Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

Bild:
<< vorherige Seite

nahm -- verdecken ihm seinen wärmsten Freund, den er und sie für zu
stolz und nun bald kleiner Makulatur-Angriffe würdig halten werden.
Ach wie lieben die Menschen! -- Und doch werfen sie nachher dem
Veränderung vor, in den sie sie hineingezwungen. Das andere Auge
wird dan für ein anderes Herz gehalten. Begehe nie diesen Irthum an5
mir; ob ich gleich meine Höfer Augengläser zerbrochen und mir neue
schärfere geschliffen habe.

Alle Welt schwört, -- schon in Berlin --, ich sei da viel fetter
geworden; warlich ich fühle mich überal gepolstert an; und doch würde
man mich im Vogtland damit kränken, daß man es läugnete, welches10
die einzige Veränderung ist, die man mir misgönt, weil sie ver-
schönert *).

Auch Göthe ist -- wenigstens äusserlich -- partheiisch; jezt schweigen
er und Schiller über das gelobte Gedicht der Imhof stil, das ich fort-
lobe. "Wie gefält Ihnen Jacobis Brief an Fichte?" fragt ich ihn.15
-- "Er bleibt sich gleich." -- "Gott und auch der Teufel bleiben sich
gleich" sagt' ich; darauf bleibt er aus Unbehülflichkeit und Stolz und
Zorn dan -- stum. Kein Epigram kan ihn in Bewegung stochern.


Dein mich begeisternder und erbitternder heutiger Brief hat meine20
Pferde, (Morgen nach Rudolstadt) abbestelt. Es ist gar zu arg,
einer eignen Frau Kupler zu sein und ihre Küsse zu vermiethen **). An-
fangs schrieb sie mir nur einen Präliminarbrief -- dan einen 2ten mit
der Drohung des Kommens -- dan als ich sagen lies, sie solten bis
auf [meine] Berliner Rükkehr warten, damit sie mich nicht verfehlten,25
waren beide den andern Morgen gerührt vor der Thüre. Sie muste
zum 2ten mal zur Schroeder durchaus; (er hatte sich unterdes aus
meinen Flaschen Muth angesoffen) da trug er mir sein Vertrauen an.
Ob ich gleich wuste, daß sie mich nur zur Einschläferung nach R. ziehen
[396]wolten: so fügt' ich mich doch; aber da ich, nach deinem Briefe, keine30
Liebe mehr mitbringen und ohne diese nirgends sein kan: so ärger' ich
mich blos, daß ich gestern nicht nach Cassel gefahren bin, wohin ich

*) Du hast mich lange nicht gepriesen und ich weis nicht was ich daraus machen
sol.
**) und die heilige Jugendliebe, gleichsam die Herzensnerven zu Fang- und35
Nezstricken zu machen.

nahm — verdecken ihm ſeinen wärmſten Freund, den er und ſie für zu
ſtolz und nun bald kleiner Makulatur-Angriffe würdig halten werden.
Ach wie lieben die Menſchen! — Und doch werfen ſie nachher dem
Veränderung vor, in den ſie ſie hineingezwungen. Das andere Auge
wird dan für ein anderes Herz gehalten. Begehe nie dieſen Irthum an5
mir; ob ich gleich meine Höfer Augengläſer zerbrochen und mir neue
ſchärfere geſchliffen habe.

Alle Welt ſchwört, — ſchon in Berlin —, ich ſei da viel fetter
geworden; warlich ich fühle mich überal gepolſtert an; und doch würde
man mich im Vogtland damit kränken, daß man es läugnete, welches10
die einzige Veränderung iſt, die man mir misgönt, weil ſie ver-
ſchönert *).

Auch Göthe iſt — wenigſtens äuſſerlich — partheiiſch; jezt ſchweigen
er und Schiller über das gelobte Gedicht der Imhof ſtil, das ich fort-
lobe. „Wie gefält Ihnen Jacobis Brief an Fichte?“ fragt ich ihn.15
— „Er bleibt ſich gleich.“ — „Gott und auch der Teufel bleiben ſich
gleich“ ſagt’ ich; darauf bleibt er aus Unbehülflichkeit und Stolz und
Zorn dan — ſtum. Kein Epigram kan ihn in Bewegung ſtochern.


Dein mich begeiſternder und erbitternder heutiger Brief hat meine20
Pferde, (Morgen nach Rudolstadt) abbeſtelt. Es iſt gar zu arg,
einer eignen Frau Kupler zu ſein und ihre Küſſe zu vermiethen **). An-
fangs ſchrieb ſie mir nur einen Präliminarbrief — dan einen 2ten mit
der Drohung des Kommens — dan als ich ſagen lies, ſie ſolten bis
auf [meine] Berliner Rükkehr warten, damit ſie mich nicht verfehlten,25
waren beide den andern Morgen gerührt vor der Thüre. Sie muſte
zum 2ten mal zur Schroeder durchaus; (er hatte ſich unterdes aus
meinen Flaſchen Muth angeſoffen) da trug er mir ſein Vertrauen an.
Ob ich gleich wuſte, daß ſie mich nur zur Einſchläferung nach R. ziehen
[396]wolten: ſo fügt’ ich mich doch; aber da ich, nach deinem Briefe, keine30
Liebe mehr mitbringen und ohne dieſe nirgends ſein kan: ſo ärger’ ich
mich blos, daß ich geſtern nicht nach Cassel gefahren bin, wohin ich

*) Du haſt mich lange nicht geprieſen und ich weis nicht was ich daraus machen
ſol.
**) und die heilige Jugendliebe, gleichſam die Herzensnerven zu Fang- und35
Nezſtricken zu machen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="letter" n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="368"/>
nahm &#x2014; verdecken ihm &#x017F;einen wärm&#x017F;ten Freund, den er und &#x017F;ie für zu<lb/>
&#x017F;tolz und nun bald kleiner Makulatur-Angriffe würdig halten werden.<lb/>
Ach wie lieben die Men&#x017F;chen! &#x2014; Und doch werfen &#x017F;ie nachher dem<lb/>
Veränderung vor, in den &#x017F;ie &#x017F;ie hineingezwungen. Das andere Auge<lb/>
wird dan für ein anderes Herz gehalten. Begehe nie die&#x017F;en Irthum an<lb n="5"/>
mir; ob ich gleich meine Höfer Augenglä&#x017F;er zerbrochen und mir neue<lb/>
&#x017F;chärfere ge&#x017F;chliffen habe.</p><lb/>
        <p>Alle Welt &#x017F;chwört, &#x2014; &#x017F;chon in Berlin &#x2014;, ich &#x017F;ei da viel fetter<lb/>
geworden; warlich ich fühle mich überal gepol&#x017F;tert an; und doch würde<lb/>
man mich im Vogtland damit kränken, daß man es läugnete, welches<lb n="10"/>
die einzige Veränderung i&#x017F;t, die man mir misgönt, weil &#x017F;ie ver-<lb/>
&#x017F;chönert <note place="foot" n="*)">Du ha&#x017F;t mich lange nicht geprie&#x017F;en und ich weis nicht was ich daraus machen<lb/>
&#x017F;ol.</note>.</p><lb/>
        <p>Auch <hi rendition="#aq">Göthe</hi> i&#x017F;t &#x2014; wenig&#x017F;tens äu&#x017F;&#x017F;erlich &#x2014; partheii&#x017F;ch; jezt &#x017F;chweigen<lb/>
er und <hi rendition="#aq">Schiller</hi> über das gelobte Gedicht der <hi rendition="#aq">Imhof</hi> &#x017F;til, das ich fort-<lb/>
lobe. &#x201E;Wie gefält Ihnen Jacobis Brief an Fichte?&#x201C; fragt ich ihn.<lb n="15"/>
&#x2014; &#x201E;Er bleibt &#x017F;ich gleich.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Gott und auch der Teufel bleiben &#x017F;ich<lb/>
gleich&#x201C; &#x017F;agt&#x2019; ich; darauf bleibt er aus Unbehülflichkeit und Stolz und<lb/>
Zorn dan &#x2014; &#x017F;tum. Kein Epigram kan ihn in Bewegung &#x017F;tochern.</p><lb/>
        <div n="2">
          <dateline> <hi rendition="#right">d. 25. Aug.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Dein mich begei&#x017F;ternder und erbitternder heutiger Brief hat meine<lb n="20"/>
Pferde, (Morgen nach <hi rendition="#aq">Rudolstadt</hi>) abbe&#x017F;telt. Es i&#x017F;t gar zu arg,<lb/>
einer eignen Frau Kupler zu &#x017F;ein und ihre Kü&#x017F;&#x017F;e zu vermiethen <note place="foot" n="**)">und die heilige Jugendliebe, gleich&#x017F;am die Herzensnerven zu Fang- und<lb n="35"/>
Nez&#x017F;tricken zu machen.</note>. An-<lb/>
fangs &#x017F;chrieb &#x017F;ie mir nur einen Präliminarbrief &#x2014; dan einen 2<hi rendition="#sup">ten</hi> mit<lb/>
der Drohung des Kommens &#x2014; dan als ich &#x017F;agen lies, &#x017F;ie &#x017F;olten bis<lb/>
auf [meine] Berliner Rükkehr warten, damit &#x017F;ie mich nicht verfehlten,<lb n="25"/>
waren beide den andern Morgen gerührt vor der Thüre. Sie mu&#x017F;te<lb/>
zum 2<hi rendition="#sup">ten</hi> mal zur <hi rendition="#aq">Schroeder</hi> durchaus; (er hatte &#x017F;ich unterdes aus<lb/>
meinen Fla&#x017F;chen Muth ange&#x017F;offen) da trug er mir &#x017F;ein Vertrauen an.<lb/>
Ob ich gleich wu&#x017F;te, daß &#x017F;ie mich nur zur Ein&#x017F;chläferung nach <hi rendition="#aq">R.</hi> ziehen<lb/><note place="left"><ref target="1922_Bd3_396">[396]</ref></note>wolten: &#x017F;o fügt&#x2019; ich mich doch; aber da ich, nach deinem Briefe, keine<lb n="30"/>
Liebe mehr mitbringen und ohne die&#x017F;e nirgends &#x017F;ein kan: &#x017F;o ärger&#x2019; ich<lb/>
mich blos, daß ich ge&#x017F;tern nicht nach <hi rendition="#aq">Cassel</hi> gefahren bin, wohin ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[368/0388] nahm — verdecken ihm ſeinen wärmſten Freund, den er und ſie für zu ſtolz und nun bald kleiner Makulatur-Angriffe würdig halten werden. Ach wie lieben die Menſchen! — Und doch werfen ſie nachher dem Veränderung vor, in den ſie ſie hineingezwungen. Das andere Auge wird dan für ein anderes Herz gehalten. Begehe nie dieſen Irthum an 5 mir; ob ich gleich meine Höfer Augengläſer zerbrochen und mir neue ſchärfere geſchliffen habe. Alle Welt ſchwört, — ſchon in Berlin —, ich ſei da viel fetter geworden; warlich ich fühle mich überal gepolſtert an; und doch würde man mich im Vogtland damit kränken, daß man es läugnete, welches 10 die einzige Veränderung iſt, die man mir misgönt, weil ſie ver- ſchönert *). Auch Göthe iſt — wenigſtens äuſſerlich — partheiiſch; jezt ſchweigen er und Schiller über das gelobte Gedicht der Imhof ſtil, das ich fort- lobe. „Wie gefält Ihnen Jacobis Brief an Fichte?“ fragt ich ihn. 15 — „Er bleibt ſich gleich.“ — „Gott und auch der Teufel bleiben ſich gleich“ ſagt’ ich; darauf bleibt er aus Unbehülflichkeit und Stolz und Zorn dan — ſtum. Kein Epigram kan ihn in Bewegung ſtochern. d. 25. Aug. Dein mich begeiſternder und erbitternder heutiger Brief hat meine 20 Pferde, (Morgen nach Rudolstadt) abbeſtelt. Es iſt gar zu arg, einer eignen Frau Kupler zu ſein und ihre Küſſe zu vermiethen **). An- fangs ſchrieb ſie mir nur einen Präliminarbrief — dan einen 2ten mit der Drohung des Kommens — dan als ich ſagen lies, ſie ſolten bis auf [meine] Berliner Rükkehr warten, damit ſie mich nicht verfehlten, 25 waren beide den andern Morgen gerührt vor der Thüre. Sie muſte zum 2ten mal zur Schroeder durchaus; (er hatte ſich unterdes aus meinen Flaſchen Muth angeſoffen) da trug er mir ſein Vertrauen an. Ob ich gleich wuſte, daß ſie mich nur zur Einſchläferung nach R. ziehen wolten: ſo fügt’ ich mich doch; aber da ich, nach deinem Briefe, keine 30 Liebe mehr mitbringen und ohne dieſe nirgends ſein kan: ſo ärger’ ich mich blos, daß ich geſtern nicht nach Cassel gefahren bin, wohin ich [396] *) Du haſt mich lange nicht geprieſen und ich weis nicht was ich daraus machen ſol. **) und die heilige Jugendliebe, gleichſam die Herzensnerven zu Fang- und 35 Nezſtricken zu machen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/388
Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/388>, abgerufen am 22.11.2024.