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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

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Bogen und Wirkungen sehen mus (denn Eine Verodnung wirkt auf
100 Adeliche und 10000 Bürgerliche) und weil es, wenn Gebildete
irren und täuschen, welche das Ideal-Prinzip und das Handeln dar-
nach kennen solten, zu entschuldigen ist mit seiner Unbekantschaft damit
und mit dem leider monarch[isch] richt[igen] Glauben, daß hohe5
Aemter gleich seinen tiefen nur einsammelnde Klingel-, nicht be-
wahrende Herzbeutel und daß man darin nur körperlich ernten, nie
geistig säen wolle. Wie sol es auf der niedern Gasse überschauen, wenn
es andere Menschen auf hohen Posten nicht thun -- Sie verlieren
durch Worte, was Sie durch Fakta gewinnen -- Verzeihen Sie meine10
Freimüthigkeit, es ist die beste Art, die Ihrige zu ehren und nach-
zuahmen -- Spuren meiner Eile, welche, die Spur ausgenommen,
wieder der Ihrigen nachfolgt.

386. An Christian Otto.
15

Jezt kurz vor meinem Bettgehen komt dein Brief. Nur eiligste
Antwort. Nicht einmal dein Mädgen hab' ich gesehen. Warum
schwieg Emanuel so lange? Jezt hilft mir wieder das Glük Euers
Daseins nichts, weil ich auf wetterloses Wetter passe. -- Wirds
schön, kommen wir. -- Über alles künftig durch die Post. -- Du20
hast mir keinen neuen Einwand gegen Kretschman gesagt. Alles ist
im Werke, das er mir zum Weg- und Zuschreiben gegeben, widerlegt.
Ich finde bei ihm gerade die kräftigsten und besten Menschen; und ich
und C. leben recht bürgerlich freundsch[aftlich] in seinem Haus. Er
spart für dich eine ökonomische wichtige Stelle auf, er wil dich aber[255]25
vorher sprechen. In deiner Quartiermeisterei findet er wenig Arbeit
und viel moralische Quaal und Unreinigkeit. -- Kurz ich weis jezt, was
ein vortreflicher Minister ist. Schlaf wohl!

Beim Henker! so lies einmal den Titan aus; du verdirbst ja den
Eindruk. --30

387. An Christian Otto.

Eiligst mitten in den "Flegeljahren" (blos so heisset der Titel)

Der Teufel mus gestern abends mich regiert haben, daß ich dir auf
alle deine schönen Sachen so kalte dumme schrieb; es war aber der35

15*

Bogen und Wirkungen ſehen mus (denn Eine Verodnung wirkt auf
100 Adeliche und 10000 Bürgerliche) und weil es, wenn Gebildete
irren und täuſchen, welche das Ideal-Prinzip und das Handeln dar-
nach kennen ſolten, zu entſchuldigen iſt mit ſeiner Unbekantſchaft damit
und mit dem leider monarch[iſch] richt[igen] Glauben, daß hohe5
Aemter gleich ſeinen tiefen nur einſammelnde Klingel-, nicht be-
wahrende Herzbeutel und daß man darin nur körperlich ernten, nie
geiſtig ſäen wolle. Wie ſol es auf der niedern Gaſſe überſchauen, wenn
es andere Menſchen auf hohen Poſten nicht thun — Sie verlieren
durch Worte, was Sie durch Fakta gewinnen — Verzeihen Sie meine10
Freimüthigkeit, es iſt die beſte Art, die Ihrige zu ehren und nach-
zuahmen — Spuren meiner Eile, welche, die Spur ausgenommen,
wieder der Ihrigen nachfolgt.

386. An Chriſtian Otto.
15

Jezt kurz vor meinem Bettgehen komt dein Brief. Nur eiligſte
Antwort. Nicht einmal dein Mädgen hab’ ich geſehen. Warum
ſchwieg Emanuel ſo lange? Jezt hilft mir wieder das Glük Euers
Daſeins nichts, weil ich auf wetterloſes Wetter paſſe. — Wirds
ſchön, kommen wir. — Über alles künftig durch die Poſt. — Du20
haſt mir keinen neuen Einwand gegen Kretſchman geſagt. Alles iſt
im Werke, das er mir zum Weg- und Zuſchreiben gegeben, widerlegt.
Ich finde bei ihm gerade die kräftigſten und beſten Menſchen; und ich
und C. leben recht bürgerlich freundſch[aftlich] in ſeinem Haus. Er
ſpart für dich eine ökonomiſche wichtige Stelle auf, er wil dich aber[255]25
vorher ſprechen. In deiner Quartiermeiſterei findet er wenig Arbeit
und viel moraliſche Quaal und Unreinigkeit. — Kurz ich weis jezt, was
ein vortreflicher Miniſter iſt. Schlaf wohl!

Beim Henker! ſo lies einmal den Titan aus; du verdirbſt ja den
Eindruk. —30

387. An Chriſtian Otto.

Eiligſt mitten in den „Flegeljahren“ (blos ſo heiſſet der Titel)

Der Teufel mus geſtern abends mich regiert haben, daß ich dir auf
alle deine ſchönen Sachen ſo kalte dumme ſchrieb; es war aber der35

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[227/0235] Bogen und Wirkungen ſehen mus (denn Eine Verodnung wirkt auf 100 Adeliche und 10000 Bürgerliche) und weil es, wenn Gebildete irren und täuſchen, welche das Ideal-Prinzip und das Handeln dar- nach kennen ſolten, zu entſchuldigen iſt mit ſeiner Unbekantſchaft damit und mit dem leider monarch[iſch] richt[igen] Glauben, daß hohe 5 Aemter gleich ſeinen tiefen nur einſammelnde Klingel-, nicht be- wahrende Herzbeutel und daß man darin nur körperlich ernten, nie geiſtig ſäen wolle. Wie ſol es auf der niedern Gaſſe überſchauen, wenn es andere Menſchen auf hohen Poſten nicht thun — Sie verlieren durch Worte, was Sie durch Fakta gewinnen — Verzeihen Sie meine 10 Freimüthigkeit, es iſt die beſte Art, die Ihrige zu ehren und nach- zuahmen — Spuren meiner Eile, welche, die Spur ausgenommen, wieder der Ihrigen nachfolgt. 386. An Chriſtian Otto. [Koburg, 4. Juli 1803] 15 Jezt kurz vor meinem Bettgehen komt dein Brief. Nur eiligſte Antwort. Nicht einmal dein Mädgen hab’ ich geſehen. Warum ſchwieg Emanuel ſo lange? Jezt hilft mir wieder das Glük Euers Daſeins nichts, weil ich auf wetterloſes Wetter paſſe. — Wirds ſchön, kommen wir. — Über alles künftig durch die Poſt. — Du 20 haſt mir keinen neuen Einwand gegen Kretſchman geſagt. Alles iſt im Werke, das er mir zum Weg- und Zuſchreiben gegeben, widerlegt. Ich finde bei ihm gerade die kräftigſten und beſten Menſchen; und ich und C. leben recht bürgerlich freundſch[aftlich] in ſeinem Haus. Er ſpart für dich eine ökonomiſche wichtige Stelle auf, er wil dich aber 25 vorher ſprechen. In deiner Quartiermeiſterei findet er wenig Arbeit und viel moraliſche Quaal und Unreinigkeit. — Kurz ich weis jezt, was ein vortreflicher Miniſter iſt. Schlaf wohl! [255] Beim Henker! ſo lies einmal den Titan aus; du verdirbſt ja den Eindruk. — 30 387. An Chriſtian Otto. Coburg. d. 5. July 1803 [Dienstag]. Eiligſt mitten in den „Flegeljahren“ (blos ſo heiſſet der Titel) Der Teufel mus geſtern abends mich regiert haben, daß ich dir auf alle deine ſchönen Sachen ſo kalte dumme ſchrieb; es war aber der 35 15*

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/235>, abgerufen am 24.11.2024.