Blüten. -- Und schreiben Sie mir nicht mehr im beschwerlichen Lang- folio. -- Die Würzburger Rezension, "die Sie gemacht haben möch- ten", hätten Sie besser gemacht und ohne jene dürftige zertriebene Allegorie. "Pathetische Raketen, leuchtende Kugeln der Empfindungen, Feuerräder der Wahrheit" -- das kan man alles versezen und Feuer-5 räder der Empfindung etc. u. s. f. sagen. Nur die ganze Sinnesart darin ist liberaler als ich bei einem Würzburger Rezensenten (weil das eine Tavtologie oder Verdoppelung ist) zu finden hofte. -- Goethe lies hier den erbärmlichen Mahomet von Voltaire geben, woran nichts gut ist als der Göthesche Vers. -- Können Sie mir nicht Fichte über10 die Bestimmung etc. gebunden leihen? -- Ich mus zu meinem Clavis auch diesen idealistischen Hokuspokus von ihm haben, wodurch er seine casa santa in die breiten Lehrgebäude des gemeinen Verstandes verstekt. -- Mein Clavis hat bei einem grossen Philosophen und Ken- ner der Fichterei so viel Beifal gefunden, daß ich ihn 2 mal solte15 drucken lassen, einmal wie er ist, zum zweitenmal vergrössert. -- Nur allein das Studium Jacobis kan Sie vom Jahrhundert heilen. Fichte erklärt Jacobi für den tiefsten Denker unserer Zeit und sezt ihn weit über Kant; ich auch. Leben Sie wohl Lieber und schreiben Sie mir bald und viel. --20
R.
Das Blätgen ist von Böttiger.
405. An Herder.
[Weimar, 25. Febr. 1800. Fastnachtsdienstag]
Nicht nur Philosophen, sondern auch kritische Künstler werden sich,25 bereichert, an Ihrem Werke -- besonders an diesen Abschnitten -- erfreuen; wie oft durch eine Schlacht aus einem trüben Himmel ein blauer wurde, so ist hier neben dem Sieg noch ein heller Tag gewonnen. Am vortrefl[ichsten] ist das Neue über die Ideale Bl. 26, 27, 28; besonders ist N. 2 Bl. 27., so wohl in Darstellung als Inhalt30 musterhaft; und ein Künstler findet doch noch mehr darin als ich -- Und [320]so das über die schönen Künste Bl. 18, 19, 20, 21. und der 6te Ab- schnit. Die Professions-Philosophen werden hier wegen ihrer un- artistischen Natur und Kentnis eigentliche im Finstern urthelnde Areo- pagiten sein, wenn sie nicht so einsichtig sind, daß sie es machen wie ich,35 nämlich nur solche Noten wie folgende.
Blüten. — Und ſchreiben Sie mir nicht mehr im beſchwerlichen Lang- folio. — Die Würzburger Rezenſion, „die Sie gemacht haben möch- ten“, hätten Sie beſſer gemacht und ohne jene dürftige zertriebene Allegorie. „Pathetiſche Raketen, leuchtende Kugeln der Empfindungen, Feuerräder der Wahrheit“ — das kan man alles verſezen und Feuer-5 räder der Empfindung ꝛc. u. ſ. f. ſagen. Nur die ganze Sinnesart darin iſt liberaler als ich bei einem Würzburger Rezenſenten (weil das eine Tavtologie oder Verdoppelung iſt) zu finden hofte. — Goethe lies hier den erbärmlichen Mahomet von Voltaire geben, woran nichts gut iſt als der Götheſche Vers. — Können Sie mir nicht Fichte über10 die Beſtimmung ꝛc. gebunden leihen? — Ich mus zu meinem Clavis auch dieſen idealiſtiſchen Hokuspokus von ihm haben, wodurch er ſeine casa santa in die breiten Lehrgebäude des gemeinen Verſtandes verſtekt. — Mein Clavis hat bei einem groſſen Philoſophen und Ken- ner der Fichterei ſo viel Beifal gefunden, daß ich ihn 2 mal ſolte15 drucken laſſen, einmal wie er iſt, zum zweitenmal vergröſſert. — Nur allein das Studium Jacobis kan Sie vom Jahrhundert heilen. Fichte erklärt Jacobi für den tiefſten Denker unſerer Zeit und ſezt ihn weit über Kant; ich auch. Leben Sie wohl Lieber und ſchreiben Sie mir bald und viel. —20
R.
Das Blätgen iſt von Böttiger.
405. An Herder.
[Weimar, 25. Febr. 1800. Faſtnachtsdienstag]
Nicht nur Philoſophen, ſondern auch kritiſche Künſtler werden ſich,25 bereichert, an Ihrem Werke — beſonders an dieſen Abſchnitten — erfreuen; wie oft durch eine Schlacht aus einem trüben Himmel ein blauer wurde, ſo iſt hier neben dem Sieg noch ein heller Tag gewonnen. Am vortrefl[ichſten] iſt das Neue über die Ideale Bl. 26, 27, 28; beſonders iſt N. 2 Bl. 27., ſo wohl in Darſtellung als Inhalt30 muſterhaft; und ein Künſtler findet doch noch mehr darin als ich — Und [320]ſo das über die ſchönen Künſte Bl. 18, 19, 20, 21. und der 6te Ab- ſchnit. Die Profeſſions-Philoſophen werden hier wegen ihrer un- artiſtiſchen Natur und Kentnis eigentliche im Finſtern urthelnde Areo- pagiten ſein, wenn ſie nicht ſo einſichtig ſind, daß ſie es machen wie ich,35 nämlich nur ſolche Noten wie folgende.
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Blüten. — Und ſchreiben Sie mir nicht mehr im beſchwerlichen Lang-
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Allegorie. „Pathetiſche Raketen, leuchtende Kugeln der Empfindungen,
Feuerräder der Wahrheit“ — das kan man alles verſezen und Feuer- 5
räder der Empfindung ꝛc. u. ſ. f. ſagen. Nur die ganze Sinnesart
darin iſt liberaler als ich bei einem Würzburger Rezenſenten (weil das
eine Tavtologie oder Verdoppelung iſt) zu finden hofte. — Goethe lies
hier den erbärmlichen Mahomet von Voltaire geben, woran nichts
gut iſt als der Götheſche Vers. — Können Sie mir nicht Fichte über 10
die Beſtimmung ꝛc. gebunden leihen? — Ich mus zu meinem Clavis
auch dieſen idealiſtiſchen Hokuspokus von ihm haben, wodurch er ſeine
casa santa in die breiten Lehrgebäude des gemeinen Verſtandes
verſtekt. — Mein Clavis hat bei einem groſſen Philoſophen und Ken-
ner der Fichterei ſo viel Beifal gefunden, daß ich ihn 2 mal ſolte 15
drucken laſſen, einmal wie er iſt, zum zweitenmal vergröſſert. — Nur
allein das Studium Jacobis kan Sie vom Jahrhundert heilen. Fichte
erklärt Jacobi für den tiefſten Denker unſerer Zeit und ſezt ihn weit
über Kant; ich auch. Leben Sie wohl Lieber und ſchreiben Sie mir
bald und viel. — 20
R.
Das Blätgen iſt von Böttiger.
405. An Herder.
[Weimar, 25. Febr. 1800. Faſtnachtsdienstag]
Nicht nur Philoſophen, ſondern auch kritiſche Künſtler werden ſich, 25
bereichert, an Ihrem Werke — beſonders an dieſen Abſchnitten —
erfreuen; wie oft durch eine Schlacht aus einem trüben Himmel ein
blauer wurde, ſo iſt hier neben dem Sieg noch ein heller Tag
gewonnen. Am vortrefl[ichſten] iſt das Neue über die Ideale Bl. 26,
27, 28; beſonders iſt N. 2 Bl. 27., ſo wohl in Darſtellung als Inhalt 30
muſterhaft; und ein Künſtler findet doch noch mehr darin als ich — Und
ſo das über die ſchönen Künſte Bl. 18, 19, 20, 21. und der 6te Ab-
ſchnit. Die Profeſſions-Philoſophen werden hier wegen ihrer un-
artiſtiſchen Natur und Kentnis eigentliche im Finſtern urthelnde Areo-
pagiten ſein, wenn ſie nicht ſo einſichtig ſind, daß ſie es machen wie ich, 35
nämlich nur ſolche Noten wie folgende.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/310>, abgerufen am 22.11.2024.
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