wahrscheinlich schon erhalten, den deinen. Für jedes Wort bring' ich dir einen Dank -- und zugleich die Antwort erstlich auf den weissen, dan auf den grünen.
1. Der Clavis wird besonders und vermehrt und erhellet gedrukt, aber nur einmal. Besorge keine Verschiebung des Gebäudes. Ich5 kont' es mir nicht abgewinnen, dasselbe Kind dem Publikum zugleich als bekehrten Schächer und als unbusfertigen zu schicken. -- Mit Frühlings-Freude gebähr' ich den Clavis wieder, da ich darin philoso- phieren und spassen zugleich kan, welche Dinge mich unter dem Machen ins Feuer sezen, indes ich in dramatischen Darstellungen vorher10 im Feuer sein mus zum Machen. -- Der gute Reinhold ist weniger schwankend als durchsichtig; 100 Philosophen durchgehen eben solche Vischnu's Verwandlungen wie er, zeigen aber der Welt nur die lezte. -- Aber, Heinrich! wer ist die Clairvoyante, die Titanide, die so schreiben kan, die Verfass[erin] der Stelle an deine Schwester?15 Welches herliche Weib! Die Herders vermuthen, es sei eine Stolberg, von der sie mir manches malten, was es bestätigte. Deine Leserin und Zuhörerin mus sie auch sein. -- Die Fichtianer trugen schon deinen ungedrukten Brief freudig, zumal über dein Lob, herum. H. v. Hardenberg -- ein Fichtianer, es ist der Novalis im Athenäum20 -- war entzükt über ihn. Dieser erzählte mir vor einem Jahr in Leipzig, wie es mit Fr. Schlegel, dessen Freund er ist, gegangen sei. "Er habe (verzeih mir einige unheilige Worte) alle deine Werke auf einmal studiert, verschlungen, gepriesen, gesagt, er werde in seinem Leben keine solche Zeile machen können; darauf sich immer tiefer hinein-25 gearbeitet und endlich sei ihm Licht über den Woldem[arschen] Egois- mus aufgegangen etc." Der Spizbube ist dir gut, wie mir, ob er mich gleich zu skalpieren versucht.
d. 29. J.
Du hast mein ganzes Herz wie mit einem neuen Schmerz gerührt,30 [307]da du mich an deine Leiden erinnertest. Man schwebt im Empyräum der Liebe und der Phantasie oft Jahre lang herum, ohne nur einmal sich das geliebte ferne Wesen in einem Schmerze vorzustellen; aber dan erschrikt man und er thut einem desto weher. Warum must du leiden, mein guter Heinrich?35
wahrſcheinlich ſchon erhalten, den deinen. Für jedes Wort bring’ ich dir einen Dank — und zugleich die Antwort erſtlich auf den weiſſen, dan auf den grünen.
1. Der Clavis wird beſonders und vermehrt und erhellet gedrukt, aber nur einmal. Beſorge keine Verſchiebung des Gebäudes. Ich5 kont’ es mir nicht abgewinnen, daſſelbe Kind dem Publikum zugleich als bekehrten Schächer und als unbusfertigen zu ſchicken. — Mit Frühlings-Freude gebähr’ ich den Clavis wieder, da ich darin philoſo- phieren und ſpaſſen zugleich kan, welche Dinge mich unter dem Machen ins Feuer ſezen, indes ich in dramatiſchen Darſtellungen vorher10 im Feuer ſein mus zum Machen. — Der gute Reinhold iſt weniger ſchwankend als durchſichtig; 100 Philoſophen durchgehen eben ſolche Viſchnu’s Verwandlungen wie er, zeigen aber der Welt nur die lezte. — Aber, Heinrich! wer iſt die Clairvoyante, die Titanide, die ſo ſchreiben kan, die Verfaſſ[erin] der Stelle an deine Schweſter?15 Welches herliche Weib! Die Herders vermuthen, es ſei eine Stolberg, von der ſie mir manches malten, was es beſtätigte. Deine Leſerin und Zuhörerin mus ſie auch ſein. — Die Fichtianer trugen ſchon deinen ungedrukten Brief freudig, zumal über dein Lob, herum. H. v. Hardenberg — ein Fichtianer, es iſt der Novalis im Athenäum20 — war entzükt über ihn. Dieſer erzählte mir vor einem Jahr in Leipzig, wie es mit Fr. Schlegel, deſſen Freund er iſt, gegangen ſei. „Er habe (verzeih mir einige unheilige Worte) alle deine Werke auf einmal ſtudiert, verſchlungen, geprieſen, geſagt, er werde in ſeinem Leben keine ſolche Zeile machen können; darauf ſich immer tiefer hinein-25 gearbeitet und endlich ſei ihm Licht über den Woldem[arſchen] Egoiſ- mus aufgegangen ꝛc.“ Der Spizbube iſt dir gut, wie mir, ob er mich gleich zu ſkalpieren verſucht.
d. 29. J.
Du haſt mein ganzes Herz wie mit einem neuen Schmerz gerührt,30 [307]da du mich an deine Leiden erinnerteſt. Man ſchwebt im Empyräum der Liebe und der Phantaſie oft Jahre lang herum, ohne nur einmal ſich das geliebte ferne Weſen in einem Schmerze vorzuſtellen; aber dan erſchrikt man und er thut einem deſto weher. Warum muſt du leiden, mein guter Heinrich?35
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wahrſcheinlich ſchon erhalten, den deinen. Für jedes Wort bring’ ich
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kont’ es mir nicht abgewinnen, daſſelbe Kind dem Publikum zugleich
als bekehrten Schächer und als unbusfertigen zu ſchicken. — Mit
Frühlings-Freude gebähr’ ich den Clavis wieder, da ich darin philoſo-
phieren und ſpaſſen zugleich kan, welche Dinge mich unter dem
Machen ins Feuer ſezen, indes ich in dramatiſchen Darſtellungen vorher 10
im Feuer ſein mus zum Machen. — Der gute Reinhold iſt weniger
ſchwankend als durchſichtig; 100 Philoſophen durchgehen eben ſolche
Viſchnu’s Verwandlungen wie er, zeigen aber der Welt nur die lezte.
— Aber, Heinrich! wer iſt die Clairvoyante, die Titanide, die ſo
ſchreiben kan, die Verfaſſ[erin] der Stelle an deine Schweſter? 15
Welches herliche Weib! Die Herders vermuthen, es ſei eine Stolberg,
von der ſie mir manches malten, was es beſtätigte. Deine Leſerin
und Zuhörerin mus ſie auch ſein. — Die Fichtianer trugen ſchon
deinen ungedrukten Brief freudig, zumal über dein Lob, herum.
H. v. Hardenberg — ein Fichtianer, es iſt der Novalis im Athenäum 20
— war entzükt über ihn. Dieſer erzählte mir vor einem Jahr in Leipzig,
wie es mit Fr. Schlegel, deſſen Freund er iſt, gegangen ſei. „Er habe
(verzeih mir einige unheilige Worte) alle deine Werke auf einmal
ſtudiert, verſchlungen, geprieſen, geſagt, er werde in ſeinem Leben
keine ſolche Zeile machen können; darauf ſich immer tiefer hinein- 25
gearbeitet und endlich ſei ihm Licht über den Woldem[arſchen] Egoiſ-
mus aufgegangen ꝛc.“ Der Spizbube iſt dir gut, wie mir, ob er mich
gleich zu ſkalpieren verſucht.
d. 29. J.
Du haſt mein ganzes Herz wie mit einem neuen Schmerz gerührt, 30
da du mich an deine Leiden erinnerteſt. Man ſchwebt im Empyräum
der Liebe und der Phantaſie oft Jahre lang herum, ohne nur einmal
ſich das geliebte ferne Weſen in einem Schmerze vorzuſtellen; aber
dan erſchrikt man und er thut einem deſto weher. Warum muſt du
leiden, mein guter Heinrich? 35
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/298>, abgerufen am 25.11.2024.
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