ich dich zu palingenesieren bitte -- wenig bekämest, nicht einmal deine Zettel: sieh ich habe dir viele gute Bücher aus den neuesten geschikt z. B. Möser, die ich selber noch nicht gelesen. -- In der alg. d. Biblio- thek steht ein 9 Seiten langes Urthel über mich, sanft und lobend und doch dum. Ich habe nun in ganz Deutschland meine Profeshäuser5 und werde nun immer in grosso, nämlich mit operibus omn[ibus] gekauft. Durch eine schöne feine Gräfin Münster, zu der ich wieder von diesem Briefe weggehe, hab' ich viel Gutes von Jakobi über mich erfahren wie von der Gräfin Stolberg. Jakobi hält besonders wider mein Vermuthen auf den 2ten Theil des Siebenkäses etwas. -- Es ist10 seit der Neujahrsmesse, daß ich eine geräucherte Wurst kochen lassen, (die nur in der Messe zu haben ist), um abends wenn ich einmal zu Hause soupierte, etwas zu haben: noch liegt von der Wurst das volle Endgen und der Bindfaden auf dem Lager. Nun schliesse! -- Neulich bei einem Geburtstage, der für 50 Man ein Trink und Tanztag war,15 lernt' ich Kütner (einen feinen gelehrten Man) und -- -- England[49] kennen: warlich ich hatte in Hof Recht, nichts ist darin schlecht als der Minister. -- Einen edlen Schotten, Macdonald (berühmt in der Geschichte und im Ossian) sah ich an fremden Estischen und an seinem und fand an ihm den Zwillingsgeist von Blair, dessen Predigten mich20 sonst so hoben und dessen persönlicher Freund er ist: nein, es giebt keine Brust in den 3 Königreichen, in der unter einem edleren mänlichern Gesicht, ein weicheres, festeres, mehr poetisches und melancholisches, frömmeres Herz schlüge. Ach so denkt sich ein Jüngling aus Büchern den Britten und doch so ist dieser. Er lieset und spricht so viele Sprachen25 als das befreiete Amerika Kantons hat, 13.
d. 24 Feb.
Von der Schukman hab' ich endlich nach langem Warten einen Brief erhalten und noch dazu einen unfrankierten. -- Mit der nächsten Bücherlieferung send ich dir eine Brieflieferung: welche Briefe du mir30 mit den nächsten Büchern wieder schikst. -- Weickard wil ich dir auch schicken, der meine Vermuthung über die Mislichkeit deines kalten Waschens ratifiziert. Er ist viel genialischer und nüzlicher als Hufeland: Herman wäre ein Weickard geworden. -- Über die 2fachen Reize der Park- und Museums Anlagen sag ich dir nichts, weil du alles sehen35 must. -- Einsiedel nahm in sein Buch meine Widerlegung seiner dramatischen Prinzipien auf und hielt sie für eine Fortsezung der-
ich dich zu palingeneſieren bitte — wenig bekämeſt, nicht einmal deine Zettel: ſieh ich habe dir viele gute Bücher aus den neueſten geſchikt z. B. Möſer, die ich ſelber noch nicht geleſen. — In der alg. d. Biblio- thek ſteht ein 9 Seiten langes Urthel über mich, ſanft und lobend und doch dum. Ich habe nun in ganz Deutſchland meine Profeshäuſer5 und werde nun immer in grosso, nämlich mit operibus omn[ibus] gekauft. Durch eine ſchöne feine Gräfin Münſter, zu der ich wieder von dieſem Briefe weggehe, hab’ ich viel Gutes von Jakobi über mich erfahren wie von der Gräfin Stolberg. Jakobi hält beſonders wider mein Vermuthen auf den 2ten Theil des Siebenkäſes etwas. — Es iſt10 ſeit der Neujahrsmeſſe, daß ich eine geräucherte Wurſt kochen laſſen, (die nur in der Meſſe zu haben iſt), um abends wenn ich einmal zu Hauſe ſoupierte, etwas zu haben: noch liegt von der Wurſt das volle Endgen und der Bindfaden auf dem Lager. Nun ſchlieſſe! — Neulich bei einem Geburtstage, der für 50 Man ein Trink und Tanztag war,15 lernt’ ich Kütner (einen feinen gelehrten Man) und — — England[49] kennen: warlich ich hatte in Hof Recht, nichts iſt darin ſchlecht als der Miniſter. — Einen edlen Schotten, Macdonald (berühmt in der Geſchichte und im Oſſian) ſah ich an fremden Estiſchen und an ſeinem und fand an ihm den Zwillingsgeiſt von Blair, deſſen Predigten mich20 ſonſt ſo hoben und deſſen perſönlicher Freund er iſt: nein, es giebt keine Bruſt in den 3 Königreichen, in der unter einem edleren mänlichern Geſicht, ein weicheres, feſteres, mehr poetiſches und melancholiſches, frömmeres Herz ſchlüge. Ach ſo denkt ſich ein Jüngling aus Büchern den Britten und doch ſo iſt dieſer. Er lieſet und ſpricht ſo viele Sprachen25 als das befreiete Amerika Kantons hat, 13.
d. 24 Feb.
Von der Schukman hab’ ich endlich nach langem Warten einen Brief erhalten und noch dazu einen unfrankierten. — Mit der nächſten Bücherlieferung ſend ich dir eine Brieflieferung: welche Briefe du mir30 mit den nächſten Büchern wieder ſchikſt. — Weickard wil ich dir auch ſchicken, der meine Vermuthung über die Mislichkeit deines kalten Waſchens ratifiziert. Er iſt viel genialiſcher und nüzlicher als Hufeland: Herman wäre ein Weickard geworden. — Über die 2fachen Reize der Park- und Muſeums Anlagen ſag ich dir nichts, weil du alles ſehen35 muſt. — Einſiedel nahm in ſein Buch meine Widerlegung ſeiner dramatiſchen Prinzipien auf und hielt ſie für eine Fortſezung der-
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Zettel: ſieh ich habe dir viele gute Bücher aus den neueſten geſchikt
z. B. Möſer, die ich ſelber noch nicht geleſen. — In der alg. d. Biblio-
thek ſteht ein 9 Seiten langes Urthel über mich, ſanft und lobend und
doch dum. Ich habe nun in ganz Deutſchland meine Profeshäuſer 5
und werde nun immer in grosso, nämlich mit operibus omn[ibus]
gekauft. Durch eine ſchöne feine Gräfin Münſter, zu der ich wieder von
dieſem Briefe weggehe, hab’ ich viel Gutes von Jakobi über mich
erfahren wie von der Gräfin Stolberg. Jakobi hält beſonders wider
mein Vermuthen auf den 2ten Theil des Siebenkäſes etwas. — Es iſt 10
ſeit der Neujahrsmeſſe, daß ich eine geräucherte Wurſt kochen laſſen,
(die nur in der Meſſe zu haben iſt), um abends wenn ich einmal zu
Hauſe ſoupierte, etwas zu haben: noch liegt von der Wurſt das volle
Endgen und der Bindfaden auf dem Lager. Nun ſchlieſſe! — Neulich
bei einem Geburtstage, der für 50 Man ein Trink und Tanztag war, 15
lernt’ ich Kütner (einen feinen gelehrten Man) und — — England
kennen: warlich ich hatte in Hof Recht, nichts iſt darin ſchlecht als der
Miniſter. — Einen edlen Schotten, Macdonald (berühmt in der
Geſchichte und im Oſſian) ſah ich an fremden Estiſchen und an ſeinem
und fand an ihm den Zwillingsgeiſt von Blair, deſſen Predigten mich 20
ſonſt ſo hoben und deſſen perſönlicher Freund er iſt: nein, es giebt keine
Bruſt in den 3 Königreichen, in der unter einem edleren mänlichern
Geſicht, ein weicheres, feſteres, mehr poetiſches und melancholiſches,
frömmeres Herz ſchlüge. Ach ſo denkt ſich ein Jüngling aus Büchern
den Britten und doch ſo iſt dieſer. Er lieſet und ſpricht ſo viele Sprachen 25
als das befreiete Amerika Kantons hat, 13.
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d. 24 Feb.
Von der Schukman hab’ ich endlich nach langem Warten einen
Brief erhalten und noch dazu einen unfrankierten. — Mit der nächſten
Bücherlieferung ſend ich dir eine Brieflieferung: welche Briefe du mir 30
mit den nächſten Büchern wieder ſchikſt. — Weickard wil ich dir auch
ſchicken, der meine Vermuthung über die Mislichkeit deines kalten
Waſchens ratifiziert. Er iſt viel genialiſcher und nüzlicher als Hufeland:
Herman wäre ein Weickard geworden. — Über die 2fachen Reize der
Park- und Muſeums Anlagen ſag ich dir nichts, weil du alles ſehen 35
muſt. — Einſiedel nahm in ſein Buch meine Widerlegung ſeiner
dramatiſchen Prinzipien auf und hielt ſie für eine Fortſezung der-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/52>, abgerufen am 09.11.2024.
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