mit 20 oder 25 herlichen phantastischen Kupferstichen von Blake, englisch prächtig vergoldet und Saffian [und] Atlas und alles wieder in schwarzer L[eder] Hülse; eine ächte Gold[kette] geendigt mit einer grossen Perle dient stat der Zwerg-Zettel die du in Bücher legst. Anonym kams, ist aber vom gothaischen Erbprinzen. Ich taxier'5 es 15 Guineen. Die Kette bin ich gesonnen abzulösen und meiner Frau an den Hals zu henken. Es ist vielleicht nicht zweimal in Deutschland, was mir sehr bei dem Verkaufen einmal helfen kan. --
d. 22. N.
Heute erhielt ich deinen erfreulichen Brief, der mir sehr gefiel,10 ausgenommen die Länge seiner Buchstaben, d. h. die Kürze seines Inhalts. Vergleiche einmal meine mit deinen! Hier ist einige Antwort! Schillers Jungfrau (Jeanne d'Arc de Ciel) war mir nach der Maria St[uart] noch verdächtig troz dem grösten Lobe der W[eimarer] Herzogin Mutter; aber da ich sie gelesen -- hätt' ich beinahe an15 Schiller geschrieben, um zu bewundern. Ihr Tod, ihr hoher ausser- weltlicher Karakter, der Plan im Ganzen, das Romantische flamten mich Verarmten und doch Verwöhnten an. (Du hast doch etwas mehr als ich, [mich.]) Allerdings tadl' ich den verschwin[denden] schwarzen Ritter, den Donner, die wenige Wirkung des Hexenglaubens; deinen20 andern aber scharfsinnigen Tadel*) find ich vielleicht erst bei der35 zweiten Lesung hel und recht; aber der Verbrennungsprozes wäre doch weniger dichterisch gewesen. (Jezt zu dem Alphabet deines Briefs) A. was ist das hinter dem Ende? -- B. Ist die französische Mathilde aus unserem Säkel? Ist nicht die Jungfrau und der König recht? --25 C. Über die Materie wurd' er wohl zu sehr Herr, nur nicht über den Herr-Werdenden. -- D. Wahr geredet! -- E. Weniger! Deine Grundsäze selber sind vortreflich, tief und fest; aber deute mir nur (ohne lange Rechtfertigungen) die bestimten Stellen im zweiten[135] Titan an. Ich suche nie mich mehr, sondern die Sache; mein schein-30 bares Spiel ist oft Nothwendigkeit der Schwäche in mir oder dem Plan; bei dem dritten wirst du meine fortgehende Reinheit und Aufopferung sehen. (Himmel, welche Wiz-Schichten, Reflexionen,
*) Überhaupt wünscht' ich sehnlich mich w[ieder in die alte] Ordnung deiner Leuterung [Lücke]
mit 20 oder 25 herlichen phantaſtiſchen Kupferſtichen von Blake, engliſch prächtig vergoldet und Saffian [und] Atlas und alles wieder in ſchwarzer L[eder] Hülſe; eine ächte Gold[kette] geendigt mit einer groſſen Perle dient ſtat der Zwerg-Zettel die du in Bücher legſt. Anonym kams, iſt aber vom gothaiſchen Erbprinzen. Ich taxier’5 es 15 Guineen. Die Kette bin ich geſonnen abzulöſen und meiner Frau an den Hals zu henken. Es iſt vielleicht nicht zweimal in Deutſchland, was mir ſehr bei dem Verkaufen einmal helfen kan. —
d. 22. N.
Heute erhielt ich deinen erfreulichen Brief, der mir ſehr gefiel,10 ausgenommen die Länge ſeiner Buchſtaben, d. h. die Kürze ſeines Inhalts. Vergleiche einmal meine mit deinen! Hier iſt einige Antwort! Schillers Jungfrau (Jeanne d’Arc de Ciel) war mir nach der Maria St[uart] noch verdächtig troz dem gröſten Lobe der W[eimarer] Herzogin Mutter; aber da ich ſie geleſen — hätt’ ich beinahe an15 Schiller geſchrieben, um zu bewundern. Ihr Tod, ihr hoher auſſer- weltlicher Karakter, der Plan im Ganzen, das Romantiſche flamten mich Verarmten und doch Verwöhnten an. (Du haſt doch etwas mehr als ich, [mich.]) Allerdings tadl’ ich den verſchwin[denden] ſchwarzen Ritter, den Donner, die wenige Wirkung des Hexenglaubens; deinen20 andern aber ſcharfſinnigen Tadel*) find ich vielleicht erſt bei der35 zweiten Leſung hel und recht; aber der Verbrennungsprozes wäre doch weniger dichteriſch geweſen. (Jezt zu dem Alphabet deines Briefs) A. was iſt das hinter dem Ende? — B. Iſt die franzöſiſche Mathilde aus unſerem Säkel? Iſt nicht die Jungfrau und der König recht? —25 C. Über die Materie wurd’ er wohl zu ſehr Herr, nur nicht über den Herr-Werdenden. — D. Wahr geredet! — E. Weniger! Deine Grundſäze ſelber ſind vortreflich, tief und feſt; aber deute mir nur (ohne lange Rechtfertigungen) die beſtimten Stellen im zweiten[135] Titan an. Ich ſuche nie mich mehr, ſondern die Sache; mein ſchein-30 bares Spiel iſt oft Nothwendigkeit der Schwäche in mir oder dem Plan; bei dem dritten wirſt du meine fortgehende Reinheit und Aufopferung ſehen. (Himmel, welche Wiz-Schichten, Reflexionen,
*) Überhaupt wünſcht’ ich ſehnlich mich w[ieder in die alte] Ordnung deiner Leuterung [Lücke]
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in ſchwarzer L[eder] Hülſe; eine ächte Gold[kette] geendigt mit einer
groſſen Perle dient ſtat der Zwerg-Zettel die du in Bücher legſt.
Anonym kams, iſt aber vom gothaiſchen Erbprinzen. Ich taxier’ 5
es 15 Guineen. Die Kette bin ich geſonnen abzulöſen und meiner Frau
an den Hals zu henken. Es iſt vielleicht nicht zweimal in Deutſchland,
was mir ſehr bei dem Verkaufen einmal helfen kan. —
d. 22. N.
Heute erhielt ich deinen erfreulichen Brief, der mir ſehr gefiel, 10
ausgenommen die Länge ſeiner Buchſtaben, d. h. die Kürze ſeines
Inhalts. Vergleiche einmal meine mit deinen! Hier iſt einige Antwort!
Schillers Jungfrau (Jeanne d’Arc de Ciel) war mir nach der
Maria St[uart] noch verdächtig troz dem gröſten Lobe der W[eimarer]
Herzogin Mutter; aber da ich ſie geleſen — hätt’ ich beinahe an 15
Schiller geſchrieben, um zu bewundern. Ihr Tod, ihr hoher auſſer-
weltlicher Karakter, der Plan im Ganzen, das Romantiſche flamten
mich Verarmten und doch Verwöhnten an. (Du haſt doch etwas mehr
als ich, [mich.]) Allerdings tadl’ ich den verſchwin[denden] ſchwarzen
Ritter, den Donner, die wenige Wirkung des Hexenglaubens; deinen 20
andern aber ſcharfſinnigen Tadel *) find ich vielleicht erſt bei der 35
zweiten Leſung hel und recht; aber der Verbrennungsprozes wäre doch
weniger dichteriſch geweſen. (Jezt zu dem Alphabet deines Briefs)
A. was iſt das hinter dem Ende? — B. Iſt die franzöſiſche Mathilde
aus unſerem Säkel? Iſt nicht die Jungfrau und der König recht? — 25
C. Über die Materie wurd’ er wohl zu ſehr Herr, nur nicht über den
Herr-Werdenden. — D. Wahr geredet! — E. Weniger! Deine
Grundſäze ſelber ſind vortreflich, tief und feſt; aber deute mir nur
(ohne lange Rechtfertigungen) die beſtimten Stellen im zweiten
Titan an. Ich ſuche nie mich mehr, ſondern die Sache; mein ſchein- 30
bares Spiel iſt oft Nothwendigkeit der Schwäche in mir oder dem
Plan; bei dem dritten wirſt du meine fortgehende Reinheit und
Aufopferung ſehen. (Himmel, welche Wiz-Schichten, Reflexionen,
[135]
*) Überhaupt wünſcht’ ich ſehnlich mich w[ieder in die alte] Ordnung deiner
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:08:29Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 4. Berlin, 1960, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe04_1960/125>, abgerufen am 23.07.2024.
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