Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960.

Bild:
<< vorherige Seite

die alten noch? Ich möchte viel von de et abs dir wissen, -- gerade
jezt, wo ich einmal deine dämmernden Stuben in der dämmernden
Jahrszeit bezogen und wo wir dan nichts machten als Spas und
Toilette für jeden Abend -- auch möcht' ich wissen (jezt ernsthaft), ob
dein inneres Glük Blüten, Früchte, Himmel oder Nordpol hat? Davon5
lege mir wieder wie in alter Zeit, etwas in die Brust, ich werd' es
gern aufnehmen.

Von meiner in deine hab' ich jezt nichts zu bringen; mein Kind
(Emma) müst' ich denn daran legen. Ein himmelschönes Wesen!
Freilich schreit's. -- Die Angst ist doch vorüber, womit ein Man10
seine Frau mit der Last eines doppelten Lebens über das breite Grab
wegschreiten sieht. Unser Kleeblat ist frisch und grün, besonders mein
Blat; denn ich habe Bier, was dem guten Berlin samt einem Berge
fehlet. Doch habt ihr Bierwasser oder Wasserbiere in schöner Mannig-
faltigkeit.15

Ich thue eine Bitte an dich, deren Erfüllung dir im Herbste, wo
du auch ein Zugvogel bist obwohl nur durch Strassen, weniger schwer
fallen wird .... Das Gescheuteste ist, ich sende dir den ganzen Brief
der Frau v. Lochner, die früher eine Nonne, jezt eine Madonna
(nicht nur an Schönheit) ist. Der Name des Hofmeisters heisset20
Professor und Rath Andre in Würzburg.

Kanst du die Sache nicht erfragen, so frage meinen Schwieger-
vater, indem du zugleich sagst, daß ich ihm, nach zwei so neuen Bitten
und Fragen meiner Frau, nicht gern mit der dritten kommen wolte. --
Apropos schon einmal hast du in meinem Namen deinem ehrlichen25
Müller 1 rtl. geschenkt; schenk' ihm noch 2 und bringe sie mir in
Rechnung. Er sei gegrüsset, der Ehrliche! Himmel, unser Stuben-
[210]leben war einst ein schönes genialisches Leben -- und wenn der Donner
nicht einmal dreingefahren wäre, daß es solange nachher nach
Schwefel stank, kein götlicheres hätt' ich gewust. Mög' es dir jezt30
zum Lohne der schönen Zeit beschieden sein! Herzlich sehn' ich mich
nach einer Wiederholung, die auch kommen wird. Grüsse die, die du
so liebtest -- dan die und den Sander -- die Herz -- das ökonomische
adliche Fräulein -- die Levi -- Unzelmann -- die Deinigen, dich
und deinen alten

Paullum.35
[Adr.] H. Hans Georg v. Ahlefeldt. D[urch] unsern Sontags-
(oder decadi)-restaurateur.

die alten noch? Ich möchte viel von 〈de et abs〉 dir wiſſen, — gerade
jezt, wo ich einmal deine dämmernden Stuben in der dämmernden
Jahrszeit bezogen und wo wir dan nichts machten als Spas und
Toilette für jeden Abend — auch möcht’ ich wiſſen (jezt ernſthaft), ob
dein inneres Glük Blüten, Früchte, Himmel oder Nordpol hat? Davon5
lege mir wieder wie in alter Zeit, etwas in die Bruſt, ich werd’ es
gern aufnehmen.

Von meiner in deine hab’ ich jezt nichts zu bringen; mein Kind
(Emma) müſt’ ich denn daran legen. Ein himmelſchönes Weſen!
Freilich ſchreit’s. — Die Angſt iſt doch vorüber, womit ein Man10
ſeine Frau mit der Laſt eines doppelten Lebens über das breite Grab
wegſchreiten ſieht. Unſer Kleeblat iſt friſch und grün, beſonders mein
Blat; denn ich habe Bier, was dem guten Berlin ſamt einem Berge
fehlet. Doch habt ihr Bierwaſſer oder Waſſerbiere in ſchöner Mannig-
faltigkeit.15

Ich thue eine Bitte an dich, deren Erfüllung dir im Herbſte, wo
du auch ein Zugvogel biſt obwohl nur durch Straſſen, weniger ſchwer
fallen wird .... Das Geſcheuteſte iſt, ich ſende dir den ganzen Brief
der Frau v. Lochner, die früher eine Nonne, jezt eine Madonna
(nicht nur an Schönheit) iſt. Der Name des Hofmeiſters heiſſet20
Profeſſor und Rath André in Würzburg.

Kanſt du die Sache nicht erfragen, ſo frage meinen Schwieger-
vater, indem du zugleich ſagſt, daß ich ihm, nach zwei ſo neuen Bitten
und Fragen meiner Frau, nicht gern mit der dritten kommen wolte. —
Apropos ſchon einmal haſt du in meinem Namen deinem ehrlichen25
Müller 1 rtl. geſchenkt; ſchenk’ ihm noch 2 und bringe ſie mir in
Rechnung. Er ſei gegrüſſet, der Ehrliche! Himmel, unſer Stuben-
[210]leben war einſt ein ſchönes genialiſches Leben — und wenn der Donner
nicht einmal dreingefahren wäre, daß es ſolange nachher nach
Schwefel ſtank, kein götlicheres hätt’ ich gewuſt. Mög’ es dir jezt30
zum Lohne der ſchönen Zeit beſchieden ſein! Herzlich ſehn’ ich mich
nach einer Wiederholung, die auch kommen wird. Grüſſe die, die du
ſo liebteſt — dan die und den Sander — die Herz — das ökonomiſche
adliche Fräulein — die Levi — Unzelmann — die Deinigen, dich
und deinen alten

Paullum.35
[Adr.] H. Hans Georg v. Ahlefeldt. D[urch] unſern Sontags-
(oder decadi)-restaurateur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0195" n="188"/>
die alten noch? Ich möchte viel von &#x2329;<hi rendition="#aq">de et abs</hi>&#x232A; dir wi&#x017F;&#x017F;en, &#x2014; gerade<lb/>
jezt, wo ich einmal deine dämmernden Stuben in der dämmernden<lb/>
Jahrszeit bezogen und wo wir dan nichts machten als Spas und<lb/>
Toilette für jeden Abend &#x2014; auch möcht&#x2019; ich wi&#x017F;&#x017F;en (jezt ern&#x017F;thaft), ob<lb/>
dein inneres Glük Blüten, Früchte, Himmel oder Nordpol hat? Davon<lb n="5"/>
lege mir wieder wie in alter Zeit, etwas in die Bru&#x017F;t, ich werd&#x2019; es<lb/>
gern aufnehmen.</p><lb/>
        <p>Von meiner in deine hab&#x2019; ich jezt nichts zu bringen; mein Kind<lb/>
(<hi rendition="#aq">Emma</hi>) mü&#x017F;t&#x2019; ich denn daran legen. Ein himmel&#x017F;chönes We&#x017F;en!<lb/>
Freilich &#x017F;chreit&#x2019;s. &#x2014; Die Ang&#x017F;t i&#x017F;t doch vorüber, womit ein Man<lb n="10"/>
&#x017F;eine Frau mit der La&#x017F;t eines doppelten Lebens über das breite Grab<lb/>
weg&#x017F;chreiten &#x017F;ieht. Un&#x017F;er Kleeblat i&#x017F;t fri&#x017F;ch und grün, be&#x017F;onders mein<lb/>
Blat; denn ich habe Bier, was dem guten <hi rendition="#aq">Berlin</hi> &#x017F;amt einem Berge<lb/>
fehlet. Doch habt ihr Bierwa&#x017F;&#x017F;er oder Wa&#x017F;&#x017F;erbiere in &#x017F;chöner Mannig-<lb/>
faltigkeit.<lb n="15"/>
</p>
        <p>Ich thue eine Bitte an dich, deren Erfüllung dir im Herb&#x017F;te, wo<lb/>
du auch ein Zugvogel bi&#x017F;t obwohl nur durch Stra&#x017F;&#x017F;en, weniger &#x017F;chwer<lb/>
fallen wird .... Das Ge&#x017F;cheute&#x017F;te i&#x017F;t, ich &#x017F;ende dir den ganzen Brief<lb/>
der Frau <hi rendition="#aq">v. Lochner,</hi> die früher eine Nonne, jezt eine Madonna<lb/>
(nicht nur an Schönheit) i&#x017F;t. Der Name des Hofmei&#x017F;ters hei&#x017F;&#x017F;et<lb n="20"/>
Profe&#x017F;&#x017F;or und Rath <hi rendition="#aq">André</hi> in Würzburg.</p><lb/>
        <p>Kan&#x017F;t du die Sache nicht erfragen, &#x017F;o frage meinen Schwieger-<lb/>
vater, indem du zugleich &#x017F;ag&#x017F;t, daß ich ihm, nach zwei &#x017F;o neuen Bitten<lb/>
und Fragen meiner Frau, nicht gern mit der dritten kommen wolte. &#x2014;<lb/>
Apropos &#x017F;chon einmal ha&#x017F;t du in meinem Namen deinem ehrlichen<lb n="25"/>
Müller 1 rtl. ge&#x017F;chenkt; &#x017F;chenk&#x2019; ihm noch 2 und bringe &#x017F;ie mir in<lb/>
Rechnung. Er &#x017F;ei gegrü&#x017F;&#x017F;et, der Ehrliche! Himmel, un&#x017F;er Stuben-<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd4_210">[210]</ref></note>leben war ein&#x017F;t ein &#x017F;chönes geniali&#x017F;ches Leben &#x2014; und wenn der Donner<lb/>
nicht einmal dreingefahren wäre, daß es &#x017F;olange nachher nach<lb/>
Schwefel &#x017F;tank, kein götlicheres hätt&#x2019; ich gewu&#x017F;t. Mög&#x2019; es dir jezt<lb n="30"/>
zum Lohne der &#x017F;chönen Zeit be&#x017F;chieden &#x017F;ein! Herzlich &#x017F;ehn&#x2019; ich mich<lb/>
nach einer Wiederholung, die auch kommen wird. Grü&#x017F;&#x017F;e die, die du<lb/>
&#x017F;o liebte&#x017F;t &#x2014; dan die und den <hi rendition="#aq">Sander</hi> &#x2014; die <hi rendition="#aq">Herz</hi> &#x2014; das ökonomi&#x017F;che<lb/>
adliche Fräulein &#x2014; die <hi rendition="#aq">Levi &#x2014; Unzelmann</hi> &#x2014; die Deinigen, dich<lb/>
und deinen alten</p>
        <closer>
          <salute> <hi rendition="#right"> <hi rendition="#aq">Paullum.</hi> </hi> <lb n="35"/>
          </salute>
        </closer>
        <trailer>
          <address>
            <addrLine>[Adr.] H. <hi rendition="#aq">Hans Georg v. Ahlefeldt.</hi> D[urch] un&#x017F;ern Sontags-<lb/>
(oder <hi rendition="#aq">decadi)-restaurateur.</hi></addrLine>
          </address>
        </trailer>
      </div><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[188/0195] die alten noch? Ich möchte viel von 〈de et abs〉 dir wiſſen, — gerade jezt, wo ich einmal deine dämmernden Stuben in der dämmernden Jahrszeit bezogen und wo wir dan nichts machten als Spas und Toilette für jeden Abend — auch möcht’ ich wiſſen (jezt ernſthaft), ob dein inneres Glük Blüten, Früchte, Himmel oder Nordpol hat? Davon 5 lege mir wieder wie in alter Zeit, etwas in die Bruſt, ich werd’ es gern aufnehmen. Von meiner in deine hab’ ich jezt nichts zu bringen; mein Kind (Emma) müſt’ ich denn daran legen. Ein himmelſchönes Weſen! Freilich ſchreit’s. — Die Angſt iſt doch vorüber, womit ein Man 10 ſeine Frau mit der Laſt eines doppelten Lebens über das breite Grab wegſchreiten ſieht. Unſer Kleeblat iſt friſch und grün, beſonders mein Blat; denn ich habe Bier, was dem guten Berlin ſamt einem Berge fehlet. Doch habt ihr Bierwaſſer oder Waſſerbiere in ſchöner Mannig- faltigkeit. 15 Ich thue eine Bitte an dich, deren Erfüllung dir im Herbſte, wo du auch ein Zugvogel biſt obwohl nur durch Straſſen, weniger ſchwer fallen wird .... Das Geſcheuteſte iſt, ich ſende dir den ganzen Brief der Frau v. Lochner, die früher eine Nonne, jezt eine Madonna (nicht nur an Schönheit) iſt. Der Name des Hofmeiſters heiſſet 20 Profeſſor und Rath André in Würzburg. Kanſt du die Sache nicht erfragen, ſo frage meinen Schwieger- vater, indem du zugleich ſagſt, daß ich ihm, nach zwei ſo neuen Bitten und Fragen meiner Frau, nicht gern mit der dritten kommen wolte. — Apropos ſchon einmal haſt du in meinem Namen deinem ehrlichen 25 Müller 1 rtl. geſchenkt; ſchenk’ ihm noch 2 und bringe ſie mir in Rechnung. Er ſei gegrüſſet, der Ehrliche! Himmel, unſer Stuben- leben war einſt ein ſchönes genialiſches Leben — und wenn der Donner nicht einmal dreingefahren wäre, daß es ſolange nachher nach Schwefel ſtank, kein götlicheres hätt’ ich gewuſt. Mög’ es dir jezt 30 zum Lohne der ſchönen Zeit beſchieden ſein! Herzlich ſehn’ ich mich nach einer Wiederholung, die auch kommen wird. Grüſſe die, die du ſo liebteſt — dan die und den Sander — die Herz — das ökonomiſche adliche Fräulein — die Levi — Unzelmann — die Deinigen, dich und deinen alten [210]Paullum. 35 [Adr.] H. Hans Georg v. Ahlefeldt. D[urch] unſern Sontags- (oder decadi)-restaurateur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:08:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:08:29Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/195
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/195>, abgerufen am 24.11.2024.