Ernestine ist freudig über das Brief- und Rokblat. Ich glaube, Sie sind der einzige, der einem erzwungnen Anlehen (denn die Freund- schaft zwingt mehr als Gewalt) noch Geschenke beifügt; aber bei Ihnen ist alles ungezwungen; und bei Gott! wenn ich Sie nicht so sehr liebte und achtete, so würden mich meine Verbindlichkeiten gegen Sie ein-5 engen.
Abends 4 Uhr.
Ich fragte eben -- ich as bei Kr[etschman] -- auf der Post nach dem schnelsten Tag des Empfangs; Dienstags (den 6ten) ists -- also da wird getauft. Bei meiner Ehre! Komt der Brief zu spät,10 so bleibt diese und mein Wille. Ich würde gern und gerner den 9ten wählen, wär' ich des Daseins der 2 Arme, die den Wurm halten, E.'s, noch so lange sicher.
v. Doppelmaier und Frau sind hier. An Otto wil ich davon [286]schreiben. -- Ernestine lass' ich bis Rudolstadt fahren, wovon sie15 M[ahlman] abholt; entweder ich gehe mit oder Halter, der Flegel- Kopist; ein herlicher Mensch. -- Die gute Schwendler hatte das Glük, ihren Vater zu verlieren; und also 20,000 rtl. nicht; was ihr zu gönnen, da sie mehr braucht als liebt.
Was macht die gute Renate? Diese einzige in Hof haben mir die20 Städte und die Zeit nicht vernichtet (doch auch die Liebman, die Köhler's Lene nicht ganz); so liebt der Mensch zurük in jene Zeit, wo sein Inneres geboren wurde, so wie in den Geburtsort seines Äussern. -- Sie sei innig von mir gegrüsset und brauche kein Bedauern. O Gott, wenn sich Völker verändern, warum nicht ein Mensch unter25 einem Volk? Daher vergebe man jedem, den Besten ausgenommen.
[gestrichen: NB. Zu Otto sagen Sie am 9ten, wenn ers gar nicht denkt: "noch eine Gesundheit! Ihre! So wil der Koburger; und "schriebs bei Gott!" -- Ich bitte Sie, schwach zu schwören.] Vid. Beilage O.30
Jezt noch einige Antworten auf die Ihre.
Freund! Ein 2tes, 8tes, 100tes Kind ist nie ein 1tes, obwohl ein 2tes ein 8tes oder 100tes sein könte. Die Hauptsache ist die häsliche Wagschaft der Mutter. Mich hat die gegenwärtige ein Paar Nächte gekostet, weil ich da den Leichtsin der Schwangerschaft überlegte. Doch35 begehrt man ein anderes Geschlecht; und jezt ist mir einerlei, was komt; denn nichts Neues ist mehr zu haben. C. liebt Maxen fürchter-
Ernestine iſt freudig über das Brief- und Rokblat. Ich glaube, Sie ſind der einzige, der einem erzwungnen Anlehen (denn die Freund- ſchaft zwingt mehr als Gewalt) noch Geſchenke beifügt; aber bei Ihnen iſt alles ungezwungen; und bei Gott! wenn ich Sie nicht ſo ſehr liebte und achtete, ſo würden mich meine Verbindlichkeiten gegen Sie ein-5 engen.
Abends 4 Uhr.
Ich fragte eben — ich as bei Kr[etschman] — auf der Poſt nach dem ſchnelſten Tag des Empfangs; Dienſtags (den 6ten) iſts — alſo da wird getauft. Bei meiner Ehre! Komt der Brief zu ſpät,10 ſo bleibt dieſe und mein Wille. Ich würde gern und gerner den 9ten wählen, wär’ ich des Daſeins der 2 Arme, die den Wurm halten, E.’s, noch ſo lange ſicher.
v. Doppelmaier und Frau ſind hier. An Otto wil ich davon [286]ſchreiben. — Ernestine laſſ’ ich bis Rudolstadt fahren, wovon ſie15 M[ahlman] abholt; entweder ich gehe mit oder Halter, der Flegel- Kopiſt; ein herlicher Menſch. — Die gute Schwendler hatte das Glük, ihren Vater zu verlieren; und alſo 20,000 rtl. nicht; was ihr zu gönnen, da ſie mehr braucht als liebt.
Was macht die gute Renate? Dieſe einzige in Hof haben mir die20 Städte und die Zeit nicht vernichtet (doch auch die Liebman, die Köhler’s Lene nicht ganz); ſo liebt der Menſch zurük in jene Zeit, wo ſein Inneres geboren wurde, ſo wie in den Geburtsort ſeines Äuſſern. — Sie ſei innig von mir gegrüſſet und brauche kein Bedauern. O Gott, wenn ſich Völker verändern, warum nicht ein Menſch unter25 einem Volk? Daher vergebe man jedem, den Beſten ausgenommen.
[gestrichen: NB. Zu Otto ſagen Sie am 9ten, wenn ers gar nicht denkt: „noch eine Geſundheit! Ihre! So wil der Koburger; und „ſchriebs bei Gott!“ — Ich bitte Sie, ſchwach zu ſchwören.] Vid. Beilage O.30
Jezt noch einige Antworten auf die Ihre.
Freund! Ein 2tes, 8tes, 100tes Kind iſt nie ein 1tes, obwohl ein 2tes ein 8tes oder 100tes ſein könte. Die Hauptſache iſt die häsliche Wagſchaft der Mutter. Mich hat die gegenwärtige ein Paar Nächte gekoſtet, weil ich da den Leichtſin der Schwangerſchaft überlegte. Doch35 begehrt man ein anderes Geſchlecht; und jezt iſt mir einerlei, was komt; denn nichts Neues iſt mehr zu haben. C. liebt Maxen fürchter-
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Ernestine iſt freudig über das Brief- und Rokblat. Ich glaube,
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ſchaft zwingt mehr als Gewalt) noch Geſchenke beifügt; aber bei Ihnen
iſt alles ungezwungen; und bei Gott! wenn ich Sie nicht ſo ſehr liebte
und achtete, ſo würden mich meine Verbindlichkeiten gegen Sie ein- 5
engen.
Abends 4 Uhr.
Ich fragte eben — ich as bei Kr[etschman] — auf der Poſt nach
dem ſchnelſten Tag des Empfangs; Dienſtags (den 6ten) iſts — alſo
da wird getauft. Bei meiner Ehre! Komt der Brief zu ſpät, 10
ſo bleibt dieſe und mein Wille. Ich würde gern und gerner den 9ten
wählen, wär’ ich des Daſeins der 2 Arme, die den Wurm halten,
E.’s, noch ſo lange ſicher.
v. Doppelmaier und Frau ſind hier. An Otto wil ich davon
ſchreiben. — Ernestine laſſ’ ich bis Rudolstadt fahren, wovon ſie 15
M[ahlman] abholt; entweder ich gehe mit oder Halter, der Flegel-
Kopiſt; ein herlicher Menſch. — Die gute Schwendler hatte das
Glük, ihren Vater zu verlieren; und alſo 20,000 rtl. nicht; was ihr
zu gönnen, da ſie mehr braucht als liebt.
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Was macht die gute Renate? Dieſe einzige in Hof haben mir die 20
Städte und die Zeit nicht vernichtet (doch auch die Liebman, die
Köhler’s Lene nicht ganz); ſo liebt der Menſch zurük in jene Zeit,
wo ſein Inneres geboren wurde, ſo wie in den Geburtsort ſeines
Äuſſern. — Sie ſei innig von mir gegrüſſet und brauche kein Bedauern.
O Gott, wenn ſich Völker verändern, warum nicht ein Menſch unter 25
einem Volk? Daher vergebe man jedem, den Beſten ausgenommen.
[gestrichen: NB. Zu Otto ſagen Sie am 9ten, wenn ers gar
nicht denkt: „noch eine Geſundheit! Ihre! So wil der Koburger; und
„ſchriebs bei Gott!“ — Ich bitte Sie, ſchwach zu ſchwören.] Vid.
Beilage O. 30
Jezt noch einige Antworten auf die Ihre.
Freund! Ein 2tes, 8tes, 100tes Kind iſt nie ein 1tes, obwohl ein
2tes ein 8tes oder 100tes ſein könte. Die Hauptſache iſt die häsliche
Wagſchaft der Mutter. Mich hat die gegenwärtige ein Paar Nächte
gekoſtet, weil ich da den Leichtſin der Schwangerſchaft überlegte. Doch 35
begehrt man ein anderes Geſchlecht; und jezt iſt mir einerlei, was
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/268>, abgerufen am 16.07.2024.
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