Oertel hat für Sie das alte Herz: schreiben Sie sein Schweigen blos seinen Arbeiten und Freuden zu.
-- Sagen Sie Otto, daß ich Sontags bei D. Rosenmüller esse und also über seine Konzilien alles erfragen kan. --
Ich werde hier recht geliebt. Eben war Weisse wieder bei mir, der5 mich wie ein Vater liebhat; Platner sagt es auch von sich, aber ich bin ihm ein sein Ich zurükspiegelnder glatter Marmor. Die Berlepsch gab mir zu Weihnachten -- ausser den Gaben von ihrer Tochter -- eine herliche Magdalene von Battoni, (ein Stük der chalkographischen Geselschaft von einem hohen Werthe), endlich einen10 Lorbeerkranz mit der Aufschrift: Für dich, und an ihm ein Vergis- meinnichtkränzgen mit der Aufschrift: Für mich.
Kom an mein Herz, Amöne, und bleibe an ihm immer! Ach wie[36] hab ich dich geliebt! -- Nun wenn die künftigen Jahre kommen, müssen sie dich an meiner Seele finden! Die Vergangenheit und die15 Entfernung lege den Schleier über das, was ich an dir tadelte -- und du öfne vor mir das reine Auge und bringe das Herz vol Heiligkeit an die wärmste Brust! -- Ach Amöne, wenn ich deine Gestalt einmal wiedersehe, wie wird sie mich erquicken, wie wird sie mich ver- wunden, wie werd ich mich trennen, wie wirst du mich lieben. -- Fühlst20 du nicht daß du mich liebst? -- und ich dich? --
R.
40. An Karoline Herold.
[Kopie][Leipzig, 5. Jan. 1798]
Wenn ich 60 Jahre alt bin -- wenn ich schon lange das Herz an25 meinem halte, das mir gehört und das bei mir bleibt bis in den Tod -- wenn ich weit[er] weg bin oder glüklich: -- ewig werd' ich mit unvergänglichem Jünglingsgefühl die Gespielin meiner versenkten Jugend lieben und meine Verjüngung an ihrem Herz suchen. -- Nie erlischt eine Stunde meines Herzens an deinem! Die Tugend strekt30 ihre Arme aus und drükt dich an meine Brust und was auf der Körper- welt auseinander steht, bleibt in der Geisterwelt beisammen. Ach könt' ich ein Traum werden und mich in deinen Schlummer schleichen und dir süsse Namen geben und auf deine Lippen fallen und immer sagen: du Liebe, du Liebe.35
3 Jean Paul Briefe. III.
Oertel hat für Sie das alte Herz: ſchreiben Sie ſein Schweigen blos ſeinen Arbeiten und Freuden zu.
— Sagen Sie Otto, daß ich Sontags bei D. Roſenmüller eſſe und alſo über ſeine Konzilien alles erfragen kan. —
Ich werde hier recht geliebt. Eben war Weiſſe wieder bei mir, der5 mich wie ein Vater liebhat; Platner ſagt es auch von ſich, aber ich bin ihm ein ſein Ich zurükſpiegelnder glatter Marmor. Die Berlepſch gab mir zu Weihnachten — auſſer den Gaben von ihrer Tochter — eine herliche Magdalene von Battoni, (ein Stük der chalkographiſchen Geſelſchaft von einem hohen Werthe), endlich einen10 Lorbeerkranz mit der Aufſchrift: Für dich, und an ihm ein Vergis- meinnichtkränzgen mit der Aufſchrift: Für mich.
Kom an mein Herz, Amöne, und bleibe an ihm immer! Ach wie[36] hab ich dich geliebt! — Nun wenn die künftigen Jahre kommen, müſſen ſie dich an meiner Seele finden! Die Vergangenheit und die15 Entfernung lege den Schleier über das, was ich an dir tadelte — und du öfne vor mir das reine Auge und bringe das Herz vol Heiligkeit an die wärmſte Bruſt! — Ach Amöne, wenn ich deine Geſtalt einmal wiederſehe, wie wird ſie mich erquicken, wie wird ſie mich ver- wunden, wie werd ich mich trennen, wie wirſt du mich lieben. — Fühlſt20 du nicht daß du mich liebſt? — und ich dich? —
R.
40. An Karoline Herold.
[Kopie][Leipzig, 5. Jan. 1798]
Wenn ich 60 Jahre alt bin — wenn ich ſchon lange das Herz an25 meinem halte, das mir gehört und das bei mir bleibt bis in den Tod — wenn ich weit[er] weg bin oder glüklich: — ewig werd’ ich mit unvergänglichem Jünglingsgefühl die Geſpielin meiner verſenkten Jugend lieben und meine Verjüngung an ihrem Herz ſuchen. — Nie erliſcht eine Stunde meines Herzens an deinem! Die Tugend ſtrekt30 ihre Arme aus und drükt dich an meine Bruſt und was auf der Körper- welt auseinander ſteht, bleibt in der Geiſterwelt beiſammen. Ach könt’ ich ein Traum werden und mich in deinen Schlummer ſchleichen und dir ſüſſe Namen geben und auf deine Lippen fallen und immer ſagen: du Liebe, du Liebe.35
3 Jean Paul Briefe. III.
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Oertel hat für Sie das alte Herz: ſchreiben Sie ſein Schweigen
blos ſeinen Arbeiten und Freuden zu.
— Sagen Sie Otto, daß ich Sontags bei D. Roſenmüller eſſe und
alſo über ſeine Konzilien alles erfragen kan. —
Ich werde hier recht geliebt. Eben war Weiſſe wieder bei mir, der 5
mich wie ein Vater liebhat; Platner ſagt es auch von ſich, aber ich
bin ihm ein ſein Ich zurükſpiegelnder glatter Marmor. Die
Berlepſch gab mir zu Weihnachten — auſſer den Gaben von ihrer
Tochter — eine herliche Magdalene von Battoni, (ein Stük der
chalkographiſchen Geſelſchaft von einem hohen Werthe), endlich einen 10
Lorbeerkranz mit der Aufſchrift: Für dich, und an ihm ein Vergis-
meinnichtkränzgen mit der Aufſchrift: Für mich.
Kom an mein Herz, Amöne, und bleibe an ihm immer! Ach wie
hab ich dich geliebt! — Nun wenn die künftigen Jahre kommen,
müſſen ſie dich an meiner Seele finden! Die Vergangenheit und die 15
Entfernung lege den Schleier über das, was ich an dir tadelte — und
du öfne vor mir das reine Auge und bringe das Herz vol Heiligkeit an
die wärmſte Bruſt! — Ach Amöne, wenn ich deine Geſtalt
einmal wiederſehe, wie wird ſie mich erquicken, wie wird ſie mich ver-
wunden, wie werd ich mich trennen, wie wirſt du mich lieben. — Fühlſt 20
du nicht daß du mich liebſt? — und ich dich? —
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R.
40. An Karoline Herold.
[Leipzig, 5. Jan. 1798]
Wenn ich 60 Jahre alt bin — wenn ich ſchon lange das Herz an 25
meinem halte, das mir gehört und das bei mir bleibt bis in den Tod —
wenn ich weit[er] weg bin oder glüklich: — ewig werd’ ich mit
unvergänglichem Jünglingsgefühl die Geſpielin meiner verſenkten
Jugend lieben und meine Verjüngung an ihrem Herz ſuchen. — Nie
erliſcht eine Stunde meines Herzens an deinem! Die Tugend ſtrekt 30
ihre Arme aus und drükt dich an meine Bruſt und was auf der Körper-
welt auseinander ſteht, bleibt in der Geiſterwelt beiſammen. Ach könt’
ich ein Traum werden und mich in deinen Schlummer ſchleichen und
dir ſüſſe Namen geben und auf deine Lippen fallen und immer ſagen:
du Liebe, du Liebe. 35
3 Jean Paul Briefe. III.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/40>, abgerufen am 16.02.2025.
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