Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

Schicke deine Nummernzettel nicht Beigang, wo sie wegen der
Geschäfte unmöglich aufbewahret werden, sondern mir. -- Ich habe
herzliche Freude über die deines Bruders gehabt. Ach warum hab ich
Armer keinen Bruder wie du oder er und keine Schwester wie du.

Aus Dresden schrieb ich an dich, wie du hoffentlich längst weist.5

96. An Karoline Herold.
[Kopie]

[74]Möge mein Schweigen keinen Schattenris irgend eines Gespenstes
in Ihr Herz geworfen haben! -- Die Pfingstbäume der Freude -- Wo
wir auf dem Hügel weinend ruhten und wo die Gebirge in den süssen10
Nebeln der feuchten Augen träumerisch wankten --

97. An Friederike Otto.
[Kopie]

-- einen schöneren Ort zum Danke haben als das kahle Papier. Der
Wirbelwind der Zerstreuungen hört auf zu blasen und mich unter15
einander zu werfen. Ein schönes Gefühl, daß etwas in uns glüht, was
durch alle nasse windige Jahre des Lebens fortbrent.

98. An Amöne Herold.
[Kopie]

Bereuen Sie nie, ändern Sie blos und suchen Sie nicht stat der20
Gegenwart die Vergangenheit umzubessern. Mögen Sie ruhig an
den kleinen Blumen des Lebens sizen und jeder Himmel bahne Ihrem
Herzen den Weg zu einem neuen.

99. An Christian Otto.
25

Lieber Otto! Habe Dank für deine Nachrichten und Absichten. Nun
ist doch wenigstens die Finsternis des Aufenthalts, in welcher die
Phantasie ihre Gespenster am liebsten erscheinen lässet, weggeschaft.
Unerwartet aber wirkte deine Nachricht. Vorher war ich fast versöhnt
gegen ihn; seine Gestalt gieng immer mit dem gerührten abgewandten30
Gesicht um mich, womit er mir in Dresden vor Pfingsten in einem
Traume abschiednehmend aus meiner Stube erschienen war (da ich

Schicke deine Nummernzettel nicht Beigang, wo ſie wegen der
Geſchäfte unmöglich aufbewahret werden, ſondern mir. — Ich habe
herzliche Freude über die deines Bruders gehabt. Ach warum hab ich
Armer keinen Bruder wie du oder er und keine Schweſter wie du.

Aus Dresden ſchrieb ich an dich, wie du hoffentlich längſt weiſt.5

96. An Karoline Herold.
[Kopie]

[74]Möge mein Schweigen keinen Schattenris irgend eines Geſpenſtes
in Ihr Herz geworfen haben! — Die Pfingſtbäume der Freude — Wo
wir auf dem Hügel weinend ruhten und wo die Gebirge in den ſüſſen10
Nebeln der feuchten Augen träumeriſch wankten —

97. An Friederike Otto.
[Kopie]

— einen ſchöneren Ort zum Danke haben als das kahle Papier. Der
Wirbelwind der Zerſtreuungen hört auf zu blaſen und mich unter15
einander zu werfen. Ein ſchönes Gefühl, daß etwas in uns glüht, was
durch alle naſſe windige Jahre des Lebens fortbrent.

98. An Amöne Herold.
[Kopie]

Bereuen Sie nie, ändern Sie blos und ſuchen Sie nicht ſtat der20
Gegenwart die Vergangenheit umzubeſſern. Mögen Sie ruhig an
den kleinen Blumen des Lebens ſizen und jeder Himmel bahne Ihrem
Herzen den Weg zu einem neuen.

99. An Chriſtian Otto.
25

Lieber Otto! Habe Dank für deine Nachrichten und Abſichten. Nun
iſt doch wenigſtens die Finſternis des Aufenthalts, in welcher die
Phantaſie ihre Geſpenſter am liebſten erſcheinen läſſet, weggeſchaft.
Unerwartet aber wirkte deine Nachricht. Vorher war ich faſt verſöhnt
gegen ihn; ſeine Geſtalt gieng immer mit dem gerührten abgewandten30
Geſicht um mich, womit er mir in Dresden vor Pfingſten in einem
Traume abſchiednehmend aus meiner Stube erſchienen war (da ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <pb facs="#f0076" n="68"/>
        <postscript>
          <p>Schicke deine Nummernzettel nicht <hi rendition="#aq">Beigang,</hi> wo &#x017F;ie wegen der<lb/>
Ge&#x017F;chäfte unmöglich aufbewahret werden, &#x017F;ondern mir. &#x2014; Ich habe<lb/>
herzliche Freude über die deines Bruders gehabt. Ach warum hab ich<lb/>
Armer keinen Bruder wie du oder er und keine Schwe&#x017F;ter wie du.</p><lb/>
          <p>Aus Dresden &#x017F;chrieb ich an dich, wie du hoffentlich läng&#x017F;t wei&#x017F;t.<lb n="5"/>
</p>
        </postscript>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>96. An <hi rendition="#g">Karoline Herold.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 8. Juni 1798]</hi> </dateline><lb/>
        <p><note place="left"><ref target="1922_Bd3_74">[74]</ref></note>Möge mein Schweigen keinen Schattenris irgend eines Ge&#x017F;pen&#x017F;tes<lb/>
in Ihr Herz geworfen haben! &#x2014; Die Pfing&#x017F;tbäume der Freude &#x2014; Wo<lb/>
wir auf dem Hügel weinend ruhten und wo die Gebirge in den &#x017F;ü&#x017F;&#x017F;en<lb n="10"/>
Nebeln der feuchten Augen träumeri&#x017F;ch wankten &#x2014;</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>97. An <hi rendition="#g">Friederike Otto.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 8. Juni 1798]</hi> </dateline><lb/>
        <p>&#x2014; einen &#x017F;chöneren Ort zum Danke haben als das kahle Papier. Der<lb/>
Wirbelwind der Zer&#x017F;treuungen hört auf zu bla&#x017F;en und mich unter<lb n="15"/>
einander zu werfen. Ein &#x017F;chönes Gefühl, daß etwas in uns glüht, was<lb/>
durch alle na&#x017F;&#x017F;e windige Jahre des Lebens fortbrent.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>98. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/>
        <note type="editorial">[Kopie]</note>
        <dateline> <hi rendition="#right">[Leipzig, 8. Juni 1798]</hi> </dateline><lb/>
        <p>Bereuen Sie nie, ändern Sie blos und &#x017F;uchen Sie nicht &#x017F;tat der<lb n="20"/>
Gegenwart die Vergangenheit umzube&#x017F;&#x017F;ern. Mögen Sie ruhig an<lb/>
den kleinen Blumen des Lebens &#x017F;izen und jeder Himmel bahne Ihrem<lb/>
Herzen den Weg zu einem neuen.</p>
      </div><lb/>
      <div type="letter" n="1">
        <head>99. An <hi rendition="#g">Chri&#x017F;tian Otto.</hi></head><lb/>
        <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig d. 18 Jun.</hi> 98.</hi> </dateline>
        <lb n="25"/>
        <p>Lieber Otto! Habe Dank für deine Nachrichten und Ab&#x017F;ichten. Nun<lb/>
i&#x017F;t doch wenig&#x017F;tens die Fin&#x017F;ternis des Aufenthalts, in welcher die<lb/>
Phanta&#x017F;ie ihre Ge&#x017F;pen&#x017F;ter am lieb&#x017F;ten er&#x017F;cheinen lä&#x017F;&#x017F;et, wegge&#x017F;chaft.<lb/>
Unerwartet aber wirkte deine Nachricht. Vorher war ich fa&#x017F;t ver&#x017F;öhnt<lb/>
gegen ihn; &#x017F;eine Ge&#x017F;talt gieng immer mit dem gerührten abgewandten<lb n="30"/>
Ge&#x017F;icht um mich, womit er mir in Dresden vor Pfing&#x017F;ten in einem<lb/>
Traume ab&#x017F;chiednehmend aus meiner Stube er&#x017F;chienen war (da ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0076] Schicke deine Nummernzettel nicht Beigang, wo ſie wegen der Geſchäfte unmöglich aufbewahret werden, ſondern mir. — Ich habe herzliche Freude über die deines Bruders gehabt. Ach warum hab ich Armer keinen Bruder wie du oder er und keine Schweſter wie du. Aus Dresden ſchrieb ich an dich, wie du hoffentlich längſt weiſt. 5 96. An Karoline Herold. [Leipzig, 8. Juni 1798] Möge mein Schweigen keinen Schattenris irgend eines Geſpenſtes in Ihr Herz geworfen haben! — Die Pfingſtbäume der Freude — Wo wir auf dem Hügel weinend ruhten und wo die Gebirge in den ſüſſen 10 Nebeln der feuchten Augen träumeriſch wankten — [74] 97. An Friederike Otto. [Leipzig, 8. Juni 1798] — einen ſchöneren Ort zum Danke haben als das kahle Papier. Der Wirbelwind der Zerſtreuungen hört auf zu blaſen und mich unter 15 einander zu werfen. Ein ſchönes Gefühl, daß etwas in uns glüht, was durch alle naſſe windige Jahre des Lebens fortbrent. 98. An Amöne Herold. [Leipzig, 8. Juni 1798] Bereuen Sie nie, ändern Sie blos und ſuchen Sie nicht ſtat der 20 Gegenwart die Vergangenheit umzubeſſern. Mögen Sie ruhig an den kleinen Blumen des Lebens ſizen und jeder Himmel bahne Ihrem Herzen den Weg zu einem neuen. 99. An Chriſtian Otto. Leipzig d. 18 Jun. 98. 25 Lieber Otto! Habe Dank für deine Nachrichten und Abſichten. Nun iſt doch wenigſtens die Finſternis des Aufenthalts, in welcher die Phantaſie ihre Geſpenſter am liebſten erſcheinen läſſet, weggeſchaft. Unerwartet aber wirkte deine Nachricht. Vorher war ich faſt verſöhnt gegen ihn; ſeine Geſtalt gieng immer mit dem gerührten abgewandten 30 Geſicht um mich, womit er mir in Dresden vor Pfingſten in einem Traume abſchiednehmend aus meiner Stube erſchienen war (da ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/76
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/76>, abgerufen am 27.11.2024.