iſt das nicht Revoluzion der Revoluzion? Denken 5
Sie dabei dem vergoßnen Blute nach! Thieriot, hätten Sie dieß wol
erwartet, als Sie noch in Leipzig wohnten und ſpielten? — Daß aber
die Muſik keine beſſere Behandlung von ihm zu erwarten habe als die
Freiheit, dieß liegt wol in Reichards Briefen denk’ ich am Tage.
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Leb wol bis auf Wiederſehen. 10
R.
490. An Perthes.
[Koburg, 30. Juli 1804]
Räum-Ort.
*491. An Ernſt Wagner. 15
Coburg d. 4. Aug. 1804.
Mein lieber verzeihender Wagner! Nur durch meine litterariſche
Vielſchreiberei kann ich ein wenig meine briefliche Wenigſchreiberei
entſchuldigen. In der Michaelis Meſſe kommt meine Aeſthetik in
2 Theilen heraus. Wenn Sie dieſe geleſen, ſo hätten Sie endlich, 20
dächt’ ich, den nöthigen Schloſſer-Apparat zu Ihrem „Dieterich“.
Sie ſollten damit mehr eilen, da noch ſo wenig über den Humor ge-
ſchrieben worden. *) Wollen Sie mit Ihrem Muſikſchlüſſel meiner
Mißtöne warten, bis ich kein neues Stück mehr ſetze? — Ihre drei
vernichteten Tabellen wären mir ein köſtliches Geſchenk; ich ſähe auf 25
einmal in zwei Menſchen hinein, in Sie und in mich.
Da Sie ſo vielerlei ſchon angefangen: ſo muß ich Sie vor der Ge-
fahr des Wechſels warnen, welcher die Kräfte auflöſet, weil er ſie
nicht ſtraff genug ſpannt. Werfen Sie ſich mit aller Gewalt blos über
Ein Werk, und unterhalten Sie das Feuer in Einem fort ſo lange 30
darunter, bis ſeine ſpröden Theile ſtreckbar und flüſſig geworden.
Hingegen nach einer Jahres-Erkaltung wieder Feuer zu machen,
verdoppelt die Arbeit, aber nicht den Enthuſiaſmus und das Ge-
*) Tieck wollt’ es einmal in frühern Zeiten über meinen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/321>, abgerufen am 16.02.2025.
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