Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.[Den doppelten Scherz gegen die Berlepsch billige ich nicht, da er Ich heirathe entschieden und gerade ein Wesen -- wenn ich es In meiner Phantasie ruht Weimar auf einer verklärten Wolke. [31]Niemand könte Sie aus meiner Seele verdrängen als Sie. [In Leipzig lieset mich jeder, wie ich aus allem ersehe, ich aber und15 -- In meinen Gehirnkammern sind seit unserm Beisammensein 31. An Amöne Herold. Leipzig d. 22 Dec. 97.Mir ist, indem ich anfange, als wäre etwas anders als Wochen und30 [Den doppelten Scherz gegen die Berlepſch billige ich nicht, da er Ich heirathe entſchieden und gerade ein Weſen — wenn ich es In meiner Phantaſie ruht Weimar auf einer verklärten Wolke. [31]Niemand könte Sie aus meiner Seele verdrängen als Sie. [In Leipzig lieſet mich jeder, wie ich aus allem erſehe, ich aber und15 — In meinen Gehirnkammern ſind ſeit unſerm Beiſammenſein 31. An Amöne Herold. Leipzig d. 22 Dec. 97.Mir iſt, indem ich anfange, als wäre etwas anders als Wochen und30 <TEI> <text> <body> <div type="letter" n="1"> <pb facs="#f0034" n="28"/> <p>[Den doppelten Scherz gegen die Berlepſch billige ich nicht, da er<lb/> entweder meine Wahrhaftigkeit oder meine Verſchwiegenheit kompro-<lb/> mittiert.</p><lb/> <p>Ich heirathe entſchieden und gerade ein Weſen — wenn ich es<lb/> finde — wie Sie mir es zeichnen. Seit dem Tode meiner Mutter]<lb n="5"/> ſehnet ſich meine [ganze] Seele nach der Wiederkehr der häuslichen<lb/> Freude, die ich nie dem weltbürgerlichen Reiſeleben abgewinne.</p><lb/> <p>In meiner Phantaſie ruht <hi rendition="#aq">Weimar</hi> auf einer verklärten Wolke.<lb/> [Wen hab’ ich in Weimar zu ſcheuen? da ich meine Viſittenlaufbahn<lb/> dort erneuere. Nirgends fand ich den Geſelſchaftston ſo fein, ſo ernſt<lb n="10"/> und ſo leicht wie dort.]</p><lb/> <p><note place="left"><ref target="1922_Bd3_31">[31]</ref></note>Niemand könte Sie aus meiner Seele verdrängen als Sie.<lb/> [Sie bleiben meinem Herzen, was Sie waren.] Solche Stunden wie<lb/> unſere ſind mit einem ewigen Feuer bezeichnet.</p><lb/> <p>[In Leipzig lieſet mich jeder, wie ich aus allem erſehe, ich aber und<lb n="15"/> dieſe Stadt paſſen nicht zuſammen;] die bankerute Gegend und die<lb/> ebene Flachheit der Seelen treiben mich bald fort und <hi rendition="#aq">Weimar</hi> liegt<lb/> [immer] vor mir als das Jeruſalem, in das ich einmal einziehen mus,<lb/> nicht um zu leiden ſondern das Oſterlam zu eſſen. [Am meiſten gefält<lb/> es mir bei Platner und Weiſſe. Die Mädgen ſind im Ganzen ſchön,<lb n="20"/> nicht geziert, man hat gegen ſie ein ſonderbares, ſcherzendes Betragen,<lb/> an dem mir der Mangel an Ernſt nicht und die Achtung ſehr gefält.]</p><lb/> <p>— In meinen Gehirnkammern ſind ſeit unſerm Beiſammenſein<lb/> einige Lichter mehr angezündet, aber meine Herzenskammern ſind noch<lb/> eben ſo geheizt. [Wie wolten Sie es anſtellen, daß ich nicht in ihnen<lb n="25"/> Sie finden ſolte?] Möge das neue Jahr die Augenlaſt, die auf mein<lb/> Herz mit drükt, abheben.</p> </div><lb/> <div type="letter" n="1"> <head>31. An <hi rendition="#g">Amöne Herold.</hi></head><lb/> <dateline> <hi rendition="#right"><hi rendition="#aq">Leipzig d. 22 Dec.</hi> 97.</hi> </dateline><lb/> <p>Mir iſt, indem ich anfange, als wäre etwas anders als Wochen und<lb n="30"/> Meilen zwiſchen uns und ich fühle mich fremd. Geſchwiegen hab’ ich<lb/> bisher, liebe Amöne, weil ich Ihnen von mir wenig und von Ihnen<lb/> nichts, was ich Ihnen nicht ſchon zu oft geſagt, zu ſchreiben hatte. In<lb/> Belgershain las ich aus Zeitmangel erſt einige Ihrer Briefe (lezte und<lb/> erſte): Sie ſolten ſie einmal ſchnel hinter einander leſen, um über Ihren<lb n="35"/> wiederkehrenden Wechſel zwiſchen Froh- und Traurigſein auf immer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0034]
[Den doppelten Scherz gegen die Berlepſch billige ich nicht, da er
entweder meine Wahrhaftigkeit oder meine Verſchwiegenheit kompro-
mittiert.
Ich heirathe entſchieden und gerade ein Weſen — wenn ich es
finde — wie Sie mir es zeichnen. Seit dem Tode meiner Mutter] 5
ſehnet ſich meine [ganze] Seele nach der Wiederkehr der häuslichen
Freude, die ich nie dem weltbürgerlichen Reiſeleben abgewinne.
In meiner Phantaſie ruht Weimar auf einer verklärten Wolke.
[Wen hab’ ich in Weimar zu ſcheuen? da ich meine Viſittenlaufbahn
dort erneuere. Nirgends fand ich den Geſelſchaftston ſo fein, ſo ernſt 10
und ſo leicht wie dort.]
Niemand könte Sie aus meiner Seele verdrängen als Sie.
[Sie bleiben meinem Herzen, was Sie waren.] Solche Stunden wie
unſere ſind mit einem ewigen Feuer bezeichnet.
[31]
[In Leipzig lieſet mich jeder, wie ich aus allem erſehe, ich aber und 15
dieſe Stadt paſſen nicht zuſammen;] die bankerute Gegend und die
ebene Flachheit der Seelen treiben mich bald fort und Weimar liegt
[immer] vor mir als das Jeruſalem, in das ich einmal einziehen mus,
nicht um zu leiden ſondern das Oſterlam zu eſſen. [Am meiſten gefält
es mir bei Platner und Weiſſe. Die Mädgen ſind im Ganzen ſchön, 20
nicht geziert, man hat gegen ſie ein ſonderbares, ſcherzendes Betragen,
an dem mir der Mangel an Ernſt nicht und die Achtung ſehr gefält.]
— In meinen Gehirnkammern ſind ſeit unſerm Beiſammenſein
einige Lichter mehr angezündet, aber meine Herzenskammern ſind noch
eben ſo geheizt. [Wie wolten Sie es anſtellen, daß ich nicht in ihnen 25
Sie finden ſolte?] Möge das neue Jahr die Augenlaſt, die auf mein
Herz mit drükt, abheben.
31. An Amöne Herold.
Leipzig d. 22 Dec. 97.
Mir iſt, indem ich anfange, als wäre etwas anders als Wochen und 30
Meilen zwiſchen uns und ich fühle mich fremd. Geſchwiegen hab’ ich
bisher, liebe Amöne, weil ich Ihnen von mir wenig und von Ihnen
nichts, was ich Ihnen nicht ſchon zu oft geſagt, zu ſchreiben hatte. In
Belgershain las ich aus Zeitmangel erſt einige Ihrer Briefe (lezte und
erſte): Sie ſolten ſie einmal ſchnel hinter einander leſen, um über Ihren 35
wiederkehrenden Wechſel zwiſchen Froh- und Traurigſein auf immer
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(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen). Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
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