die Gattung oder Art hat nur Tradizion, die aber freilich nur wieder ein anderes Wort ist für dunklere Offenbarung.
f. "Analyse des Begrifs der Freiheit" Fichte sol uns doch erst -- ohne Machtspruch -- beweisen, daß das Gedachte und Denkende je eins sei, und daß sich das Subjekt ganz denke und also ein Ob-Subjekt werde.5 Die Freiheit macht den Begrif, aber sie ist doch nicht er, die Ursache nicht die Wirkung. Belehre mich. Hier ist wieder Verbal-Weisheit. -- Und du hast gewis weder ihm die Anerkennung, noch uns*) den Besiz der Freiheit abgesprochen, wie ich dein System kenne. -- "Aus- gehen vom Sein" Belehre mich auch darüber. Ich kan nie über das10 Sein hinaus; und das absolute Handeln ist stets für mich. Wozu mengt Fichte die Statik der sinlichen Substanz hinein? Umgekehrt lieber -- wie Plato sagt -- eben die sinliche Erscheinung ist nicht, nur wir. Sein ist für mich die Kategorie der Kategorien; sage mir nur Ja oder Nein, auch ohne Beweis.15
[326]d. 23. Febr.
Ich sehe in seiner ganzen Antwort keine auf deine. Das ihm vor- geworfne wie ein Todter blos sich selber fressende und wie Christus sich auferweckende Ich bleibt immer noch da. Die absolute Freiheit, die kein Etwas, keine Substanz, kein Accidens, keine Kraft, keine That,20 und nirgends und undenkbar, (als Grund des Denkens,) ist und nichts, kein Prädikat hat und ist, diese Ichheit wird mir immer mehr ein anderes Wort für das algemeine unbekante X der Skeptiker, eine transßend[ente] qualitas occulta; worein man alles sezt was für sich nicht stehen kan.25
Ich bitte, Heinrich, sage mir nur über diesen und andere Briefe ohne weitere Beweise, ob du dazu Ja oder Nein sagst.
Die Archimetria wurde mir und Herder geschikt. Diesem gefält sie sehr; mir nicht. Als praktisches Regulativ ist sein tantum gut; aber nicht als theoretisches; denn nicht über die Nothwendigkeit sondern30 über den Wohnort des Tantum wird ja eben von Jena bis Königsberg gefochten. Er selber schreibt ohne ein Tantum.
*) Er thut eigentlich gerade das; da er die Freiheit nicht ins individuelle sondern ins unendliche Ich verlegt.
die Gattung oder Art hat nur Tradizion, die aber freilich nur wieder ein anderes Wort iſt für dunklere Offenbarung.
f. „Analyſe des Begrifs der Freiheit“ Fichte ſol uns doch erſt — ohne Machtſpruch — beweiſen, daß das Gedachte und Denkende je eins ſei, und daß ſich das Subjekt ganz denke und alſo ein Ob-Subjekt werde.5 Die Freiheit macht den Begrif, aber ſie iſt doch nicht er, die Urſache nicht die Wirkung. Belehre mich. Hier iſt wieder Verbal-Weisheit. — Und du haſt gewis weder ihm die Anerkennung, noch uns*) den Beſiz der Freiheit abgeſprochen, wie ich dein Syſtem kenne. — „Aus- gehen vom Sein“ Belehre mich auch darüber. Ich kan nie über das10 Sein hinaus; und das abſolute Handeln iſt ſtets für mich. Wozu mengt Fichte die Statik der ſinlichen Subſtanz hinein? Umgekehrt lieber — wie Plato ſagt — eben die ſinliche Erſcheinung iſt nicht, nur wir. Sein iſt für mich die Kategorie der Kategorien; ſage mir nur Ja oder Nein, auch ohne Beweis.15
[326]d. 23. Febr.
Ich ſehe in ſeiner ganzen Antwort keine auf deine. Das ihm vor- geworfne wie ein Todter blos ſich ſelber freſſende und wie Chriſtus ſich auferweckende Ich bleibt immer noch da. Die abſolute Freiheit, die kein Etwas, keine Subſtanz, kein Accidens, keine Kraft, keine That,20 und nirgends und undenkbar, (als Grund des Denkens,) iſt und nichts, kein Prädikat hat und iſt, dieſe Ichheit wird mir immer mehr ein anderes Wort für das algemeine unbekante X der Skeptiker, eine transſzend[ente] qualitas occulta; worein man alles ſezt was für ſich nicht ſtehen kan.25
Ich bitte, Heinrich, ſage mir nur über dieſen und andere Briefe ohne weitere Beweiſe, ob du dazu Ja oder Nein ſagſt.
Die Archimetria wurde mir und Herder geſchikt. Dieſem gefält ſie ſehr; mir nicht. Als praktiſches Regulativ iſt ſein tantum gut; aber nicht als theoretiſches; denn nicht über die Nothwendigkeit ſondern30 über den Wohnort des Tantum wird ja eben von Jena bis Königsberg gefochten. Er ſelber ſchreibt ohne ein Tantum.
*) Er thut eigentlich gerade das; da er die Freiheit nicht ins individuelle ſondern ins unendliche Ich verlegt.
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die Gattung oder Art hat nur Tradizion, die aber freilich nur wieder
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f. „Analyſe des Begrifs der Freiheit“ Fichte ſol uns doch erſt — ohne
Machtſpruch — beweiſen, daß das Gedachte und Denkende je eins ſei,
und daß ſich das Subjekt ganz denke und alſo ein Ob-Subjekt werde. 5
Die Freiheit macht den Begrif, aber ſie iſt doch nicht er, die Urſache
nicht die Wirkung. Belehre mich. Hier iſt wieder Verbal-Weisheit.
— Und du haſt gewis weder ihm die Anerkennung, noch uns *) den
Beſiz der Freiheit abgeſprochen, wie ich dein Syſtem kenne. — „Aus-
gehen vom Sein“ Belehre mich auch darüber. Ich kan nie über das 10
Sein hinaus; und das abſolute Handeln iſt ſtets für mich. Wozu mengt
Fichte die Statik der ſinlichen Subſtanz hinein? Umgekehrt lieber
— wie Plato ſagt — eben die ſinliche Erſcheinung iſt nicht, nur wir.
Sein iſt für mich die Kategorie der Kategorien; ſage mir nur Ja oder
Nein, auch ohne Beweis. 15
d. 23. Febr.
Ich ſehe in ſeiner ganzen Antwort keine auf deine. Das ihm vor-
geworfne wie ein Todter blos ſich ſelber freſſende und wie Chriſtus ſich
auferweckende Ich bleibt immer noch da. Die abſolute Freiheit, die
kein Etwas, keine Subſtanz, kein Accidens, keine Kraft, keine That, 20
und nirgends und undenkbar, (als Grund des Denkens,) iſt und nichts,
kein Prädikat hat und iſt, dieſe Ichheit wird mir immer mehr ein
anderes Wort für das algemeine unbekante X der Skeptiker, eine
transſzend[ente] qualitas occulta; worein man alles ſezt was für ſich
nicht ſtehen kan. 25
Ich bitte, Heinrich, ſage mir nur über dieſen und andere Briefe ohne
weitere Beweiſe, ob du dazu Ja oder Nein ſagſt.
Die Archimetria wurde mir und Herder geſchikt. Dieſem gefält ſie
ſehr; mir nicht. Als praktiſches Regulativ iſt ſein tantum gut; aber
nicht als theoretiſches; denn nicht über die Nothwendigkeit ſondern 30
über den Wohnort des Tantum wird ja eben von Jena bis Königsberg
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*) Er thut eigentlich gerade das; da er die Freiheit nicht ins individuelle ſondern
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
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Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/316>, abgerufen am 27.07.2024.
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