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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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Folgen ihrer Rührung und über die Mittel, ihr nur ein Wort zu
sagen, das nicht zu tief einrizte -- Indes blieb ich ein langer Eis-
zapfen, dem kein Tropfen (aussen) entfiel. Heute thut sie die alte Fode-
rung (nach meinen Vorschlägen und Abmahnungen von feigen tollen
Extremen, z. B. Erzieherin in Berlin zu werden, -- das Seitenstük5
zur früheren Hofdame) schriftlich wieder und ich verneine. Derselbe
[404]Postknecht bringt von Ahlefeldt eine Bitte um 200 rtl.; wovon ich ihm
auch die Hälfte assignierte; er ist rechtschaffen. Die Liebman hatte
7 oder 8 Carol. als Bezahlung der alten Schuld mit und legte sie
hin -- natürlich muste sie sie wieder mitnehmen, da ich nicht helfen10
konte. Das Schiksal wil gern haben, daß ich mir immer durch den
Bettelsak ein Luftloch durchnage. -- Abends kamen die (noch schulden-
den) Herders zu mir -- mein guter alter Man sas froh auf meinem
Schreibstuhl neben Burgunder. Meine Seele kent keine grössere Lust als
seine -- ach ich lieb' ihn recht und wir haben jezt nichts trennendes15
zwischen unsern Herzen als die -- Westen.

Die Gräfin! -- Dir erzähl' ichs; aber Emanuel würde wahrschein-
lich irre; nach deinem Bedünken zeige entweder oder schweige oder
lies vor. Am Sontagsabends [!] as ich mit ihr. Wir bewohnten dan
das Kanapee -- die schöne lange Gestalt, die durchaus harmonischen20
Theile, die gerade Nase und der feine zu besonnene gespante der
Berlepsch ähnliche Mund, aus dem aber, zumal in der Liebesminuten-
zeit eine so ins Herz einsikernde Stimme bricht, daß ich sie in Gotha
bat, mir es zu sagen, wo ich ihr nicht glauben dürfte, weil ich sonst der
Stimme wegen nie wüste, woran ich wäre -- das alles neigte sich an25
meine Lippen. Unser Weg gieng bergunter, d. h. schnel, wir legten in
Sekunden Wochen zurük. Sie hatte noch die Hof-Brillanten an Fingern
und am Halse; und als ich warlich an dem lezteren nicht weiter rükte
als ein Rasiermesser an unserem -- vergieb meine Ungebundenheit,
da ich heute tol wild bin -- so schnalte sie das collier ab und machte30
ungebeten die tiefern schönen Spizen auf. Sie hat Terzien lieber als
Sekunden. (Ich wolte, das Publikum wäre so rein wie du; Himmel,
welche Herzens-Landkarten mus man nicht in der Tasche lassen?)
-- Ein vornehmes Wesen hat leichter ein Herz als ein Schnee-
Weltgen darüber (sogar das errieth ich im Hesperus); ihr globulus35
hatte die Farbe und -- Weichheit der Wolkenflocken; wenigstens darin
findet ein zeitiger Ixion ein Stük-Nebel-Juno. Dabei blieb die Doppel-

Folgen ihrer Rührung und über die Mittel, ihr nur ein Wort zu
ſagen, das nicht zu tief einrizte — Indes blieb ich ein langer Eis-
zapfen, dem kein Tropfen (auſſen) entfiel. Heute thut ſie die alte Fode-
rung (nach meinen Vorſchlägen und Abmahnungen von feigen tollen
Extremen, z. B. Erzieherin in Berlin zu werden, — das Seitenſtük5
zur früheren Hofdame) ſchriftlich wieder und ich verneine. Derſelbe
[404]Poſtknecht bringt von Ahlefeldt eine Bitte um 200 rtl.; wovon ich ihm
auch die Hälfte aſſignierte; er iſt rechtſchaffen. Die Liebman hatte
7 oder 8 Carol. als Bezahlung der alten Schuld mit und legte ſie
hin — natürlich muſte ſie ſie wieder mitnehmen, da ich nicht helfen10
konte. Das Schikſal wil gern haben, daß ich mir immer durch den
Bettelſak ein Luftloch durchnage. — Abends kamen die (noch ſchulden-
den) Herders zu mir — mein guter alter Man ſas froh auf meinem
Schreibſtuhl neben Burgunder. Meine Seele kent keine gröſſere Luſt als
ſeine — ach ich lieb’ ihn recht und wir haben jezt nichts trennendes15
zwiſchen unſern Herzen als die — Weſten.

Die Gräfin! — Dir erzähl’ ichs; aber Emanuel würde wahrſchein-
lich irre; nach deinem Bedünken zeige entweder oder ſchweige oder
lies vor. Am Sontagsabends [!] as ich mit ihr. Wir bewohnten dan
das Kanapee — die ſchöne lange Geſtalt, die durchaus harmoniſchen20
Theile, die gerade Naſe und der feine zu beſonnene geſpante der
Berlepsch ähnliche Mund, aus dem aber, zumal in der Liebesminuten-
zeit eine ſo ins Herz einſikernde Stimme bricht, daß ich ſie in Gotha
bat, mir es zu ſagen, wo ich ihr nicht glauben dürfte, weil ich ſonſt der
Stimme wegen nie wüſte, woran ich wäre — das alles neigte ſich an25
meine Lippen. Unſer Weg gieng bergunter, d. h. ſchnel, wir legten in
Sekunden Wochen zurük. Sie hatte noch die Hof-Brillanten an Fingern
und am Halſe; und als ich warlich an dem lezteren nicht weiter rükte
als ein Raſiermeſſer an unſerem — vergieb meine Ungebundenheit,
da ich heute tol 〈wild〉 bin — ſo ſchnalte ſie das collier ab und machte30
ungebeten die tiefern ſchönen Spizen auf. Sie hat Terzien lieber als
Sekunden. (Ich wolte, das Publikum wäre ſo rein wie du; Himmel,
welche Herzens-Landkarten mus man nicht in der Taſche laſſen?)
— Ein vornehmes Weſen hat leichter ein Herz als ein Schnee-
Weltgen darüber (ſogar das errieth ich im Hesperus); ihr globulus35
hatte die Farbe und — Weichheit der Wolkenflocken; wenigſtens darin
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[376/0397] Folgen ihrer Rührung und über die Mittel, ihr nur ein Wort zu ſagen, das nicht zu tief einrizte — Indes blieb ich ein langer Eis- zapfen, dem kein Tropfen (auſſen) entfiel. Heute thut ſie die alte Fode- rung (nach meinen Vorſchlägen und Abmahnungen von feigen tollen Extremen, z. B. Erzieherin in Berlin zu werden, — das Seitenſtük 5 zur früheren Hofdame) ſchriftlich wieder und ich verneine. Derſelbe Poſtknecht bringt von Ahlefeldt eine Bitte um 200 rtl.; wovon ich ihm auch die Hälfte aſſignierte; er iſt rechtſchaffen. Die Liebman hatte 7 oder 8 Carol. als Bezahlung der alten Schuld mit und legte ſie hin — natürlich muſte ſie ſie wieder mitnehmen, da ich nicht helfen 10 konte. Das Schikſal wil gern haben, daß ich mir immer durch den Bettelſak ein Luftloch durchnage. — Abends kamen die (noch ſchulden- den) Herders zu mir — mein guter alter Man ſas froh auf meinem Schreibſtuhl neben Burgunder. Meine Seele kent keine gröſſere Luſt als ſeine — ach ich lieb’ ihn recht und wir haben jezt nichts trennendes 15 zwiſchen unſern Herzen als die — Weſten. [404] Die Gräfin! — Dir erzähl’ ichs; aber Emanuel würde wahrſchein- lich irre; nach deinem Bedünken zeige entweder oder ſchweige oder lies vor. Am Sontagsabends [!] as ich mit ihr. Wir bewohnten dan das Kanapee — die ſchöne lange Geſtalt, die durchaus harmoniſchen 20 Theile, die gerade Naſe und der feine zu beſonnene geſpante der Berlepsch ähnliche Mund, aus dem aber, zumal in der Liebesminuten- zeit eine ſo ins Herz einſikernde Stimme bricht, daß ich ſie in Gotha bat, mir es zu ſagen, wo ich ihr nicht glauben dürfte, weil ich ſonſt der Stimme wegen nie wüſte, woran ich wäre — das alles neigte ſich an 25 meine Lippen. Unſer Weg gieng bergunter, d. h. ſchnel, wir legten in Sekunden Wochen zurük. Sie hatte noch die Hof-Brillanten an Fingern und am Halſe; und als ich warlich an dem lezteren nicht weiter rükte als ein Raſiermeſſer an unſerem — vergieb meine Ungebundenheit, da ich heute tol 〈wild〉 bin — ſo ſchnalte ſie das collier ab und machte 30 ungebeten die tiefern ſchönen Spizen auf. Sie hat Terzien lieber als Sekunden. (Ich wolte, das Publikum wäre ſo rein wie du; Himmel, welche Herzens-Landkarten mus man nicht in der Taſche laſſen?) — Ein vornehmes Weſen hat leichter ein Herz als ein Schnee- Weltgen darüber (ſogar das errieth ich im Hesperus); ihr globulus 35 hatte die Farbe und — Weichheit der Wolkenflocken; wenigſtens darin findet ein zeitiger Ixion ein Stük-Nebel-Juno. Dabei blieb die Doppel-

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/397>, abgerufen am 25.11.2024.