Theuere! Ihr Schweigen auf mein Blat vom 17 März machte mich um Ihre Gesundheit bange, deren Feind der Winter und der Frühling ist. Ihre zwei lezten Briefe gaben mir alle Freuden der5 Liebe, die ohne die Gegenwart möglich sind. Sie mögen noch so viel Zeit und Mühe einem Briefe widmen, einen langen können Sie mir doch nicht schreiben.
Ich logiere in Berlin beim Buchhändler und Kommerzienrath Matzdorf unter der Stechbahn und gegen das Ende Maies bin10 ich da. Senden Sie vorher ein Briefgen an mich ins Matzdorfische Haus -- oder früher nach Leipzig, abzugeben bei dem Buch- händler Beygang -- worin Sie mir Ihre Ankunft und Wohnung sagen. -- Ich wolte neulich allerdings Ihnen vorschlagen, Leipzig selber zu besuchen; Gründe auf meiner Seite wären genug. -- Ich15 gehe nach Berlin, nicht Berlins wegen. Eine grosse Stadt ist für mich eine Samlung und Gasse von Städten -- in Leipzig hätten wir den Zauber der Natur und der Gärten genossen; der Altar der Freund- schaft würde da unter Blüten und neben Nachtigallen gebauet -- o unsere Wonne wäre da ohne Gleichen -- auch würde mir Zeit,20 da ich auf Reisen nie schreibe, und vielleicht Kränklichkeit er- spart, weil ich immer aus dem bunten Kreise ewiger Soupers krank durch Trinken und Sprechen und Wachen herauskomme. -- Noch viele andere Gründe wolt' ich Ihnen vorlegen; aber ich unterlies es, weil ich die Gränzen Ihrer Verhältnisse nicht kenne;25 [351]wär' es Ihnen aber doch möglich, Theuere, nach Leipzig zu kommen -- ach wie gern würd' ich Ihre Abreise aus Leipzig be- gleiten, um nur nicht nach Berlin zu müssen.
Einige Ihrer Briefe sandt' ich meiner edlen Caroline. Sie ant- wortete darauf: "Josephinens Briefe sind Beweise eines edel30 "gebildeten Karakters und eines warmen aber unglüklichen "Herzens. Die Art, womit sie an dich schreibt, kan meine Liebe "nur erhöhen. Sie liebt dich. Gehe, mein Geliebter, heile dies "wunde Herz und tröste die gedrükte Seele, sie verdient es. O "wie wird es dich und mich beruhigen, wenn du ein drittes We-35 "sen beruhigt, ein heisses Sehnen gestilt, und jene überflügeln- "de Phantasie mit der Hand der Freundschaft in die Seele vol
*450. An Joſephine von Sydow.
Weimar d. 24 Apr. 1800.
Theuere! Ihr Schweigen auf mein Blat vom 17 März machte mich um Ihre Gesundheit bange, deren Feind der Winter und der Frühling ist. Ihre zwei lezten Briefe gaben mir alle Freuden der5 Liebe, die ohne die Gegenwart möglich sind. Sie mögen noch so viel Zeit und Mühe einem Briefe widmen, einen langen können Sie mir doch nicht schreiben.
Ich logiere in Berlin beim Buchhändler und Kommerzienrath Matzdorf unter der Stechbahn und gegen das Ende Maies bin10 ich da. Senden Sie vorher ein Briefgen an mich ins Matzdorfische Haus — oder früher nach Leipzig, abzugeben bei dem Buch- händler Beygang — worin Sie mir Ihre Ankunft und Wohnung sagen. — Ich wolte neulich allerdings Ihnen vorschlagen, Leipzig selber zu besuchen; Gründe auf meiner Seite wären genug. — Ich15 gehe nach Berlin, nicht Berlins wegen. Eine grosse Stadt ist für mich eine Samlung und Gasse von Städten — in Leipzig hätten wir den Zauber der Natur und der Gärten genossen; der Altar der Freund- schaft würde da unter Blüten und neben Nachtigallen gebauet — o unsere Wonne wäre da ohne Gleichen — auch würde mir Zeit,20 da ich auf Reisen nie schreibe, und vielleicht Kränklichkeit er- spart, weil ich immer aus dem bunten Kreise ewiger Soupers krank durch Trinken und Sprechen und Wachen herauskomme. — Noch viele andere Gründe wolt’ ich Ihnen vorlegen; aber ich unterlies es, weil ich die Gränzen Ihrer Verhältnisse nicht kenne;25 [351]wär’ es Ihnen aber doch möglich, Theuere, nach Leipzig zu kommen — ach wie gern würd’ ich Ihre Abreise aus Leipzig be- gleiten, um nur nicht nach Berlin zu müssen.
Einige Ihrer Briefe sandt’ ich meiner edlen Caroline. Sie ant- wortete darauf: „Josephinens Briefe sind Beweise eines edel30 „gebildeten Karakters und eines warmen aber unglüklichen „Herzens. Die Art, womit sie an dich schreibt, kan meine Liebe „nur erhöhen. Sie liebt dich. Gehe, mein Geliebter, heile dies „wunde Herz und tröste die gedrükte Seele, sie verdient es. O „wie wird es dich und mich beruhigen, wenn du ein drittes We-35 „sen beruhigt, ein heisses Sehnen gestilt, und jene überflügeln- „de Phantasie mit der Hand der Freundschaft in die Seele vol
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*450. An Joſephine von Sydow.
Weimar d. 24 Apr. 1800.
Theuere! Ihr Schweigen auf mein Blat vom 17 März machte
mich um Ihre Gesundheit bange, deren Feind der Winter und der
Frühling ist. Ihre zwei lezten Briefe gaben mir alle Freuden der 5
Liebe, die ohne die Gegenwart möglich sind. Sie mögen noch so
viel Zeit und Mühe einem Briefe widmen, einen langen können
Sie mir doch nicht schreiben.
Ich logiere in Berlin beim Buchhändler und Kommerzienrath
Matzdorf unter der Stechbahn und gegen das Ende Maies bin 10
ich da. Senden Sie vorher ein Briefgen an mich ins Matzdorfische
Haus — oder früher nach Leipzig, abzugeben bei dem Buch-
händler Beygang — worin Sie mir Ihre Ankunft und Wohnung
sagen. — Ich wolte neulich allerdings Ihnen vorschlagen, Leipzig
selber zu besuchen; Gründe auf meiner Seite wären genug. — Ich 15
gehe nach Berlin, nicht Berlins wegen. Eine grosse Stadt ist für mich
eine Samlung und Gasse von Städten — in Leipzig hätten wir den
Zauber der Natur und der Gärten genossen; der Altar der Freund-
schaft würde da unter Blüten und neben Nachtigallen gebauet
— o unsere Wonne wäre da ohne Gleichen — auch würde mir Zeit, 20
da ich auf Reisen nie schreibe, und vielleicht Kränklichkeit er-
spart, weil ich immer aus dem bunten Kreise ewiger Soupers
krank durch Trinken und Sprechen und Wachen herauskomme.
— Noch viele andere Gründe wolt’ ich Ihnen vorlegen; aber ich
unterlies es, weil ich die Gränzen Ihrer Verhältnisse nicht kenne; 25
wär’ es Ihnen aber doch möglich, Theuere, nach Leipzig zu
kommen — ach wie gern würd’ ich Ihre Abreise aus Leipzig be-
gleiten, um nur nicht nach Berlin zu müssen.
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Einige Ihrer Briefe sandt’ ich meiner edlen Caroline. Sie ant-
wortete darauf: „Josephinens Briefe sind Beweise eines edel 30
„gebildeten Karakters und eines warmen aber unglüklichen
„Herzens. Die Art, womit sie an dich schreibt, kan meine Liebe
„nur erhöhen. Sie liebt dich. Gehe, mein Geliebter, heile dies
„wunde Herz und tröste die gedrükte Seele, sie verdient es. O
„wie wird es dich und mich beruhigen, wenn du ein drittes We- 35
„sen beruhigt, ein heisses Sehnen gestilt, und jene überflügeln-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/344>, abgerufen am 23.11.2024.
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