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Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959.

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420. An Charlotte von Kalb.
[Kopie]

-- ein Wetter, das alle Strassen in Bäche verkehrte -- -- Weimar,
das wie die Polarzone vol glänzendem Schnee und unfruchtbarem[331]
Nordlicht ist -- Er [Herder?] stand nahe an dem von ihm so oft portrai-5
tierten Todesengel, aber dieser, nicht jene entflog. Wehmüthig, wenn
ich in seine Stube träte und nichts darin fände als die Vergangenheit.

421. An Josephine von Sydow.

Geliebteste Freundin! Ich moechte fast bis zu dem 20ten warten10
wo ich und der Frühling unsern Geburtstag haben, um dan wenig-
stens auf dem Papiere bei Ihnen zu sein. Den 23 März ist es gerade
ein Jahr, daß wir uns im finstern Walde des Lebens, der die
Menschen einander verstekt und entzieht, gleichsam auf einer
schoenen ofnen heitern Stelle gefunden haben; und wir wollen15
uns nie verlassen und vergessen.

Jezt die Antworten auf Ihre beiden Briefe. Die Leipziger Messe
fält in die Mitte des Maies, ich aber komme erst am Ende des-
selben nach Berlin. Es ist immer besser, ich erwarte da als ich
werde erwartet. -- Ich lies Ihnen durch Matzdorf die Mumien20
schikken, weil ich sie für mein bestes Buch halte; es liegt das
Morgenroth und der Morgenthau der ersten Empfindung auf
ihren Blaettern, es sind grüne moecht' ich sagen. -- Geschrieben
hab' ich noch: den Quintus Fixlein (1 Bändgen, wovon zur
Messe die 2te Auflage heraus komt) -- Geschichte meiner Vor-25
rede,
(ein kleines Büchelgen, dessen lezte Dichtung vielleicht für
manche junge Mädgenseele eine leitende Mutter wird) -- und den
Jubelsenior.

Die Geschichte und die Karaktere der Blumenstücke sind
blos aus meiner Seele; nur die Schmerzen der Armuth hab' ich30
gerade wie Siebenkaes und mit derselben Laune getragen. --
Wer meiner guten Josephine ähnlich ist in meinen Dichtungen?
-- Natalie ist es; ich schmeichle damit weniger Ihnen als Na-
talien.

Ich würde Ihrer Lotte gern Lieblingsarien senden, wenn ich35
deren nicht zu viele hätte; die ganze Zauberfloete müst' ich ihr

20 Jean Paul Briefe. III.
420. An Charlotte von Kalb.
[Kopie]

— ein Wetter, das alle Straſſen in Bäche verkehrte — — Weimar,
das wie die Polarzone vol glänzendem Schnee und unfruchtbarem[331]
Nordlicht iſt — Er [Herder?] ſtand nahe an dem von ihm ſo oft portrai-5
tierten Todesengel, aber dieſer, nicht jene entflog. Wehmüthig, wenn
ich in ſeine Stube träte und nichts darin fände als die Vergangenheit.

421. An Joſephine von Sydow.

Geliebteste Freundin! Ich moechte fast bis zu dem 20ten warten10
wo ich und der Frühling unsern Geburtstag haben, um dan wenig-
stens auf dem Papiere bei Ihnen zu sein. Den 23 März ist es gerade
ein Jahr, daß wir uns im finstern Walde des Lebens, der die
Menschen einander verstekt und entzieht, gleichsam auf einer
schoenen ofnen heitern Stelle gefunden haben; und wir wollen15
uns nie verlassen und vergessen.

Jezt die Antworten auf Ihre beiden Briefe. Die Leipziger Messe
fält in die Mitte des Maies, ich aber komme erst am Ende des-
selben nach Berlin. Es ist immer besser, ich erwarte da als ich
werde erwartet. — Ich lies Ihnen durch Matzdorf die Mumien20
schikken, weil ich sie für mein bestes Buch halte; es liegt das
Morgenroth und der Morgenthau der ersten Empfindung auf
ihren Blaettern, es sind grüne moecht’ ich sagen. — Geschrieben
hab’ ich noch: den Quintus Fixlein (1 Bändgen, wovon zur
Messe die 2te Auflage heraus komt) — Geschichte meiner Vor-25
rede,
(ein kleines Büchelgen, dessen lezte Dichtung vielleicht für
manche junge Mädgenseele eine leitende Mutter wird) — und den
Jubelsenior.

Die Geschichte und die Karaktere der Blumenstücke sind
blos aus meiner Seele; nur die Schmerzen der Armuth hab’ ich30
gerade wie Siebenkaes und mit derselben Laune getragen. —
Wer meiner guten Josephine ähnlich ist in meinen Dichtungen?
— Natalie ist es; ich schmeichle damit weniger Ihnen als Na-
talien.

Ich würde Ihrer Lotte gern Lieblingsarien senden, wenn ich35
deren nicht zu viele hätte; die ganze Zauberfloete müst’ ich ihr

20 Jean Paul Briefe. III.
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[305/0325] 420. An Charlotte von Kalb. [Weimar, 14. März 1800] — ein Wetter, das alle Straſſen in Bäche verkehrte — — Weimar, das wie die Polarzone vol glänzendem Schnee und unfruchtbarem Nordlicht iſt — Er [Herder?] ſtand nahe an dem von ihm ſo oft portrai- 5 tierten Todesengel, aber dieſer, nicht jene entflog. Wehmüthig, wenn ich in ſeine Stube träte und nichts darin fände als die Vergangenheit. [331] 421. An Joſephine von Sydow. Weimar d. 17. März 1800 Geliebteste Freundin! Ich moechte fast bis zu dem 20ten warten 10 wo ich und der Frühling unsern Geburtstag haben, um dan wenig- stens auf dem Papiere bei Ihnen zu sein. Den 23 März ist es gerade ein Jahr, daß wir uns im finstern Walde des Lebens, der die Menschen einander verstekt und entzieht, gleichsam auf einer schoenen ofnen heitern Stelle gefunden haben; und wir wollen 15 uns nie verlassen und vergessen. Jezt die Antworten auf Ihre beiden Briefe. Die Leipziger Messe fält in die Mitte des Maies, ich aber komme erst am Ende des- selben nach Berlin. Es ist immer besser, ich erwarte da als ich werde erwartet. — Ich lies Ihnen durch Matzdorf die Mumien 20 schikken, weil ich sie für mein bestes Buch halte; es liegt das Morgenroth und der Morgenthau der ersten Empfindung auf ihren Blaettern, es sind grüne moecht’ ich sagen. — Geschrieben hab’ ich noch: den Quintus Fixlein (1 Bändgen, wovon zur Messe die 2te Auflage heraus komt) — Geschichte meiner Vor- 25 rede, (ein kleines Büchelgen, dessen lezte Dichtung vielleicht für manche junge Mädgenseele eine leitende Mutter wird) — und den Jubelsenior. Die Geschichte und die Karaktere der Blumenstücke sind blos aus meiner Seele; nur die Schmerzen der Armuth hab’ ich 30 gerade wie Siebenkaes und mit derselben Laune getragen. — Wer meiner guten Josephine ähnlich ist in meinen Dichtungen? — Natalie ist es; ich schmeichle damit weniger Ihnen als Na- talien. Ich würde Ihrer Lotte gern Lieblingsarien senden, wenn ich 35 deren nicht zu viele hätte; die ganze Zauberfloete müst’ ich ihr 20 Jean Paul Briefe. III.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-11-22T15:05:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-11-22T15:05:42Z)

Weitere Informationen:

Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).

Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.




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Zitationshilfe: Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/325>, abgerufen am 22.11.2024.