Vereinigung thun. Ich weis nicht, ob ich es meiner geliebten Josephine schon geschrieben habe, daß sie ein Fräulein von[303] Feuchtersleben in Hildburghausen ist (mais tais-toi, amie); daß sie eine kurze Zeit bei der Herzogin als Hofdame vikarierte. Erst im vorigen Sommer fanden wir uns. Sie ist ausgebildet, stolz, weich,5 warm und heilig. -- Zu Klotilde und zu allen meinen Weibern hatt' ich keine Modelle, ich nahm sie aus meinem Herzen, und am Ende fand ich sie auch ausser demselben; nur die gute Josephine hab' ich früher gefunden als gemalt; und ihr beschei- denes Auge würd' es nicht errathen, wo ich sie malte und meinte.10 -- Sie haben diesesmal beinahe immer nur gefragt und ich kan also immer nur antworten. Meine Ehe ist (wenn nicht die Ver- wandten ein doppeltes Glük grausam vernichten) in diesem Jahr; mein Wohnort ist wo ich wil. Ich stehe nicht dafür, daß ich nicht eine Zeitlang in Berlin einmal wohne -- und dan, Gute,15 wär' ich dir so nahe! Im Februar eine Reise zu Ihnen zu machen, verboten mir blos physische Verhältnisse, aber keine mora- lischen -- allein im Mai, Gute! Ich weis es nicht -- ach ich möchte -- mir fehlet nichts dazu als -- Zeit. Denn so lang ich nicht zu Hause bin, arbeit' ich nicht. Ich bin nicht reich; und ob20 ich gleich für den gedrukten Bogen 5 Louisd'or bekomme: so werd' ich es doch nicht, weil ich nach dem Gelde zu wenig frage.
In Deutschland leidet eine Gallierin vielleicht mehr in der Jugend als im Alter; unsere Männer haben entweder zu wenig25 Feuer oder zu wenig Delikatesse; selten verbinden sie beides; dazu sind sie oft sogar in der Liebe langweilig. Nur eine leere eitle Seele, nie die Ihrige kan das Alter scheuen; Sie sezen sich in dieses mit Ihren jezigen Wünschen; aber es komt und bringt andere mit. -- Und ich bleibe deiner Seele immer treu! -- Wie30 wird der Mai uns blühen! -- Wenn du mich siehest, hast du gerade meinen Titan gelesen und liebst mich ein wenig mehr; wie ich dich nach jedem neuen Briefe. Ach neulich war ich wie ein Kind bei deinem Portrait und streichelte mit dem Finger über das Augenlied vor Liebe. -- Du siehst wie ich an dich denke. Sei35 daher fester im Glauben an mich und werde nicht so leicht durch ein Schweigen irre, Theuere, Liebe, Liebe!
Vereinigung thun. Ich weis nicht, ob ich es meiner geliebten Josephine schon geschrieben habe, daß sie ein Fräulein von[303] Feuchtersleben in Hildburghausen ist (mais tais-toi, amie); daß sie eine kurze Zeit bei der Herzogin als Hofdame vikarierte. Erst im vorigen Sommer fanden wir uns. Sie ist ausgebildet, stolz, weich,5 warm und heilig. — Zu Klotilde und zu allen meinen Weibern hatt’ ich keine Modelle, ich nahm sie aus meinem Herzen, und am Ende fand ich sie auch ausser demselben; nur die gute Josephine hab’ ich früher gefunden als gemalt; und ihr beschei- denes Auge würd’ es nicht errathen, wo ich sie malte und meinte.10 — Sie haben diesesmal beinahe immer nur gefragt und ich kan also immer nur antworten. Meine Ehe ist (wenn nicht die Ver- wandten ein doppeltes Glük grausam vernichten) in diesem Jahr; mein Wohnort ist wo ich wil. Ich stehe nicht dafür, daß ich nicht eine Zeitlang in Berlin einmal wohne — und dan, Gute,15 wär’ ich dir so nahe! Im Februar eine Reise zu Ihnen zu machen, verboten mir blos physische Verhältnisse, aber keine mora- lischen — allein im Mai, Gute! Ich weis es nicht — ach ich möchte — mir fehlet nichts dazu als — Zeit. Denn so lang ich nicht zu Hause bin, arbeit’ ich nicht. Ich bin nicht reich; und ob20 ich gleich für den gedrukten Bogen 5 Louisd’or bekomme: so werd’ ich es doch nicht, weil ich nach dem Gelde zu wenig frage.
In Deutschland leidet eine Gallierin vielleicht mehr in der Jugend als im Alter; unsere Männer haben entweder zu wenig25 Feuer oder zu wenig Delikatesse; selten verbinden sie beides; dazu sind sie oft sogar in der Liebe langweilig. Nur eine leere eitle Seele, nie die Ihrige kan das Alter scheuen; Sie sezen sich in dieses mit Ihren jezigen Wünschen; aber es komt und bringt andere mit. — Und ich bleibe deiner Seele immer treu! — Wie30 wird der Mai uns blühen! — Wenn du mich siehest, hast du gerade meinen Titan gelesen und liebst mich ein wenig mehr; wie ich dich nach jedem neuen Briefe. Ach neulich war ich wie ein Kind bei deinem Portrait und streichelte mit dem Finger über das Augenlied vor Liebe. — Du siehst wie ich an dich denke. Sei35 daher fester im Glauben an mich und werde nicht so leicht durch ein Schweigen irre, Theuere, Liebe, Liebe!
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Vereinigung thun. Ich weis nicht, ob ich es meiner geliebten
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eine kurze Zeit bei der Herzogin als Hofdame vikarierte. Erst im
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warm und heilig. — Zu Klotilde und zu allen meinen Weibern
hatt’ ich keine Modelle, ich nahm sie aus meinem Herzen, und
am Ende fand ich sie auch ausser demselben; nur die gute
Josephine hab’ ich früher gefunden als gemalt; und ihr beschei-
denes Auge würd’ es nicht errathen, wo ich sie malte und meinte. 10
— Sie haben diesesmal beinahe immer nur gefragt und ich kan
also immer nur antworten. Meine Ehe ist (wenn nicht die Ver-
wandten ein doppeltes Glük grausam vernichten) in diesem Jahr;
mein Wohnort ist wo ich wil. Ich stehe nicht dafür, daß ich
nicht eine Zeitlang in Berlin einmal wohne — und dan, Gute, 15
wär’ ich dir so nahe! Im Februar eine Reise zu Ihnen zu machen,
verboten mir blos physische Verhältnisse, aber keine mora-
lischen — allein im Mai, Gute! Ich weis es nicht — ach ich
möchte — mir fehlet nichts dazu als — Zeit. Denn so lang ich
nicht zu Hause bin, arbeit’ ich nicht. Ich bin nicht reich; und ob 20
ich gleich für den gedrukten Bogen 5 Louisd’or bekomme: so
werd’ ich es doch nicht, weil ich nach dem Gelde zu wenig
frage.
In Deutschland leidet eine Gallierin vielleicht mehr in der
Jugend als im Alter; unsere Männer haben entweder zu wenig 25
Feuer oder zu wenig Delikatesse; selten verbinden sie beides;
dazu sind sie oft sogar in der Liebe langweilig. Nur eine leere
eitle Seele, nie die Ihrige kan das Alter scheuen; Sie sezen sich
in dieses mit Ihren jezigen Wünschen; aber es komt und bringt
andere mit. — Und ich bleibe deiner Seele immer treu! — Wie 30
wird der Mai uns blühen! — Wenn du mich siehest, hast du gerade
meinen Titan gelesen und liebst mich ein wenig mehr; wie ich
dich nach jedem neuen Briefe. Ach neulich war ich wie ein Kind
bei deinem Portrait und streichelte mit dem Finger über das
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daher fester im Glauben an mich und werde nicht so leicht durch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T15:05:42Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 3. Berlin, 1959, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe03_1959/295>, abgerufen am 22.11.2024.
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