rechten pikanten innern Liebe. -- Meine Aesthetik hab ich dem Herzog v. Gotha dediziert, wenn er die Dedikazion -- welche in Deutschland die erste ihrer Art ist, aber nicht in England -- wegen des Tons und der geheimen Strafpredigt zulässet, welche ihn vom Witze auf das Regieren verweiset. Leben Sie wol, mein Alter, Milder, Wilder!5
487. An Herzog Emil August von Gotha.
Gnädigster Herzog,
Das Schreiben Ihrer Durchlaucht und dessen Bilderkabinet hat mir eben so viele Freude als Mühe gemacht; zuletzt aber, da ichs ganz verstehe, nur Freude. Was den Streitpunkt des Witzes etc. anlangt, so10 behaupten Sie während Ihres Solotanzes blos, es gebe keine Be- wegung und Zeno habe Recht. Indeß glaubt jeder Weltkörper zu stehen, ob er gleich fliegt.
Da Ihre Durchlaucht durch Ihre Mischung von Scherz und Ernst[339] mir die Erlaubniß gaben, Ihr Nein auszulegen und zu rangieren:15 so hab' ich die Meinung erwählt, welche mir die wolthuendste ist und ich habe das Ganze für die schöne Erhörung meiner Bitte angesehen. Doch ist immer noch Postzeit, mich durch einen ausdrücklichen Befehl um meinen schönen Traum zu bringen. Indeß wär' es Schade, da in Deutschland ein solcher Gegenstand und eine solche Sprache unter20 den Dedikazionen eben nicht gewöhnlich sind.
Ihre Durchlaucht theilen -- wie es fast scheint -- einen flüchtigen Irrthum des mir ewig theuern Herzogs von Meiningen über mich, welcher auf Kosten meines Herzens und Geschmacks zugleich einen einfältigen Spaß im hiesigen Wochenblatte mir zuschreiben konnte.25 Meine Seele blieb ihm so treu wie seine Gemahlinn -- und Coburgs Reitze machen eben nicht untreu.
-- Außer etwa gegen Coburg selber; wenigstens vertausch' ich es in 14 Tagen mit Bayreuth. -- Verzeihen Ihre Durchlaucht diese Schreibseligkeit -- empfangen Sie meinen Dank für Ihre Blätter30 voll Blitze und Duft -- erhören Sie meinen alte Bitte -- und erlauben Sie mir die süße Hoffnung, Ihnen nicht durch meine Denkungsart (die Schreibart rechn' ich nicht zu ihr) zu misfallen --
[Spaltenumbruch]Cob. d. 29 July35 1804. [Spaltenumbruch]
Ihrer Durchlaucht unterthänigster Jean Paul Fr. Richter
20 Jean Paul Briefe. IV.
rechten pikanten innern Liebe. — Meine Aeſthetik hab ich dem Herzog v. Gotha dediziert, wenn er die Dedikazion — welche in Deutſchland die erſte ihrer Art iſt, aber nicht in England — wegen des Tons und der geheimen Strafpredigt zuläſſet, welche ihn vom Witze auf das Regieren verweiſet. Leben Sie wol, mein Alter, Milder, Wilder!5
487. An Herzog Emil Auguſt von Gotha.
Gnädigſter Herzog,
Das Schreiben Ihrer Durchlaucht und deſſen Bilderkabinet hat mir eben ſo viele Freude als Mühe gemacht; zuletzt aber, da ichs ganz verſtehe, nur Freude. Was den Streitpunkt des Witzes ꝛc. anlangt, ſo10 behaupten Sie während Ihres Solotanzes blos, es gebe keine Be- wegung und Zeno habe Recht. Indeß glaubt jeder Weltkörper zu ſtehen, ob er gleich fliegt.
Da Ihre Durchlaucht durch Ihre Miſchung von Scherz und Ernſt[339] mir die Erlaubniß gaben, Ihr Nein auszulegen und zu rangieren:15 ſo hab’ ich die Meinung erwählt, welche mir die wolthuendſte iſt und ich habe das Ganze für die ſchöne Erhörung meiner Bitte angeſehen. Doch iſt immer noch Poſtzeit, mich durch einen ausdrücklichen Befehl um meinen ſchönen Traum zu bringen. Indeß wär’ es Schade, da in Deutſchland ein ſolcher Gegenſtand und eine ſolche Sprache unter20 den Dedikazionen eben nicht gewöhnlich ſind.
Ihre Durchlaucht theilen — wie es faſt ſcheint — einen flüchtigen Irrthum des mir ewig theuern Herzogs von Meiningen über mich, welcher auf Koſten meines Herzens und Geſchmacks zugleich einen einfältigen Spaß im hieſigen Wochenblatte mir zuſchreiben konnte.25 Meine Seele blieb ihm ſo treu wie ſeine Gemahlinn — und Coburgs Reitze machen eben nicht untreu.
— Außer etwa gegen Coburg ſelber; wenigſtens vertauſch’ ich es in 14 Tagen mit Bayreuth. — Verzeihen Ihre Durchlaucht dieſe Schreibſeligkeit — empfangen Sie meinen Dank für Ihre Blätter30 voll Blitze und Duft — erhören Sie meinen alte Bitte — und erlauben Sie mir die ſüße Hoffnung, Ihnen nicht durch meine Denkungsart (die Schreibart rechn’ ich nicht zu ihr) zu misfallen —
[Spaltenumbruch]Cob. d. 29 July35 1804. [Spaltenumbruch]
Ihrer Durchlaucht unterthänigſter Jean Paul Fr. Richter
20 Jean Paul Briefe. IV.
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rechten pikanten innern Liebe. — Meine Aeſthetik hab ich dem Herzog
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die erſte ihrer Art iſt, aber nicht in England — wegen des Tons und
der geheimen Strafpredigt zuläſſet, welche ihn vom Witze auf das
Regieren verweiſet. Leben Sie wol, mein Alter, Milder, Wilder! 5
487. An Herzog Emil Auguſt von Gotha.
Gnädigſter Herzog,
Das Schreiben Ihrer Durchlaucht und deſſen Bilderkabinet hat mir
eben ſo viele Freude als Mühe gemacht; zuletzt aber, da ichs ganz
verſtehe, nur Freude. Was den Streitpunkt des Witzes ꝛc. anlangt, ſo 10
behaupten Sie während Ihres Solotanzes blos, es gebe keine Be-
wegung und Zeno habe Recht. Indeß glaubt jeder Weltkörper zu
ſtehen, ob er gleich fliegt.
Da Ihre Durchlaucht durch Ihre Miſchung von Scherz und Ernſt
mir die Erlaubniß gaben, Ihr Nein auszulegen und zu rangieren: 15
ſo hab’ ich die Meinung erwählt, welche mir die wolthuendſte iſt und
ich habe das Ganze für die ſchöne Erhörung meiner Bitte angeſehen.
Doch iſt immer noch Poſtzeit, mich durch einen ausdrücklichen Befehl
um meinen ſchönen Traum zu bringen. Indeß wär’ es Schade, da
in Deutſchland ein ſolcher Gegenſtand und eine ſolche Sprache unter 20
den Dedikazionen eben nicht gewöhnlich ſind.
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Ihre Durchlaucht theilen — wie es faſt ſcheint — einen flüchtigen
Irrthum des mir ewig theuern Herzogs von Meiningen über mich,
welcher auf Koſten meines Herzens und Geſchmacks zugleich einen
einfältigen Spaß im hieſigen Wochenblatte mir zuſchreiben konnte. 25
Meine Seele blieb ihm ſo treu wie ſeine Gemahlinn — und Coburgs
Reitze machen eben nicht untreu.
— Außer etwa gegen Coburg ſelber; wenigſtens vertauſch’ ich es
in 14 Tagen mit Bayreuth. — Verzeihen Ihre Durchlaucht dieſe
Schreibſeligkeit — empfangen Sie meinen Dank für Ihre Blätter 30
voll Blitze und Duft — erhören Sie meinen alte Bitte — und erlauben
Sie mir die ſüße Hoffnung, Ihnen nicht durch meine Denkungsart (die
Schreibart rechn’ ich nicht zu ihr) zu misfallen —
Cob. d. 29 July 35
1804.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/318>, abgerufen am 16.02.2025.
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