[310]und doch ist Ihr ersteres so gut, daß ich gegen den Sang sündige oft. -- -- Die Indier hauen Giftbäume nur mit einer Maske um, um nicht selber umzufallen. Wangenheim, du hast keine!
A.
Ew. Wohlgeboren ist es wohl nach Ihrem Benehmen*) zu urtheilen, sehr5 interessant, das in der Anlage angekündigte Kampfgericht den künftigen Montag mit anzusehen und meine Abschieds-Rede mit anzuhören. Die Konferenz wird bei offenen Thüren gehalten und ich will Ihnen einen Zutritt in das Vorzimmer verschaffen, wo ohnehin alle Rendanten versammelt sind, wenn Sie Lust dazu haben.10
Kretschmann.
Donnerstags d. 23.
Ich wolte sehr, ich hätte vor dem Montage meine prophetische Meinung erklärt. Es war diese, daß K. entsezlich lügt -- alle Menschen und Kollegen zu Maschinen macht wie jeder Minister -- keine Geseze15 achtet als die er giebt -- das Land zur Staffel des Throns macht oder zum Fruchtteller auf der Hoftafel -- daß er jeden überredet, den Hof ohnehin -- daß er unter den mir bekanten Ministern vielleicht das längste geschliffenste Zungenschwert ziehen kan -- daß er fürchterlich viel Talent hat und den Ehrgeiz ohne Ehrliebe und eine Finanzkraft,20 der nichts fehlet als ein grösseres Land zum geistigen Saatfeld. -- Ach wie kan ich alles erzählen bei meinem Hasse des eignen Erzählens, das man mir so wenig erwiedert? Die Regierung hatte vorher einen Injurienprozes mit ihm -- sie wurde vor der Konferenz dis-suspen- siert**), dem Präsidenten die HausAkten genommen -- bei der25 1ten Konferenz sprach Wangenheim am meisten und stärksten, nante den Erkersr[euther] Kauf einen Betrug -- zeigte einen Brief von Voelderndorf -- konte vor Krankheit kaum reden -- Kr. siegte ziemlich -- der Herzog sezte ihn W. in seine Würde wieder mündlich ein, abends aber bekam er wieder ein Dekret der Suspension -- er30 [311]fodert Dimission -- ist krank am 2ten Konferenz Tage -- am dritten geht er wieder in die Konferenz, siegt sehr -- jezt ist eine Kommission niedergesezt und K. geht wahrscheinlich verloren oder doch fort. Ab-
*) Bezieht sich auf Zurükweichen und Vermeiden; und vielleicht auf das was ich dem Herzog für Wangenheim gesagt. Richter35
**) Der Minister lies dan en bureau die Regierung bei sich arbeiten und vikarierte als Präsident im Kollegio der seiner Kläger.
[310]und doch iſt Ihr erſteres ſo gut, daß ich gegen den Sang ſündige oft. — — Die Indier hauen Giftbäume nur mit einer Maſke um, um nicht ſelber umzufallen. Wangenheim, du haſt keine!
A.
Ew. Wohlgeboren iſt es wohl nach Ihrem Benehmen*) zu urtheilen, ſehr5 intereſſant, das in der Anlage angekündigte Kampfgericht den künftigen Montag mit anzuſehen und meine Abſchieds-Rede mit anzuhören. Die Konferenz wird bei offenen Thüren gehalten und ich will Ihnen einen Zutritt in das Vorzimmer verſchaffen, wo ohnehin alle Rendanten verſammelt ſind, wenn Sie Luſt dazu haben.10
Kretschmann.
Donnerſtags d. 23.
Ich wolte ſehr, ich hätte vor dem Montage meine prophetiſche Meinung erklärt. Es war dieſe, daß K. entſezlich lügt — alle Menſchen und Kollegen zu Maſchinen macht wie jeder Miniſter — keine Geſeze15 achtet als die er giebt — das Land zur Staffel des Throns macht oder zum Fruchtteller auf der Hoftafel — daß er jeden überredet, den Hof ohnehin — daß er unter den mir bekanten Miniſtern vielleicht das längſte geſchliffenſte Zungenſchwert ziehen kan — daß er fürchterlich viel Talent hat und den Ehrgeiz ohne Ehrliebe und eine Finanzkraft,20 der nichts fehlet als ein gröſſeres Land zum geiſtigen Saatfeld. — Ach wie kan ich alles erzählen bei meinem Haſſe des eignen Erzählens, das man mir ſo wenig erwiedert? Die Regierung hatte vorher einen Injurienprozes mit ihm — ſie wurde vor der Konferenz diſ-〈ſuſ〉pen- ſiert**), dem Präſidenten die HausAkten genommen — bei der25 1ten Konferenz ſprach Wangenheim am meiſten und ſtärkſten, nante den Erkersr[euther] Kauf einen Betrug — zeigte einen Brief von Voelderndorf — konte vor Krankheit kaum reden — Kr. ſiegte ziemlich — der Herzog ſezte ihn 〈W.〉 in ſeine Würde wieder mündlich ein, abends aber bekam er wieder ein Dekret der Suſpenſion — er30 [311]fodert Dimiſſion — iſt krank am 2ten Konferenz Tage — am dritten geht er wieder in die Konferenz, ſiegt ſehr — jezt iſt eine Kommiſſion niedergeſezt und K. geht wahrſcheinlich verloren oder doch fort. Ab-
*) Bezieht ſich auf Zurükweichen und Vermeiden; und vielleicht auf das was ich dem Herzog für Wangenheim geſagt. Richter35
**) Der Miniſter lies dan en bureau die Regierung bei ſich arbeiten und vikarierte als Präſident im Kollegio der 〈ſeiner〉 Kläger.
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und doch iſt Ihr erſteres ſo gut, daß ich gegen den Sang ſündige oft.
— — Die Indier hauen Giftbäume nur mit einer Maſke um, um
nicht ſelber umzufallen. Wangenheim, du haſt keine!
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A.
Ew. Wohlgeboren iſt es wohl nach Ihrem Benehmen *) zu urtheilen, ſehr 5
intereſſant, das in der Anlage angekündigte Kampfgericht den künftigen Montag
mit anzuſehen und meine Abſchieds-Rede mit anzuhören. Die Konferenz wird
bei offenen Thüren gehalten und ich will Ihnen einen Zutritt in das Vorzimmer
verſchaffen, wo ohnehin alle Rendanten verſammelt ſind, wenn Sie Luſt dazu
haben. 10
Kretschmann.
Donnerſtags d. 23.
Ich wolte ſehr, ich hätte vor dem Montage meine prophetiſche
Meinung erklärt. Es war dieſe, daß K. entſezlich lügt — alle Menſchen
und Kollegen zu Maſchinen macht wie jeder Miniſter — keine Geſeze 15
achtet als die er giebt — das Land zur Staffel des Throns macht oder
zum Fruchtteller auf der Hoftafel — daß er jeden überredet, den Hof
ohnehin — daß er unter den mir bekanten Miniſtern vielleicht das
längſte geſchliffenſte Zungenſchwert ziehen kan — daß er fürchterlich
viel Talent hat und den Ehrgeiz ohne Ehrliebe und eine Finanzkraft, 20
der nichts fehlet als ein gröſſeres Land zum geiſtigen Saatfeld. — Ach
wie kan ich alles erzählen bei meinem Haſſe des eignen Erzählens, das
man mir ſo wenig erwiedert? Die Regierung hatte vorher einen
Injurienprozes mit ihm — ſie wurde vor der Konferenz diſ-〈ſuſ〉pen-
ſiert **), dem Präſidenten die HausAkten genommen — bei der 25
1ten Konferenz ſprach Wangenheim am meiſten und ſtärkſten, nante
den Erkersr[euther] Kauf einen Betrug — zeigte einen Brief von
Voelderndorf — konte vor Krankheit kaum reden — Kr. ſiegte
ziemlich — der Herzog ſezte ihn 〈W.〉 in ſeine Würde wieder mündlich
ein, abends aber bekam er wieder ein Dekret der Suſpenſion — er 30
fodert Dimiſſion — iſt krank am 2ten Konferenz Tage — am dritten
geht er wieder in die Konferenz, ſiegt ſehr — jezt iſt eine Kommiſſion
niedergeſezt und K. geht wahrſcheinlich verloren oder doch fort. Ab-
[311]
*) Bezieht ſich auf Zurükweichen und Vermeiden; und vielleicht auf das was
ich dem Herzog für Wangenheim geſagt. Richter 35
**) Der Miniſter lies dan en bureau die Regierung bei ſich arbeiten und
vikarierte als Präſident im Kollegio der 〈ſeiner〉 Kläger.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/290>, abgerufen am 16.07.2024.
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