Staubwolken, in denen aber für mich Aurorens Farben spielen. [366]Die Musik -- das Schauspiel und Ihr Geschlecht halten mich fest. Ich habe das grosse Sanssouci und die schöne Königin gesehen und bei ihr gegessen; warum hat sie zwei Thronen, da ihr zum Herschen an dem Thron der Schönheit genug sein5 koente? --
Aber alle diese Freuden, diese Gebüsche von Rosenblaettern verbauen mir doch nicht die Aussicht in den stillen Landsiz, wo meine Josephine meiner denkt und wo unsere schoenen Stunden in ihrem treuen holden Auge wiederglaenzen. Ich achte und liebe10 Sie sehr, seit ich Sie gesehen. Diese Festigkeit und Weichheit und Schonung, diese helle warme Liebe und diese Naivetät, dieses Feuer und diese Vernunft schliessen sich in Ihrem Wesen in einem seltenen Bund zusammen. Wir werden uns wiedersehen. Berlin kleidet sich vor mir jeden Tag immer reizender an, so daß15 ich hier bliebe, hätt' ich meine Koffer hier; und mein Entschlus wird immer staerker, hieher zu ziehen. -- Und dan öfnet sich uns der blaue Himmel mit seinen Sternen noch oft.
Blosse Gelehrte meid' ich; darum find ich hier keinen Neid, sondern nur einen zu warmen Enthusiasmus für mich, der mich20 nicht auf mich sondern auf die Menschheit stolz macht, die ihn zu haben vermag. Wie erquikt es das Herz, zu sehen, daß der- selbe Seufzer nach dem Überirdischen, der meines hebt, in tau- send Herzen aufsteigt! und daß wir alle einen gemeinschaftlichen Himmel in uns tragen! --25
Vergieb mir, Treue, daß ich in diesem Tumulte, der mich blos zwischen Diners und Soupers hin und her treibt, dir so kurz schreibe; und vergieb es, wenn ich in Weimar, wo ich eine seit 5 Wochen angehäufte Brief-Masse zu beantworten und meine Schriftstellerei nachzuholen habe, lange schweige. Unsere Wärme30 komt von keiner Glutkohle, die zerbröckelt und ausbrent, sondern von einer höhern Sonne, die uns mit einem warmen Lebenstage umgiebt. Wir koennen nicht mehr zweifeln, wir müssen uns ewig trauen und uns nicht veraendern. Ich glaube dir wie meinem Gewissen, Josephine; und liebe dich wie das was an mir gut ist.35
Lebe wohl!
R.
Staubwolken, in denen aber für mich Aurorens Farben spielen. [366]Die Musik — das Schauspiel und Ihr Geschlecht halten mich fest. Ich habe das grosse Sanssouci und die schöne Königin gesehen und bei ihr gegessen; warum hat sie zwei Thronen, da ihr zum Herschen an dem Thron der Schönheit genug sein5 koente? —
Aber alle diese Freuden, diese Gebüsche von Rosenblaettern verbauen mir doch nicht die Aussicht in den stillen Landsiz, wo meine Josephine meiner denkt und wo unsere schoenen Stunden in ihrem treuen holden Auge wiederglaenzen. Ich achte und liebe10 Sie sehr, seit ich Sie gesehen. Diese Festigkeit und Weichheit und Schonung, diese helle warme Liebe und diese Naivetät, dieses Feuer und diese Vernunft schliessen sich in Ihrem Wesen in einem seltenen Bund zusammen. Wir werden uns wiedersehen. Berlin kleidet sich vor mir jeden Tag immer reizender an, so daß15 ich hier bliebe, hätt’ ich meine Koffer hier; und mein Entschlus wird immer staerker, hieher zu ziehen. — Und dan öfnet sich uns der blaue Himmel mit seinen Sternen noch oft.
Blosse Gelehrte meid’ ich; darum find ich hier keinen Neid, sondern nur einen zu warmen Enthusiasmus für mich, der mich20 nicht auf mich sondern auf die Menschheit stolz macht, die ihn zu haben vermag. Wie erquikt es das Herz, zu sehen, daß der- selbe Seufzer nach dem Überirdischen, der meines hebt, in tau- send Herzen aufsteigt! und daß wir alle einen gemeinschaftlichen Himmel in uns tragen! —25
Vergieb mir, Treue, daß ich in diesem Tumulte, der mich blos zwischen Diners und Soupers hin und her treibt, dir so kurz schreibe; und vergieb es, wenn ich in Weimar, wo ich eine seit 5 Wochen angehäufte Brief-Masse zu beantworten und meine Schriftstellerei nachzuholen habe, lange schweige. Unsere Wärme30 komt von keiner Glutkohle, die zerbröckelt und ausbrent, sondern von einer höhern Sonne, die uns mit einem warmen Lebenstage umgiebt. Wir koennen nicht mehr zweifeln, wir müssen uns ewig trauen und uns nicht veraendern. Ich glaube dir wie meinem Gewissen, Josephine; und liebe dich wie das was an mir gut ist.35
Lebe wohl!
R.
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Staubwolken, in denen aber für mich Aurorens Farben spielen.
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gesehen und bei ihr gegessen; warum hat sie zwei Thronen, da
ihr zum Herschen an dem Thron der Schönheit genug sein 5
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Aber alle diese Freuden, diese Gebüsche von Rosenblaettern
verbauen mir doch nicht die Aussicht in den stillen Landsiz, wo
meine Josephine meiner denkt und wo unsere schoenen Stunden
in ihrem treuen holden Auge wiederglaenzen. Ich achte und liebe 10
Sie sehr, seit ich Sie gesehen. Diese Festigkeit und Weichheit
und Schonung, diese helle warme Liebe und diese Naivetät, dieses
Feuer und diese Vernunft schliessen sich in Ihrem Wesen in
einem seltenen Bund zusammen. Wir werden uns wiedersehen.
Berlin kleidet sich vor mir jeden Tag immer reizender an, so daß 15
ich hier bliebe, hätt’ ich meine Koffer hier; und mein Entschlus
wird immer staerker, hieher zu ziehen. — Und dan öfnet sich
uns der blaue Himmel mit seinen Sternen noch oft.
Blosse Gelehrte meid’ ich; darum find ich hier keinen Neid,
sondern nur einen zu warmen Enthusiasmus für mich, der mich 20
nicht auf mich sondern auf die Menschheit stolz macht, die ihn
zu haben vermag. Wie erquikt es das Herz, zu sehen, daß der-
selbe Seufzer nach dem Überirdischen, der meines hebt, in tau-
send Herzen aufsteigt! und daß wir alle einen gemeinschaftlichen
Himmel in uns tragen! — 25
Vergieb mir, Treue, daß ich in diesem Tumulte, der mich blos
zwischen Diners und Soupers hin und her treibt, dir so kurz
schreibe; und vergieb es, wenn ich in Weimar, wo ich eine seit
5 Wochen angehäufte Brief-Masse zu beantworten und meine
Schriftstellerei nachzuholen habe, lange schweige. Unsere Wärme 30
komt von keiner Glutkohle, die zerbröckelt und ausbrent, sondern
von einer höhern Sonne, die uns mit einem warmen Lebenstage
umgiebt. Wir koennen nicht mehr zweifeln, wir müssen uns
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Gewissen, Josephine; und liebe dich wie das was an mir gut ist. 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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