Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.die beide Theile verstehen. -- Ich gehe vor keiner kolossalen Statue Der ganze nächste Abschiedsmorgen bis zehn Uhr -- ich führte sie im Glaube also nur nicht an irgend ein auch nur von Fernen ähnliches Von hier schreib ich nicht mehr; (hier liegt ein Brief von der Gräfin [407]In Dessau nehm' ich die Frau des H[of] R[aths] Spazier mit nach die beide Theile verſtehen. — Ich gehe vor keiner koloſſalen Statue Der ganze nächſte Abſchiedsmorgen bis zehn Uhr — ich führte ſie im Glaube alſo nur nicht an irgend ein auch nur von Fernen ähnliches Von hier ſchreib ich nicht mehr; (hier liegt ein Brief von der Gräfin [407]In Dessau nehm’ ich die Frau des H[of] R[aths] Spazier mit nach <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0399" n="378"/> die beide Theile verſtehen. — Ich gehe vor keiner koloſſalen Statue<lb/> vorbei ohne den Fund leichter Aehnlichkeiten. —]</p><lb/> <p>Der ganze nächſte Abſchiedsmorgen bis zehn Uhr — ich führte ſie im<lb/> herzoglichen Garten herum („Sie haben ſich eine ſchöne Frau zu-<lb/> gelegt“ ſagte der uns begegnende Herzog; auch auf dem Thorzettel<lb n="5"/> ſtanden wir ſo) — war unbeſchreiblich zart und ſüs; — dieſe himliſche<lb/> Stimme und dieſe Feſtigkeit und der ganze Reiz des hohen vollen<lb/> Körpers, und dieſe Leichtigkeit des Lebens und Liebens legen Franziſ-<lb/> kanerſtricke um ein empiriſches Ich. Die Hauptſache iſt, daß man bei<lb/> ihr <hi rendition="#g">gegen gar niemand</hi> ſündigen kan. —<lb n="10"/> </p> <p>Glaube alſo nur nicht an irgend ein auch nur von Fernen ähnliches<lb/> Betragen bei Weibern — Mädgen ſind ohnehin erhöhete Sternbilder<lb/> für mein Gewiſſen —; bei Gott! ich bin phyſiſch-kalt und moraliſch-<lb/> heis zugleich gegen Freundinnen wie in <hi rendition="#aq">Hof</hi> gegen Mädgen (ſie müſten<lb/> denn den Satan zitieren d. h. nachahmen) Ich bekomme ſie jezt nach<lb n="15"/> der Apoſtel-Zahl in jeder Stadt; ſo in Gotha und überal. In Berlin,<lb/> bei der gröſſern (aber nicht unmoraliſchen) Freiheit küſten ſogar Mäd-<lb/> gen zuerſt. Freilich greif’ ich jezt manchen Operſtrik der Sinlichkeit, an<lb/> deſſen luft-farbiger Unſichtbarkeit ſonſt die Göttin ſchwebte, leichter<lb/> mit Händen. Eine trefliche Frau in G., deren Verhältniſſe mit mir<lb n="20"/> der Man mündlich das ſchönere mit ihm dankte, ſagte: „ich könte einer<lb/> Frau die Augen auskrazen, die Sie ſinlich liebte“ Das iſt ja gerade die<lb/><hi rendition="#g">eheliche</hi> Eiferſucht. —</p><lb/> <p>Von hier ſchreib ich nicht mehr; (hier liegt ein Brief von der Gräfin<lb/><hi rendition="#aq">Henriette</hi>) Ende Monats gehts fort. — Jacobi ſchikte mir ein von<lb n="25"/> ſeiner ſonderbaren moraliſchen Natur eingehauchtes Urthel über den<lb/><hi rendition="#aq">Titan</hi> (<hi rendition="#aq">Baggesen</hi> ſprach ihm nach; auch iſt er mir wegen meiner kalten<lb/> Antwort auf ſeine künſtliche Lohkuchen-Hize aufſäzig) Wie ſol ich es<lb/> mit deinem, dem Oertelſchen in der deutſchen <hi rendition="#g">Fama,</hi> dem Thierio-<lb/> tiſchen (das mir immer ſehr gilt) und dem Knebelſchen u. a. reimen?<lb n="30"/> — Ich wil nachher noch ein wenig Plaz für eine Antwort auf deine<lb/> morgende laſſen, wenn ſie komt. —</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd3_407">[407]</ref></note>In <hi rendition="#aq">Dessau</hi> nehm’ ich die Frau des H[of] R[aths] <hi rendition="#aq">Spazier</hi> mit nach<lb/><hi rendition="#aq">Berlin. — Herder</hi> wird mit einigen Donnerwolken in das „Buch von<lb/> ſeinem Plagiat“ und in Kant und Rezenſ[enten] fahren. — Lies ſeine<lb n="35"/> Kalligone; und ſein herliches früheres Buch „Auch eine Philoſophie<lb/> der Geſchichte der Menſchheit“. Seine frühen kenſt du überhaupt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [378/0399]
die beide Theile verſtehen. — Ich gehe vor keiner koloſſalen Statue
vorbei ohne den Fund leichter Aehnlichkeiten. —]
Der ganze nächſte Abſchiedsmorgen bis zehn Uhr — ich führte ſie im
herzoglichen Garten herum („Sie haben ſich eine ſchöne Frau zu-
gelegt“ ſagte der uns begegnende Herzog; auch auf dem Thorzettel 5
ſtanden wir ſo) — war unbeſchreiblich zart und ſüs; — dieſe himliſche
Stimme und dieſe Feſtigkeit und der ganze Reiz des hohen vollen
Körpers, und dieſe Leichtigkeit des Lebens und Liebens legen Franziſ-
kanerſtricke um ein empiriſches Ich. Die Hauptſache iſt, daß man bei
ihr gegen gar niemand ſündigen kan. — 10
Glaube alſo nur nicht an irgend ein auch nur von Fernen ähnliches
Betragen bei Weibern — Mädgen ſind ohnehin erhöhete Sternbilder
für mein Gewiſſen —; bei Gott! ich bin phyſiſch-kalt und moraliſch-
heis zugleich gegen Freundinnen wie in Hof gegen Mädgen (ſie müſten
denn den Satan zitieren d. h. nachahmen) Ich bekomme ſie jezt nach 15
der Apoſtel-Zahl in jeder Stadt; ſo in Gotha und überal. In Berlin,
bei der gröſſern (aber nicht unmoraliſchen) Freiheit küſten ſogar Mäd-
gen zuerſt. Freilich greif’ ich jezt manchen Operſtrik der Sinlichkeit, an
deſſen luft-farbiger Unſichtbarkeit ſonſt die Göttin ſchwebte, leichter
mit Händen. Eine trefliche Frau in G., deren Verhältniſſe mit mir 20
der Man mündlich das ſchönere mit ihm dankte, ſagte: „ich könte einer
Frau die Augen auskrazen, die Sie ſinlich liebte“ Das iſt ja gerade die
eheliche Eiferſucht. —
Von hier ſchreib ich nicht mehr; (hier liegt ein Brief von der Gräfin
Henriette) Ende Monats gehts fort. — Jacobi ſchikte mir ein von 25
ſeiner ſonderbaren moraliſchen Natur eingehauchtes Urthel über den
Titan (Baggesen ſprach ihm nach; auch iſt er mir wegen meiner kalten
Antwort auf ſeine künſtliche Lohkuchen-Hize aufſäzig) Wie ſol ich es
mit deinem, dem Oertelſchen in der deutſchen Fama, dem Thierio-
tiſchen (das mir immer ſehr gilt) und dem Knebelſchen u. a. reimen? 30
— Ich wil nachher noch ein wenig Plaz für eine Antwort auf deine
morgende laſſen, wenn ſie komt. —
In Dessau nehm’ ich die Frau des H[of] R[aths] Spazier mit nach
Berlin. — Herder wird mit einigen Donnerwolken in das „Buch von
ſeinem Plagiat“ und in Kant und Rezenſ[enten] fahren. — Lies ſeine 35
Kalligone; und ſein herliches früheres Buch „Auch eine Philoſophie
der Geſchichte der Menſchheit“. Seine frühen kenſt du überhaupt
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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